Deutsch-polnische Partnerschaft: Der Riss zwischen Berlin und Warschau wächst
Deutsch-polnische Experten warnen vor "nachhaltigem Schaden" durch gegensätzliche Ziele in der Europapolitik und vor einem Ende der Epoche guter Nachbarschaft.
Anderthalb Jahre nach dem Regierungswechsel in Warschau zeichnet sich ein nachhaltiger Schaden für die deutsch-polnischen Beziehungen ab. Davor warnen die Experten der deutsch-polnischen Kopernikusgruppe. Die politischen Ziele Polens und Deutschlands in Europa und der Welt klaffen immer weiter auseinander.
Kein Frankreich ebenbürtiger Nachbar mehr
Diese Kluft droht nun so groß zu werden, dass "diese Dynamiken in der Summe zu einem nachhaltigen Schaden für die deutsch-polnischen Beziehungen führen". Es zeichne sich das Ende einer Epoche ab, in der die deutsch-polnischen Beziehungen immer enger wurden. Das Ziel, sie zu einer Partnerschaft zu entwickeln, die den deutsch-französischen Beziehungen ebenbürtig ist, droht verloren zu gehen, schreibt die Kopernikus-Gruppe in ihrem 29. Arbeitspapier unter dem Titel "Der Resignation widerstehen". Die Experten treffen sich alle halbe Jahr, um Chancen, Risiken und gemeinsame Herausforderungen im bilateralen Verhältnis zu analysieren.
Allein hat Polen keine Chance, genau wie jedes andere europäische Land. Kleinstaaterei in einer globalisierten Welt ist gefährlich und übertriebener Nationalismus gepaart mit Selbstüberschätzung führt in die Isolation.
schreibt NutzerIn Pat7
An den objektiven Bedingungen der Partnerschaft habe sich zwar nichts geändert: ihre geografische Lage als Nachbarn, ihre strategische Bedeutung als Wirtschaftspartner füreinander, ihre Sicherheitsinteressen. Aber im Regierungsalltag und beim Herangehen an die als besonders drängend empfundenen internationalen Herausforderungen definieren Berlin und Warschau ihre jeweiligen nationalen Interessen unterschiedlich. Sie sehen sich wechselseitig auf dem falschen politischen Weg. Deshalb "nimmt der praktische Wert des Partners in der Sicht der Regierungen in Berlin und Warschau ab".
Die PiS-Regierung verfolgt andere Ziele als Deutschland
In der Innenpolitik stelle Polens Regierungspartei PiS die Demokratie und den Rechtsstaat in Frage und strebe gemeinsam mit Ungarn eine „kulturellen Konterrevolution“ an. In der Europapolitik setze Deutschland auf vertiefte Kooperation, ganz voran mit Frankreich. Polen zeige wenig Interesse, dieses Duo durch aktive Nutzung des Weimarer Dreiecks zu einem Führungstrio zu entwickeln. Transatlantisch umschmeichelt die PiS US-Präsident Donald Trump, ohne – im Unterschied zum französischen Präsidenten Emmanuel Macron – eine eigene EU-freundliche Agenda zu setzen.
Auf die vielfältigen Krisen der EU möchte die PiS nicht mit vertiefter Gemeinschaftspolitik antworten, auch nicht mit einer Reform der Entscheidungsprozesse und Stimmrechte. Dem Euro will Polen auf absehbare Zeit nicht beitreten; die Einrichtung eines Budgets der Eurozone, der es nicht angehört, sieht die Regierung kritisch. Als weitere Folge zeichnet sich ab, dass Polen und Deutschland in einem Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten verschiedenen Gruppen angehören werden und dies direkte negative Folgen für die deutsch-polnische Nachbarschaft hat.
Kompletter Text des 29. Expertenpapiers hier. Text des vorigen Arbeitspapiers hier.