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75 Jahre alt: Bundespräsident Joachim Gauck.
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Joachim Gauck zum 75. Geburtstag: Der präsidiale Pastor

Nicht allen gefällt, was er sagt – doch vieles entspringt seiner Biografie. So haben sich die zentralen Leitmotive seiner Präsidentschaft ganz logisch herausgebildet: die Freiheit und ihre Schwestern, die Demokratie und das Engagement der Bürger für ihr Gemeinwesen. Joachim Gauck wird an diesem Samstag 75.

Sein Amt gilt im Grunde seit Langem als unmöglich. Das Grundgesetz hat den Bundespräsidenten mit schwachen Befugnissen ausgestattet, viel mehr als die Rede bleibt ihm an Mitteln nicht. Trotzdem sind die Erwartungen hoch. Als Joachim Gauck 2012 ins Schloss Bellevue einzog, waren sie größer denn je. Nach gleich zwei Vorgängern, die vorzeitig abgingen, musste er das Amt förmlich neu erfinden. Aber Gauck, der Pastor, der Bürgerrechtler, der Herr über die Stasiakten hatte genug erlebt, um sich davor nicht zu fürchten. Wenn er am heutigen Samstag seinen 75. Geburtstag feiert, kann er es im Bewusstsein tun, dass nicht der falsche Mann im Schloss sitzt.

Dabei gefällt längst nicht jedem alles, was Gauck zu sagen hat. Gerade seine Förderer überkommt gelegentlich das Zauberlehrling-Gefühl. SPD und Grüne hatten Gauck schon 2010 gegen Christian Wulff ins Rennen geschickt; der Christdemokrat siegte knapp erst im dritten Wahlgang. Zwei Jahre später setzte die FDP, taktisch unterstützt von SPD und Grünen, Gauck gegen massiven Widerstand der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel durch.

Seither hat sich Merkel wohl öfter gefragt, was sie eigentlich gegen den Mann hatte. Gaucks großes Thema ist die Freiheit und die Verantwortung, die aus ihr erwächst. Dabei kann er pathetisch werden, aber auch kühl eine größere, notfalls militärische Rolle Deutschlands in der Welt einfordern wie bei der Münchner Sicherheitskonferenz im vergangenen Jahr. Da musste mancher seiner frühen Fans schlucken, erst recht, als Gauck das Thüringer Regierungsbündnis unter Führung der Linken als Zumutung attackierte.

In manchen Fragen kennt er keine Kompromisse

Aber in Fragen, die aus seiner Biografie erwachsen, kennt Gauck keine Kompromisse. 1940 in Rostock geboren, musste er erleben, wie sein Vater 1951 spurlos verschwand und erst vier Jahre später aus sowjetischer Lagerhaft zurückkehrte, zu der ihn ein Geheimgericht unter fadenscheinigen Vorwürfen verurteilt hatte. Als Stasi-Beauftragter der frei gewählten DDR-Volkskammer und später erster Chef der Bundesbehörde kennt er den Unterdrückungsapparat in seiner piefigen Perfidie genauer als viele andere.

So haben sich nach anfänglicher Unsicherheit die zentralen Leitmotive seiner Präsidentschaft ganz logisch herausgebildet: die Freiheit und ihre Schwestern, die Demokratie und das Engagement der Bürger für ihr Gemeinwesen. Die „Lügenpresse“-Schreier sind ihm, der die gelenkte DDR-Presse kennt, ein Gräuel. Dass Bürger ihr Wahlrecht gering schätzen, ist ihm ein Stachel. Bei der Mahnwache der islamischen Verbände am Brandenburger Tor hat Gauck das Gefühl der Stunde in einem Satz getroffen: „Wir alle sind Deutschland.“ Sein Amt, Gauck führt es bei solchen Gelegenheiten vor, ist eben doch möglich.

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