Ukraine: Der Maidan als Exportschlager
Die Ukraine bekommt von den USA immer mehr militärische Güter. Nun will Kiew die Hilfe Amerikas auch nutzen, um zivile Unruhen in Moskau zu schüren.
In Moskau hat man in den vergangenen Tagen noch misstrauischer nach Kiew geschaut als ohnehin. In der Ukraine erinnerten die Menschen an den ersten Jahrestag des Beginns der proeuropäischen Maidan-Proteste. Im ganzen Land wurde in unzähligen Veranstaltungen auch darüber diskutiert, wie Aktionen des bürgerlichen Ungehorsams auch in Nachbarländer wie Weißrussland und Russland zu übertragen wären.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte erst am Wochenende gesagt, der Westen wolle einen Regimewechsel in Russland erreichen. „Öffentliche Figuren“ würden dafür plädieren, gegen Russland weitere Sanktionen zu verhängen, „die die Wirtschaft zerstören und öffentliche Proteste provozieren“.
Auf einer internationalen Tagung in der vergangenen Woche in Kiew, an der auch der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin teilnahm, hatten die Worte von Joseph La Gasse aufhorchen lassen. Der Experte für internationale Sicherheit und frühere Berater von US-Präsident Barack Obama forderte die internationale Gemeinschaft dazu auf, „Russland im Inneren zu destabilisieren“. Nicht nur westliche Nichtregierungsorganisationen sollen helfen, sondern auch Einwanderer, die „unter Diskriminierung durch die russische Regierungspolitik leiden“. La Gasse rief die „Menschen aus dem Kaukasus“ dazu auf, sich in Russland nicht „länger alles gefallen zu lassen, sondern auf die Straße zu gehen“.
Der gemäßigte Poroschenko wird von Radikalen bedrängt
In Kiew erntete La Gasse dafür auch bei Regierungsvertretern Zustimmung. Der Druck aus dem nationalistischen Lager auf den gemäßigten Präsidenten Petro Poroschenko wird größer. Die Partei von Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk wünscht sich mehrheitlich mehr Härte gegen Moskau. Zusammen mit den USA, so hoffen sie, könnte man die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstützten Separatisten besiegen. Sollte das gelingen, stände Putin als Verlierer da und wäre als Präsident Russlands nicht länger tragbar.
Seit Monaten hoffen die Ukrainer auf eine stärkere Unterstützung durch die Amerikaner – und tatsächlich kommt die Hilfe. US-General Mark Hertling, bis vor wenigen Jahren Oberkommandierender der US-Army in Europa und Afghanistan und heute Berater der ukrainischen Regierung, sagte vor ein paar Tagen in Kiew, er sei überrascht, wie schnell der Aufbau der ukrainischen Streitkräfte vorangehe. „Vor einem Dreivierteljahr stand die Ukraine faktisch ohne Armee da, jetzt ist alles im Aufbau.“
Bei seinem Besuch am Freitag in Kiew hatte US-Vizepräsident Joe Biden nun doch, trotz aller gegenteiliger Behauptungen, militärische Hilfe mitgebracht. Neben mehreren Humvee-Militärjeeps hat Biden drei Radarsysteme in Kiew gelassen. In den nächsten Wochen sollen 17 weitere Geräte dieses Typs geliefert werden.
Jazenjuk hat aus seinen engen Verbindungen zu den USA noch nie ein Geheimnis gemacht. In Washington gilt er vielen als der zuverlässigste ukrainische Politiker, einige sehen in dem schlaksigen, hochgewachsenen Mann gar den nächsten Präsidenten. Ende der Woche hatte der 40-Jährige internationale Medien zu einem Gespräch eingeladen. Dort rüstete er gegen seine innenpolitischen Gegner zwar ab und sagte: „Ich bin mit Präsident Poroschenko immer einer Meinung“ – doch Beobachter sehen das anders.
Seit dem knappen Wahlsieg der Jazenjuk-Partei „Narodni Front“ bei den Parlamentswahlen Ende Oktober hat sein Einfluss enorm zugenommen. Poroschenkos Bündnis landete nur auf Platz zwei, nun müssen sich die beiden auf ein neues Kabinett einigen. Obwohl Poroschenko als Präsident den Außenminister und den Verteidigungsminister bestimmen darf, wird Jazenjuk bei diesen Schlüsselposten mitreden.