Saudi-Arabien und Deutschland: Der Preis der Zusammenarbeit
Deutschland zahlte rund 2,5 Millionen Euro für die Schulung von Grenzschützern in Saudi-Arabien. Das Projekt ist hoch umstritten.
Wachtürme mit Radarausrüstung, Wärmebildkameras und unterirdische Bewegungssensoren: Es ist eine der modernsten Grenzschutzanlagen der Welt, die Saudi-Arabien derzeit errichtet – mit deutscher Hilfe. Der Rüstungskonzern Airbus (früher EADS) liefert die Technik für das Zwei-Milliarden-Euro- Projekt. Weil High-Tech-Ausrüstung ohne gut ausgebildete Sicherheitskräfte aber wenig Nutzen hat, werden die Grenzschützer seit 2009 von Bundespolizisten geschult. „Die deutsche Unterstützung bei der Modernisierung des saudi-arabischen Grenzschutzes ist Teil einer strategischen Partnerschaft im Sicherheitsbereich“, sagt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.
Deutschland zahlt für dieses Projekt nach Informationen des Tagesspiegels deutlich mehr als bisher bekannt. „Die Gesamtkosten, die Deutschland seit Beginn der Trainings- und Beratungsmaßnahmen der Bundespolizei für den saudischen Grenzschutz entstanden sind, belaufen sich auf circa 2,48 Millionen Euro“, bestätigte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Gezahlt wird für die Miete eines Projektbüros in Riad, für Fahrzeuge und Kommunikationstechnik, Vorbereitungsseminare für die Polizisten und Delegationsbesuche aus Saudi-Arabien. Das Innenministerium in Riad trägt die sogenannten auslandsbedingten Mehrkosten, also Honorare und Tagegelder. Weil eine ausländische Regierung deutsche Beamte nicht direkt entlohnen kann, fließt das Geld über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) an die Bundespolizisten. Seit 2009 waren 136 Bundespolizisten in Saudi-Arabien, einige von ihnen mehrfach. Die Einsätze dauern in der Regel mehrere Wochen und finden in verschiedenen Grenzregionen statt.
Wie viel Deutschland für den umstrittenen Einsatz zahlt, war auch Bundestagsabgeordneten bisher offenbar nicht bekannt. Die Opposition sieht sich unzureichend informiert: „Die Informationspolitik der Bundesregierung wurde der Bedeutung dieses Einsatzes von Anfang an nicht gerecht“, sagt Irene Mihalic, Sprecherin der Grünen-Fraktion für innere Sicherheit. Der Einsatz sei „hoch problematisch“ und müsse möglichst bald beendet werden.
Schon früh gab es den Verdacht, dass die Bundespolizei in Saudi-Arabien als eine Art Dienstleister eingesetzt wird, damit ein deutsches Unternehmen den Zuschlag für das lukrative Rüstungsprojekt erhalten konnte. Saudi-Arabien habe für Technik und Fortbildung Partner möglichst aus demselben Land gesucht, hieß es später in Berlin. Die Entscheidung, Bundespolizisten als Trainer nach Saudi- Arabien zu entsenden, traf der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die Zusammenarbeit beruhte jahrelang auf einer vagen Formulierung in einem bilateralen Abkommen, der rechtliche Status der deutschen Beamten in dem autoritär regierten Staat schien unsicher. Erst im September dieses Jahres trat eine Vereinbarung in Kraft, die ihnen für Tätigkeiten und Äußerungen im Rahmen ihrer Aufgabe Immunität zusichert. Wie lange die Ausbildungsmission noch dauert, ist unklar. Das Bundesinnenministerium teilte auf Nachfrage mit, man könne einen Termin für den voraussichtlichen Abschluss weder nennen noch schätzen. Die Gewerkschaft der Polizei fordert, den Einsatz zu beenden: „Saudi-Arabien ist kein Rechtsstaat nach europäischem Vorbild“, sagt der stellvertretende GdP- Vorsitzende Jörg Radek. „Es gibt Auslandseinsätze, von denen Deutschland einen Mehrwert hat, aber der Einsatz in Saudi- Arabien gehört nicht dazu.“
Saudi-Arabien drittgrößter Empfänger von deutschen Rüstungsgütern
Nicht nur für Airbus ist Saudi-Arabien ein wichtiger Auftraggeber. Die deutsche Rüstungsbranche macht seit Jahren gute Geschäfte mit dem Königshaus in Riad. Im ersten Halbjahr 2015 genehmigte die Bundesregierung Rüstungsexporte im Wert von mehr als 178 Millionen Euro in den Golfstaat. Damit ist Saudi-Arabien nach Großbritannien und Israel der drittgrößte Empfänger von Rüstungsgütern aus Deutschland. Im gesamten Jahr 2014 wurden Exportgenehmigungen nach Saudi-Arabien im Wert von rund 209 Millionen Euro erteilt. Die Anträge im laufenden Jahr betrafen Fahrgestelle für Transporter, Geländewagen mit Sonderschutz und Teile für gepanzerte Fahrzeuge, aber auch Zieldarstellungsdrohnen und Teile für Kampfflugzeuge. Das Bundeswirtschaftsministerium versichert dazu: „Panzer, G36-Gewehre oder sonstige Kleinwaffen wurden nicht genehmigt.“
Dass das deutsche Verhältnis zu Saudi-Arabien nicht frei von Widersprüchen ist, zeigt der jüngste Streit um eine Analyse des Bundesnachrichtendienstes. Der BND kritisierte darin die „impulsive Interventionspolitik“ des Königshauses in Riad und machte das eineinhalbseitige Papier umgehend öffentlich – ein äußerst ungewöhnlicher Schritt für den deutschen Geheimdienst. Das Auswärtige Amt und der Sprecher der Bundesregierung distanzierten sich umgehend von der Einschätzung. Allerdings gilt es in Berlin als wenig wahrscheinlich, dass der BND ein anderes Land derart öffentlich kritisieren könnte, ohne sich Rückendeckung aus dem Kanzleramt geholt zu haben.
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