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Ahmed Said hat als Gefäßchirurg in Frankfurt gearbeitet.
© Privat
Update

Ägyptische Justiz: Der Willkür ausgesetzt

Ahmed Said wird im ägyptischen Gefängnis offenbar gefoltert und misshandelt. Seine Verlobte fürchtet um das Leben des Aktivisten. Sein Berufungsverfahren wurde indes verschoben.

Als seine Familie ihn am 24. Dezember in der ägyptischen Hauptstadt Kairo im Gefängnis besuchen darf, ist Ahmed Said körperlich kaum mehr als ein Wrack: Der ägyptische Gefäßchirurg kann kaum auf eigenen Beinen stehen, sprechen fällt ihm schwer und immer wieder greift er sich an die Seite, krümmt sich vor Schmerz.

So erzählt es seine deutsche Verlobte, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Ahmeds Zustand ist katastrophal“, berichtet sie, ihre Stimme zittert. „Er wurde gefoltert und misshandelt. Sie haben ihm Elektroschocks verpasst und Zigaretten auf seiner Haut ausgedrückt.“ Seit zwei Wochen ist der gebürtige Ägypter zudem im Hungerstreik.

Dabei waren der 33-Jährige und seine deutsche Verlobte eigentlich nur nach Kairo gereist, um alles für die bevorstehende Hochzeit des Paares zu regeln: Papiere beantragen, Formulare besorgen, ein wenig Zeit zusammen verbringen.

Der Chirurg verarztete bei der Revolution 2011 viele Verletzte

Stattdessen sitzt der Arzt seit mehr als fünf Wochen in Haft und ist dort der Willkür des Geheimdienstes und der Polizei ausgeliefert. Die Anklage: Verkehrsbehinderung, außerdem Verstoß gegen das Versammlungsverbot und das Anti-Protest-Gesetz. Letzteres hatte der ägyptische Präsident Abd al-Fattah as-Sisi erst 2013 erlassen. Es verbietet Menschenansammlungen von mehr als fünf Leuten und soll Demonstrationen im Keim ersticken. Es erlaubt der Polizei, alle Menschen, die sich in Nähe der Demonstration aufhalten, festzunehmen.

Und tatsächlich war Ahmed Said am 19. November, dem vierten Jahrestag der Zusammenstöße in der Mohammed-Mahmoud-Straße, zu einer Mahnwache gekommen. Zusammen mit Anderen gedachte er der 51 Opfer, die bei Auseinandersetzungen mit der ägyptischen Polizei 2011 starben.

Ahmed Said war damals in Ägypten, hatte während des Arabischen Frühlings die Verwundeten verarztet. Auch bei anderen Demonstrationen war er dabei, engagierte sich später auch von Deutschland aus, wo er als Gefäßchirurg unter anderem in Frankfurt arbeitete und reiste immer wieder nach Ägypten.

"Die Verhaftung ist illegal", klagt Saids Verlobte

Als die Beamten den 33-Jährigen später an diesem 19. November in einem Café aufgreifen, ist die Mahnwache lange vorbei. „Die Verhaftung ist allein deswegen illegal, die Anklage konstruiert“, meint seine Verlobte. Zwölf weitere Aktivisten werden an dem Tag festgenommen. Die Demonstration, wegen der Ahmed Said und vier andere final angeklagt werden, sie gab es nie, sagen seine Anwälte. Es gebe keine Beweise, keine Zeugen, in der Nähe des Cafés gab es nicht einmal eine Verkehrsbehinderung. Das ägyptische Verkehrsministerium bestätigt dies später.

Die Anklage beruht auf einem nicht veröffentlichten Bericht, so sagt seine Verlobte. Die Beamten nehmen Said trotzdem fest. Danach herrscht Funkstille.

„Wir haben ihn nicht erreicht, wir wussten nicht wo er ist“, erzählt seine Verlobte, die mittlerweile nach Kairo gereist ist und dort zusammen mit der Familie auf einen finalen Urteilsspruch wartet. Eine Frage beschäftigt sie besonders: Hat der Geheimdienst ihn verschleppt? Erst zwölf Stunden später taucht Said auf der Insassenliste einer Polizeistation in Kairos Downtown-Quartier Aberdeen auf.

Said: "Ich werde ein Gefangener bleiben, selbst wenn ich draußen wäre"

Als seine Verlobte ihn wenig später auf der Polizeistation besucht, sieht er schlecht aus, das Gebäude riecht nach Fäkalien, die Zelle ist überfüllt. Die Menschen mussten übereinander oder nacheinander schlafen, erzählt sie.

Doch Said schreibt einen Brief, gibt sich kämpferisch: „Ich werde ein Gefangener bleiben, selbst wenn ich draußen wäre“, heißt es darin. Am 13. Dezember folgt das Urteil. Er und vier andere Aktivisten werden zu je zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt.

Am Tag darauf wird der 33-Jährige in ein Gefängnis verlegt. Besuche sind fortan verboten. Niemand weiß wie es ihm geht, nichts dringt durch die modernen Gefängnismauern nach draußen. Er tritt in den Hungerstreik, nimmt nur noch Flüssigkeit zu sich. Als er nach medizinischer Versorgung oder wenigstens medizinischer Überwachung fragt, lehnt das Gericht ab. Dann passiert lange nichts. Erst am 24. Dezember erlaubt das Gericht den Besuch der Familie.

Grüne prangern menschenunwürdige Haftbedingungen an

„Das ist doch reine Willkür“, klagt Saids Verlobte. Die Verhaftung sei nur ein vorgeschobener Grund gewesen. Grünen-Politikerin Franziska Brantner glaubt: „Er wurde verhaftet, weil er sich auch aus Deutschland weiter engagiert hat.“ Der Fall zeige ein ums andere Mal, dass Ägyptens Regime jegliche Meinungsäußerung im Keim ersticke und mit Repressionen abstrafe, sagte Brantner dem Tagesspiegel.

Die Grünen im Bundestag prangerten vor dem Hintergrund der Verurteilung am Montag "menschenunwürdige Haftbedingungen" in Ägypten an und forderten eine Reaktion der Bundesregierung. Deutschland müsse die Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi umgehend zur Einhaltung grundlegender rechtsstaatlicher Prinzipien auffordern, sagte Brantner.

40.000 Regimekritiker sitzen im, Gefängnis

Auch Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International beklagen die Verhaftung Saids: Tatsächlich gehe es nicht um einen fairen Prozess, sondern darum, Oppositionelle und Aktivisten mundtot zu machen. Bis zu 40.000 Regimekritiker sitzen in ägyptischen Gefängnissen ein, schätzen Experten.

Wenige Wochen vor dem Jahrestag der Revolution in Ägypten am 25. Januar häuften sich jetzt die Festnahmen. Bis zu 1000 Regimekritiker würden an diesem Tag jährlich in Haft genommen, heißt es, und oftmals gefoltert – darunter seien auch Kinder.

Ausgang des Berufungsverfahrens noch völlig offen

Brantner schaltete ihrerseits die deutsche Botschaft ein, doch die kann nichts machen: „Ahmed Said ist Ägypter, da sind der Botschaft die Hände gebunden“, sagt Brantner. Amnesty International und auch die ägyptische Ärztekammer bemühen sich daher, öffentlich Druck auf das Regime auszuüben. Doch das zeigt bisher keine Reaktionen.  

Jetzt warten alle auf das Berufungsverfahren, das an diesem Mittwoch beginnen sollte. Es wurde jedoch auf Antrag eines Anwalts eines der Mitangeklagten auf den 13. Januar verschoben. Saids Verlobte berichtete, Said sei in ein Gefängnis verlegt worden, das für seine Foltermethoden bekannt sei. In den Tagen um den Jahreswechsel werde es neue Besuchszeiten geben. Erst dann wird mehr über seinen Zustand zu erfahren sein.

Der Ausgang des Berufungsverfahrens ist noch völlig offen. Hoffnungen auf einen Freispruch will sich die Verlobte von Said nicht machen: „Die Enttäuschung würde mir nur die Kraft rauben, die ich später noch brauche.“ Für sie ist die Situation besonders hart. Sie kam mit dem Wunsch, ihren Verlobten zu heiraten nach Kairo - und muss nun um sein Leben fürchten. Doch auch wenn er verurteilt werden sollte, ist eins klar für sie: „Wir werden heiraten – wenn es sein muss im Gefängnis.“

Nils Wischmeyer

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