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 Ein Küstenschutzboot für Saudi-Arabien wird im Hafen Mukran auf ein Transportschiff verladen.
© Stefan Sauer / dpa

Exporte nach Saudi-Arabien: Der Nahe Osten braucht nicht noch mehr Waffen

Die Ermordung von Jamal Khashoggi erfordert eine klare Reaktion. Großbritannien sollte sich an Deutschland ein Beispiel nehmen. Ein Gastbeitrag.

In wenigen Tagen jährt sich der Beginn des Bürgerkriegs im Jemen zum fünften Mal. Der Krieg brach aus, als die Huthi-Rebellen den amtierenden Präsidenten Hadi stürzten und eine Koalition unter der Führung Saudi-Arabiens die Operation „Decisive Storm“ begann.

Zehntausende jemenitischer Kinder sind seither ums Leben gekommen. Sie wurden von saudischen Luftschlägen oder Raketen der Huthi getötet oder starben an Unterernährung, Cholera und anderen Krankheiten. Hunderttausende weiterer Kinder sind nach wie vor täglich mit diesen tödlichen Bedrohungen konfrontiert.

Und auch wenn sie diesen Konflikt überleben, werden Millionen jemenitischer Kinder körperliche und seelische Narben davontragen und bis ins Erwachsenenalter von den Schrecken des Krieges gekennzeichnet sein, nicht zuletzt dadurch, dass ihnen Bildungsmöglichkeiten verwehrt bleiben.

Während des gesamten Krieges mussten sich alle europäischen Länder mit der Frage auseinandersetzen, wie sie auf die steigende Zahl der zivilen Todesopfer und die eskalierende humanitäre Krise reagieren sollen. Zu viele unserer Regierungen haben die Situation einfach nur achselzuckend zur Kenntnis genommen.

Sie fordern Waffenstillstände, drängen auf die Einrichtung humanitärer Korridore und verurteilen die Huthi-Rebellen wegen ihrer Gräueltaten. Sie äußern ihre Sorge, wenn eine Hochzeitsgesellschaft, eine Trauerfeier oder ein Schulbus von einer saudischen Bombe getroffen wird, und fordern die Koalition nachdrücklich auf, die Blockade der jemenitischen Häfen zu beenden und Nahrungsmittel und Medikamente ins Land zu lassen.

Aber letzten Endes fachen die meisten dieser Regierungen trotz ihrer Lippenbekenntnisse den Krieg nur weiter an, indem sie Saudi-Arabien und dessen Verbündeten Flugzeuge und Waffen verkaufen, mit denen diese ihre Luftschläge durchführen, ihre tödliche Blockade durchsetzen und ihre Bodenoffensiven gegen die von den Huthi gehaltenen Städte vorantreiben.

Während der Koalitionsgespräche im Januar 2018 allerdings nahm die SPD das Heft in die Hand und drängte auf eine restriktive Haltung bei Waffenexporten in solche Länder, die direkt am Krieg im Jemen beteiligt sind. Im britischen Parlament wurde Deutschlands Entscheidung zur Einschränkung von Waffenexporten parteiübergreifend als Beispiel begrüßt, dem der gesamte Westen folgen sollte, insbesondere nach der Ermordung von Jamal Khashoggi in Istanbul, die uns allen deutlich vor Augen geführt hat, wofür die saudische Regierung eigentlich steht.

Klare Reaktion auf Khashoggi-Ermordung nötig

Theresa May ist indessen anderer Auffassung, weshalb wir im vergangenen Monat das Schauspiel mit ansehen mussten, dass der britische Außenminister Jeremy Hunt bei seinem Besuch in Berlin aufführte, als er die Bundesregierung belehrte, sie solle den Profiten der Rüstungsindustrie mehr Bedeutung beimessen als dem Leben unschuldiger Menschen im Jemen.

Wir als SPD- und Labour-Abgeordnete in Berlin und London teilen die Auffassung der britischen Regierung nicht. Wir unterstützen entschieden den Beschluss der Bundesregierung, eine klare und eindeutige Reaktion auf die empörende Ermordung von Jamal Khashoggi zu zeigen. Es war deshalb völlig richtig, dass sie diese Woche ihre Haltung bekräftigt und den Druck auf andere Länder, diesem Beispiel zu folgen, aufrechterhalten hat.

Und die anderen Länder hören zu. Die Maßnahmen der Bundesregierung haben in London, Paris und vor allem in Washington Widerhall gefunden. In Washington wird Donald Trump schon bald gezwungen sein, sein Veto als Präsident einzulegen, wenn er die Unterstützung der Amerikaner für den Krieg im Jemen aufrechterhalten will.

Regelbasierte Weltordnung aufrechterhalten

Wir glauben, es ist an der Zeit, das europäische Ideal zu stärken. Wir sind im besten Sinne eine Gemeinschaft der Demokratien auf der Grundlage gemeinsamer Werte. Unser Ansatz für die internationalen Beziehungen beruht auf Zusammenarbeit, mit dem Ziel, eine regelbasierte Weltordnung aufrechtzuerhalten.

Dazu gehört vor allem das Prinzip, dass unsere Länder keine Waffen in solche Länder verkaufen sollten, die diese für Verstöße gegen das Völkerrecht oder die Missachtung von Menschenrechten einsetzen, und dass wir uns in Konfliktregionen nach Kräften bemühen sollten, den Frieden statt Waffenverkäufe zu fördern, so wie dies bereits im Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Europäischen Rates vom 8. Dezember 2008 erklärt wurde.

Die Entscheidung, Waffenverkäufe für den Einsatz im Krieg im Jemen wieder aufzunehmen, würde diesem Prinzip komplett widersprechen. Deshalb halten wir es für richtig, dies abzulehnen, und sind sehr dankbar, dass britische Abgeordnete aller Parteien weiterhin ihre Regierung nachdrücklich auffordern werden, sich dieser Entscheidung anzuschließen.

Arabische Halbinsel braucht nicht noch mehr Waffen

Wir alle wissen, dass wir jenseits der Regeln, für die wir einstehen, und jenseits der Schlagzeilen zur Ermordung von Jamal Khashoggi nicht außer Acht lassen dürfen, dass die arabische Halbinsel eine Konfliktregion ist. Die Region braucht nicht noch mehr Waffen, sondern Friedensgespräche unter der Leitung der Vereinten Nationen und ihres Sonderbeauftragten für den Jemen, Martin Griffith. Was unser Handeln vor allem bestimmen muss ist das Schicksal der im Jemen getöteten Männern, Frauen und Kinder, deren Zahl Monat für Monat, Jahr für Jahr weiter steigt.

Schließlich gilt, was die Ärztin Dr. Mekkia Mahdi unlängst gegenüber Journalisten der New York Times in ihrem Krankenhaus im Nordjemen geäußert hat, in dem sich unterernährte Kinder um sie drängen, die tagtäglich infolge dieses brutalen Krieges verhungern und sterben: „Wir sind überrascht, dass der Fall Khashoggi so viel Aufmerksamkeit erfährt, während Millionen von Kindern im Jemen leiden und sich niemand auch nur einen Deut für sie interessiert."

Ihr Schicksal jedoch geht uns alle an und daher fordern wir unsere Regierungen nachdrücklich dazu auf, politische Maßnahmen in den Vordergrund zu stellen und Friedensgespräche zu unterstützen, anstatt noch mehr Waffen in kriegführende Länder zu liefern, in denen unschuldige Menschen politischen Machtkämpfen zum Opfer fallen.
Rolf Mützenich ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Emily Thornberry ist Labour-Abgeordnete in Großbritannien und „Schattenaußenministerin“.

Rolf Mützenich, Emily Thornberry

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