Waffenruhe in der Ostukraine: Der nächste Versuch - mit ungewissem Ausgang
Kiew und die Separatisten verständigen sich erneut auf eine Feuerpause. Doch im Osten der Ukraine wird weiter um den Flughafen von Donezk gekämpft. Die Nato macht Russland für die brüchige Waffenruhe verantwortlich.
Ungeachtet einer neuen Vereinbarung über eine Feuerpause wird in der Ostukraine und vor allem am Flughafen von Donezk nach Angaben von Augenzeugen weitergekämpft. So wurde am Dienstagvormittag von Gefechten in dem seit Monaten schwer umkämpften Gebiet berichtet. In der Nacht von Montag auf Dienstag hatte die OSZE eine Einstellung der Kampfhandlungen am früheren Großflughafen „Sergej Prokofjew“ gemeldet. Nach Angaben des selbsternannten Anführers der „Volksrepublik“ Lugansk, Igor Plotznizki, sollten ab Dienstag die Waffen am Flughafen schweigen und vom 6. Dezember an alle Konfliktparteien damit beginnen, schwere Waffen aus den umkämpften Gebieten abzuziehen.
Das Internetportal „Nowosti Donbass“ meldet, für Dienstagnachmittag sei ein Treffen mit Vertretern des ukrainischen Generalstabs, des Militärs der Russischen Föderation, der Rebellen sowie der OSZE in Donezk geplant. Die Runde soll über Details eines dauerhaften Waffenstillstands für die besetzten Regionen Donezk und Lugansk verhandeln. „Im Zentrum steht dabei die Umsetzung der insgesamt zwölf Punkte der Minsker Vereinbarung vom 5. September“, schreibt das Nachrichtenportal.
Auch in Kiew wird mit Spannung nach Donezk geblickt. Sergej Taruta, Abgeordneter der Rada und Oligarch aus dem Donbass, sagte dem Tagesspiegel: „Ich bin skeptisch, ob es dieses Mal zu einer dauerhaften Waffenruhe kommt.“ Der frühere Gouverneur von Donezk warnte davor, sich mit einem Waffenstillstand zufriedenzugeben. Die Sache sei komplizierter, es gehe um besetzte Gebiete und massenhafte Vernichtung von Menschenleben, Infrastruktur und Wirtschaftsanlagen. Um diese Probleme zu diskutieren, brauche es Zeit und „auf allen Seiten den Willen auf eine Einigung“, sagte Taruta.
Auch der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Andrej Lysenko, ist skeptisch. Der Donezker Flughafen sei für beide Parteien ein strategisch äußerst wichtiger Bereich. „Die Terroristen haben ab heute früh 7 Uhr erneut Angriffe gestartet“, sagte er vor Medien in Kiew. Er schließe nicht aus, dass die gegnerische Seite darauf hoffe, die ukrainischen Streitkräfte zögen sich aus dem von ihr kontrollierten Flughafen zurück. „Das darf auf keinen Fall passieren“, so Lysenko. Außerdem kam es am Dienstag in neun weiteren Städten in den Gebieten Lugansk und Donezk zu Kämpfen zwischen der ukrainischen Armee und den prorussischen Separatisten.
Ursprünglich hatten sich unter Vermittlung der OSZE Anfang September die Ukraine, Russland und die Separatisten auf einen umfangreichen Friedensplan für den Donbass geeinigt. Beginnend mit einem Waffenstillstand am 5. September sollten alle Seiten schweres Militärgerät und Soldaten abziehen. Die OSZE sollte den Prozess überwachen, außerdem sollte die ukrainisch-russische Grenze gesichert werden. Seither ist die Waffenruhe über 3500 Mal gebrochen worden, mehr als 1000 Menschen verloren ihr Leben.
Die Ukraine wirft Russland vor, immer noch Waffen und Ausrüstung in das besetzte Gebiet zu liefern. Erst am Montag erreichten erneut Lkw des russischen Katastrophenschutzministeriums die Ostukraine. Während Moskau behauptet, ausschließlich humanitäre Hilfe zu liefern, beteuerte die ukrainische Seite, der Kreml schicke seit Mitte August auf diese Weise Soldaten und Waffen in den Donbass. Zudem haben Journalisten immer wieder Bewegungen russischer Militärkolonnen in Lugansk und Donezk fotografiert, die Nato hatte mehrfach bestätigt, russisches Militär befinde sich in dem Krisengebiet.
Die Nato gibt Russland die alleinige Schuld für die brüchige Waffenruhe. „Die Ukraine hat sich ehrlich um die Einhaltung des Abkommens (von Minsk) bemüht, Russland und die Separatisten haben dies nicht getan“, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag bei einem Treffen der Nato-Außenminister in Brüssel. „Wir fordern Russland auf, seine Verpflichtungen zu erfüllen.“ Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wollte Berichte über eine neue Waffenruhe nicht bewerten. Er mahnte dringend ein Ende der Kämpfe an. „Wir sind leider insgesamt nicht so weit, wie wir gerne sein würden“, sagte er. (mit dpa)