Tschechien: Der Rüpel auf der Prager Burg
Tschechien wählt den Präsidenten. Der populistische Amtsinhaber Milos Zeman gilt als aussichtsreichster Kandidat.
Tschechiens Präsident Milos Zeman kann zufrieden sein. Lange vor vielen anderen Politikern hat er sich dafür entschieden, ein Rüpel zu sein, ein Provokateur und ein Unkorrekter. Als der Sozialdemokrat in das Lager der Populisten wechselte, begab er sich noch auf dünnes Eis. Doch es hat den Zwei-Meter-Mann getragen. Deshalb hat Zeman jetzt beste Aussichten, in eine zweite Amtszeit als Staatsoberhaupt gewählt zu werden. Die erste Runde der Abstimmung findet an diesem Freitag und Sonnabend statt.Der Präsident wird in Tschechien in direkter Wahl bestimmt.
Einen Wahlkampf hat Zeman nicht geführt, jede öffentliche Debatte mit anderen Kandidaten lehnte er kategorisch ab. Vielen gilt das als Zeichen seiner Stärke.
Ohne Diskussion
Petr Honzejk, der Kommentator der Zeitung „Hospodarske noviny“, denkt nicht so – und ist damit ein einsamer Rufer. Er meinte kürzlich in einem Leitartikel, die Wähler hätten ein Recht auf die politische Auseinandersetzung der Kandidaten vor der Wahl. Zeman meide sie bewusst, so Honzejk, weil er fürchten müsse, seine Skandale und Peinlichkeiten würden noch einmal durchdekliniert. Und davon gab es eine Vielzahl: merkwürdige verbale Entgleisungen, offenkundige Trunkenheit, Ausbrüche von Vulgarität und Intoleranz, rassistische Nebentöne.
So schürt Zeman beispielsweise gern Ängste der Tschechen mit Verschwörungstheorien. Die Flüchtlingswelle sei eine von der Muslimbruderschaft organisierte Aktion, sagte er vor zwei Jahren in einem Rundfunkinterview. Diese versuche, Europa unter ihre Kontrolle zu bekommen. In Tschechien gibt es bis heute keinen nennenswerten islamischen Einfluss, noch weniger eine Flüchtlingskrise. Doch Zeman gelang es, die latenten Vorurteile seiner Landsleute zu aktivieren: Eine überwältigende Mehrheit lehnt die Aufnahme von Flüchtlingen strikt ab.
Ein Freund in Russland
Der Präsident hat auch wesentlichen Anteil daran, dass sich die EU-freundliche Stimmung in Tschechien abgekühlt hat und der Blick inzwischen manchmal beinahe sehnsuchtsvoll nach Osten gerichtet ist. Nach China beispielsweise oder – sehr viel mehr noch – auf Wladimir Putin. Dessen Nähe sucht Zeman jedenfalls auffällig, was erstaunlich ist, denn eine allzu große Nähe zu Moskau hat in Tschechien immer noch den Beigeschmack der Kollaboration. Aber Zeman schadet das nicht.
Die Hemdsärmeligkeit, mit der er vors Volk tritt, führt manchmal dazu, dass Zeman unterschätzt wird. Hinter der leutseligen Fassade ist er aber ein gnadenloser, durchsetzungsstarker Egomane mit einem klaren strategischen Ziel. Es heißt: Macht. „Zeman hat ein langes Gedächtnis, und er vergibt nicht. Er war sehr erfolgreich bei der Zerstörung seiner politischen Gegner“, sagte der konservative Europaabgeordnete Jan Zahradil kürzlich dem US-Magazin „Politico“. Zahradil weiß, wovon er spricht. Er war Berater von Zemans größtem politischen Gegenspieler vergangener Zeiten: von Vaclav Klaus.
Diejenigen, die Zeman wohlgesinnt sind, erklären, er spiele den brachial unkorrekten Populisten nur. In Wahrheit sei er ein Intellektueller, sehr gebildet. Aber als echter Volkstribun sage er den Leuten eben, was sie hören wollten, in der Sprache, die sie hören wollten. Dazu gehören Zeman-Sätze wie dieser: „Die meisten Journalisten kommen aus dem Arsch und gehören in die Latrine.“ Einen Gesetzentwurf bezeichnete er mal als „verschissen“. Und die russische Punkband Pussy Riots, das seien doch Huren. Das stehe doch schon im Bandnamen. Bei solchen Äußerungen schlagen sich viele Tschechen auf die Schenkel.
Sieben Gegenkandidaten
Wer Zeman weniger wohlgesinnt ist, der meint in den Provokationen des Präsidenten die Folgen einer exzessiven Beziehung zum Alkohol zu erkennen. Diese Neigung verbirgt er nicht, Zeman machte aus ihr sogar einen patriotischen Akt: Als die berühmteste Kräuterschnapsfirma ins Ausland verkauft wurde, hörte er auf, Becherovka zu trinken. Ließ er jedenfalls verbreiten. Es blieben ihm ja Bier und Sliwowitz. Alle Eskapaden stützen seine Popularität.
Sieben Kandidaten treten gegen Zemin an. Doch die Meinungsumfragen sagen: Nur einer könnte zum Konkurrenten werden und vielleicht sogar für eine Überraschung sorgen. Der 68-jährige Jiri Drahts, der frühere Präsident der Akademie der Wissenschaften, ist gewissermaßen ein Anti-Zeman. Besonnen, ruhig, klug. In Anspielung auf seinen Beruf, Drahts ist Chemiker, sagen Spötter jedoch, er gleiche destilliertem Wasser: sei geschmack- und farblos.
Probleme für die EU
Sollte Zeman – spätestens im zweiten Wahlgang Ende Januar – tatsächlich in eine zweite Amtszeit gewählt werden, dann hat die geplagte EU ein weiteres Problem. Denn da wäre nicht nur Zeman, der unberechenbare Herr auf dem Hradschin. Am Fuße der Prager Burg, dem Amtssitz des Präsidenten, residiert – noch ohne Bestätigung durch das Parlament – mit dem Milliardär Andrej Babis ein Regierungschef, der im Tandem mit dem Präsidenten Brüssel gewaltiges Kopfzerbrechen bereiten kann. Gegen Babis wird derzeit wegen Subventionsbetrugs ermittelt. Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf) teilte mit, es habe „Unregelmäßigkeiten“ bei der Vergabe von EU-Fördergeldern für ein Unternehmen gegeben, das bis vor einem Jahr zum Firmenimperium von Babis gehörte.
Doch das ist das geringere Übel. Babis will eine Minderheitsregierung führen, die sich entweder von einer altstalinistischen Kommunistischen Partei oder von den Rechtsextremisten im Parlament Stimmen borgen muss. Noch ist es nicht so weit, aber wahrscheinlich werden beide gemeinsam willig sein. Und das wird seinen Preis haben.