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Die zehn Opfer des rechten Terrornetzes NSU
© dpa

Staat und Migranten: "Der Punkt ist der Rassismus der Behörden"

Ob Breivik oder NSU - Morde aus Rassenhass geschehen in ganz Europa. Und überall hilft den Mördern die Blindheit des Staates - oder auch dessen aktive Beteiligung, sagt Liz Fekete, die die Fälle dokumentiert und analysiert.

Der NSU-Komplex ist nach Auffassung der Direktorin des Londoner „Institute of Race Relations“, Liz Fekete, kein typisch deutsches Phänomen. Fekete hat sich in einer kürzlich erschienenen europaweiten Untersuchung mit rechtsextremen Hassdelikten auseinandergesetzt. Überall sei dabei das Problem weniger die extreme Rechte, auch nicht in erster Linie, dass die Dienste V-Leute beschäftigten – mit den dazugehörigen Skandalen, die es ebenfalls in ganz Europa gebe. Der entscheidende Punkt, so Fekete, seien vielmehr „Voreingenommenheit, die in Polizei und Sicherheitsdiensten Bewegungen von patriotischen Ultras begünstige und sich gegen die von Migranten, Linken und Umweltaktivisten richte“. Dies habe sich seit dem Fall des Norwegers Breivik, der 2011 77 Menschen ermordete, darunter viele junge Migranten, europaweit zwar durchaus geändert. Dennoch seien die politischen Antworten nach wie vor lückenhaft. „Dass der Staat neutral ist, ist eine Illusion“, sagte Fekete bei einem Vortrag auf Einladung des Migrationsrats Berlin-Brandenburg.

Fekete erwähnte die Schutzlosigkeit von ungarischen Roma, deren Häuser von militanten Trupps der rechtsextremen Jobbik-Bewegung überfallen würden oder jene Morde an Roma, die die Polizei hätte verhindern können, wenn sie ihr Wissen genutzt hätte. Sie verwies auf einen Untersuchungsbericht über die stillschweigende Komplizenschaft von britischen Armeekräften in Nordirland mit militanten protestantischen Loyalisten: „Lesen Sie das und Sie werden einen Blick auf Deutschland haben“, empfahl sie ihrem Publikum.

Nach Feketes Ansicht ist Deutschland für die Auseinandersetzung mit Rassismus für ganz Europa aber von entscheidender Bedeutung – auch weil sich derzeit der deutsche Begriff des „Extremismus“  EU-weit durchzusetzen beginne, der links und rechts gleichsetzt. Das verhindere aber die angemessene Auseinandersetzung mit Rassismus, sagte Fekete. Der sei etwa in Großbritannien sozial so tabuisiert, dass es schwer werde, über ihn zu reden. „Wir defnieren uns als Land, das Rassenkategorien hinter sich gelassen hat und halten die Sache für erledigt.“ Dadurch bleibe aber institutioneller Rassismus, also der, der in Gesetzen und Behördenroutinen wirkt, intakt und unerkannt.

Dabei habe England 1998 erstmal anerkannt, dass es ihn gebe – in der Untersuchung über den Fall Stephen Lawrence. Der 18-jährige schwarze Londoner war fünf Jahre zuvor auf offener Straße umgebracht worden. Eine öffentliche Untersuchung über die Ermittlungen der Polizei in dem Mordfall kam zu dem Ergebnis, dass sie durch Behördenrassismus geprägt wurden. Dieser Tage  hat auch ein früherer Zivilpolizist berichtet, dass er über Jahre hinweg belastendes Material gegen die Familie des Mordopfers zu sammeln versuchte. 

Als Folge des Berichts reformierte Großbritannien die Polizeiarbeit. Nun, mehr als ein Jahrzehnt später, scheine ihr Großbritannien allerdings stärker als andere Länder der EU „auf dem Weg zurück“, sagte Fekete. Ihr Institut dokumentiert Fälle rassistischer Gewalt im Land. In den knapp 20 Jahren seit dem Tod des jungen Stephen Lawrence gab es nach Zählung des „Institute of Race Relations“ weitere 105 Todesopfer. Für Deutschland hat der Tagesspiegel seit der Wiedervereinigung 1990 152 Tote gezählt.    

Andrea Dernbach

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