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Ein Bild von Zablon Simantov aus 2014. Heute ist er der letzte Jude in Afghanistan.
© Imago/ZUMA Press

Zablon Simintov harrt in Kabul aus: Der letzte Jude von Afghanistan

Seit zweitausend Jahren leben Juden am Hindukusch, doch seit 16 Jahren ist Zablon Simintov allein in Kabul. Er will nicht weg, auch wenn die Zeit knapp wird.

Zablon Simintov ist der letzte Jude von Afghanistan – und er will sich von den Taliban nicht vertreiben lassen. Seit zweitausend Jahren leben Juden am Hindukusch, doch seit vor 16 Jahren das zweitletzte Gemeindemitglied in Kabul starb, ist Simintov in der Synagoge der afghanischen Hauptstadt allein.

„Wir stehen seit vielen Jahren in Verbindung mit ihm, wir kümmern uns um seine religiösen Bedürfnisse und versorgen ihn mit Matze für Pessach oder mit Büchern oder was er sonst so braucht“, berichtet der Vorsitzende der Vereinigung von Rabbinern in islamischen Staaten, Rabbi Mendy Chitrik, in Istanbul. „Wir haben in der vergangenen Woche auch versucht, ihn aus Afghanistan herauszuholen. Aber er hat beschlossen zu bleiben – also bleibt er dort.

Simintov selbst ist derzeit schwer zu erreichen, aber Rabbi Chitrik hält von Istanbul aus Kontakt zu ihm. Die Türkei hatte sich erboten, Simintov aus dem Land zu holen.

„Ich habe mich an die türkische Regierung gewandt, und sie hat sofort ihre Hilfe zugesagt“, sagte Chitrik unserer Zeitung in Istanbul. „Die Türkei habe ich gefragt, weil deren Botschaft weiterhin geöffnet ist und funktioniert. Andere westliche Botschaften haben eingepackt und sind fort.“ Außerdem gab es noch einen praktischen Grund: „Die Synagoge von Kabul liegt nur vier Minuten zu Fuß von der türkischen Botschaft.“

Doch Simintov wollte nicht ausreisen, wie sich herausstellte – aus eigenen Gründen, wie Chitrik erzählt. „Er wollte seine Schulden von uns bezahlt haben. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, die Kredite von Leuten abzuzahlen. Wenn er raus will, helfen wir ihm gerne und auch sonst mit allem, was er braucht oder will.“

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Das Hilfsangebot bleibt bestehen, auch wenn die Zeit knapp wird, weil die westlichen Truppen ihre Evakuierungsflüge am 31. August einstellen wollen. „Wenn er später noch raus will, werden wir ihm hoffentlich noch immer helfen können, wir werden es jedenfalls immer versuchen“, sagt Rabbi Chitrik. „Aber vorerst will er bleiben.“

Simintov ist als exzentrischer Charakter bekannt. Über seine jahrelange Fehde mit Isaac Levy, dem vorletzten Juden von Kabul, wurde weltweit berichtet und in New York sogar ein Theaterstück auf die Bühne gebracht.

Israelische Medien verfolgen seit über 20 Jahren das Schicksal von Simintovs Ehefrau, die seit 1998 in Israel lebt und sich vergeblich um die Scheidung bemüht – auch dieser Zwist könnte einigen Berichten zufolge zu seiner Entscheidung beigetragen haben, in Afghanistan zu bleiben. Warum auch immer – er ist jedenfalls der letzte Vertreter einer zweitausend Jahre alten Gemeinde.

Der Handel brachte die Juden einst nach Zentralasien, sagt Chitrik. „Afghanistan war ein Knotenpunkt der Seidenstraße. Händler, die Waren aus Asien nach Europa und später in die Neue Welt brachten, zogen durch Afghanistan. Es war ein bedeutendes Handelszentrum, und das zog Juden aus Persien, aus dem Irak und aus Indien an, die sich in Afghanistan niederließen.

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Tausende Juden lebten vor hundert Jahren noch in Afghanistan, doch die meisten wanderten in den 1950er und 1960er Jahren nach Israel und Amerika aus, zuletzt als 1979 die sowjetischen Truppen einmarschierten.

Was heute in Afghanistan bleibt, ist nur noch ihr kulturelles Erbe, das es nun zu schützen gelte, sagt Rabbi Chitrik. Obwohl jüdische Gemeinden in Ländern wie Afghanistan oder Pakistan heute praktisch nicht mehr existierten, gebe es dort immer noch Menschen, die sich für die Geschichte jüdischen Lebens interessieren und versuchen, das Erbe zu erhalten.

Als Vorsitzender der Vereinigung von Rabbinern in islamischen Staaten koordiniert Rabbi Chitrik von Istanbul aus diese Bemühungen und hat deshalb den Überblick darüber, was vom jüdischen Leben in Afghanistan übrig ist. „Die meisten Juden von Afghanistan lebten in Herat, nicht in Kabul. Dort gibt es noch eine Synagoge und einen sehr alten jüdischen Friedhof. Der Friedhof liegt in Trümmern, aber es gibt Leute vor Ort, die versuchen, ihn instand zu setzen und zu erhalten, damit er nicht verloren geht.“

Die Synagoge in Herat sei in den letzten Jahren von Anwohnern restauriert worden, die sie als Kindergarten nutzten. Dabei hätten sie das Erbe der Synagoge respektiert: „Die restaurierte Synagoge sieht sehr, sehr schön aus; man hat den jüdischen Charakter des Bauwerks gut erhalten.“

Nur noch ein Friedhof und eine Synagoge in Afghanistan

Ansonsten gibt es in Afghanistan nur noch einen weiteren jüdischen Friedhof und die Synagoge in Kabul, um die Simintov sich kümmert. Was nach dem Sieg der Taliban daraus werden mag, ist nicht abzusehen. Aus der der ersten Herrschaftszeit der radikal-islamischen Miliz von 1996 bis zum Jahr 2001 weiß Chitrik, dass die Stätten jüdischer Kultur unbeschädigt blieben.

„Die Synagoge in Kabul blieb die ganze Zeit geöffnet. Ist das ein Zeichen, das uns Hoffnung gibt? Ja, das ist es. Ist das ein Hinweis darauf, dass dies auch weiterhin so sein wird? Wir hoffen es“, sagt Simintov. „Wir können nicht sicher sein, ob sie sich diesmal so verhalten werden. Aber nachdem sie während ihrer ersten Herrschaft kein jüdisches Kulturerbe zerstört haben, hoffen wir, dass sie dies auch in Zukunft nicht tun werden.“

Allerdings sind die Taliban aus Sicht von Chitrik nicht einmal das größte Problem. Der Rabbi macht sich vor allem Sorgen, dass das Erbe der Juden in Afghanistan einfach vergessen wird. „Das Hauptproblem ist, dass Kulturerbe verfällt, wenn die Menschen nicht kommen, wenn sie es nicht besuchen, wenn sie kein Interesse zeigen“, sagt der Rabbi. „Wir können von örtlichen Regierungen und Behörden nur dann erwarten, dass sie jüdisches Kulturerbe respektieren und pflegen, wenn Juden kommen und Interesse zeigen und es besuchen.“ Doch das dürfte in Afghanistan auf absehbare Zeit unmöglich bleiben.

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