Flüchtlinge: Der „sichere Ort“ außerhalb Europas
Dem Bundesinnenministerium schwebt ein Konzept vor, nach dem Flüchtlinge gar nicht erst nach Europa kommen sollen, sondern an „sicheren Orten“ abgefertigt werden.
Das deutsche Asylgesetz regelt seit 1992 ganz genau das Konzept der „sicheren Drittstaaten“: Wer nach Deutschland aus einem EU-Mitgliedsstaat oder einem anderen europäischen Land einreist, das die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention gewährleistet, hat in der Bundesrepublik kein Grundrecht auf Asyl.
Das deutsche Innenministerium möchte dieses Vorgehen umwandeln. Vom „Sicheren Drittstaat“ zum „Sicheren Ort“, lautet die Devise, die die Staatssekretärin im Innenministerium, Emily Haber, am Mittwoch in Berlin vorstellte.
Abfertigung in Asylzentren außerhalb der EU
„Sichere Orte“, das könnten dann auch Staaten außerhalb Europas sein, an denen laut Haber „menschenwürdige Bedingungen“ herrschen. Zusammengefasst: Asylsuchende würden Europa gar nicht erreichen, sondern würden in Asylzentren außerhalb der EU abgefertigt. Die europäischen Länder hätten dann nur gegenüber den eindeutig Schutzbedürftigen noch eine Verantwortung.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte bereits Ende Januar am Rande des EU-Innenministertreffens in Valletta von diesen sicheren Orten außerhalb Europas gesprochen. Ein Konzept, wonach diese definiert werden könnten, existiert im EU-Recht jedoch noch nicht.
Orientieren würde sich die Idee am EU-Türkei-Abkommen. Das Schleusertum könnte laut Innenministerium dadurch erfolgreich ausgetrocknet werden.
Vorbild Türkei
Welche Bedingungen ein Land erfüllen müsste, um als sicherer Ort deklariert zu werden, darüber werde verhandelt, sagte Haber. Sicher ist: Flüchtlinge einfach in Nordafrika abzusetzen, wäre ein Bruch des Völkerrechts. Laut dem Non-Refoulement-Prinzip der Genfer Flüchtlingskonvention darf kein Flüchtling in ein Land gesandt werden, „wo sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Anschauung gefährdet ist“. Migranten dürfen in ein Land nur geschickt werden, wenn es sich eben um einen „sicheren Drittstaat“ handelt. Daran zweifeln aber bereits bei der Türkei etliche griechische Asylrichter.
Libyen, versicherte Haber zumindest, werde einstweilen sicher nicht zu den „sicheren Staaten“ zählen. Die EU wolle in Libyen aber langfristig zumindest ansatzweise stabile Zustände schaffen.
Das Land ist seit Schließung der Balkanroute und dem EU-Türkei-Abkommen ins Zentrum der Flüchtlingsproblematik gerückt. Mehr als 180.000 Migranten sind im Jahr 2016 über das zentrale Mittelmeer nach Italien gekommen, rund 4500 starben auf ihrem Weg nach Europa. Der Großteil dieser Menschen fuhr in Libyen ab.
Innenminister de Maizière hatte Ende November vorgeschlagen, dass Migranten, die von Libyen in See stechen, nicht dorthin zurück-, sondern in ein anderes nordafrikanisches Land wie Tunesien oder Ägypten gebracht werden sollten. Dort könnten sie ihren Asylantrag für Europa stellen und, wenn dieser erfolgreich sei, sicher auf den Kontinent gebracht werden. Konkreten Pläne gebe es dazu jedoch noch nicht, sagte de Maizière damals.
Klar ist laut Innenministerium jedenfalls eines: Ein neues europäisches Konzept wird dauern. „Schengen macht eine europäische Angleichung der Asyl- und Migrationsarchitektur nötig“, sagte Haber. Die EU arbeite darum neben einer Verbesserung des Schutzes ihrer Außengrenzen auch an einer Erneuerung des Dublin-Systems. Dies alles sei jedoch aufwändig und werde bis Mai dieses Jahres nicht zu schaffen sein.
Erschienen bei EurActiv.
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