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Der neue Pflichtverteidiger der Angeklagten Zschäpe, Mathias Grasel, verlässt am 07. Juli 2015 nach Ende des Prozesstages das Oberlandesgericht in München und spricht dabei mit Medienvertretern. Viel sagte Grasel aber nicht.
© dpa

216. Verhandlungstag im NSU-Prozess: Der kurze Auftritt des neuen Zschäpe-Verteidigers

Für eine Woche wird der NSU-Prozess unterbrochen - weil sich der neue Verteidiger von Beate Zschäpe in die Akten einarbeiten will.

Der Auftritt des neuen Verteidigers von Beate Zschäpe im Oberlandesgericht München war kurz, auch weil er es so wollte. Auf Antrag von Anwalt Mathias Grasel hat der 6. Strafsenat den NSU-Prozess für diese Woche unterbrochen, außerdem fallen im Juli zwei weitere Verhandlungstage weg. Grasel hatte am Montag, gleich nachdem ihn der Vorsitzende Richter Manfred Götzl zum 4. Pflichtverteidiger Zschäpes bestellt hatte, einen Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung gestellt – allerdings für drei Wochen. Der Münchner Anwalt will sich auf die bevorstehende Einvernahme von Zeugen vorbereiten und dafür deren Aussagen gegenüber der Polizei auswerten. Götzl ist jedoch der Ansicht, dass diese  Woche und zwei weitere Tage im Juli reichen müssen. Die Zeit könne „in vollem Umfang zur Einarbeitung in das Verfahren“ genutzt werden, heißt es in dem Beschluss, den Götzl am Dienstag vortrug.

Die Bundesanwaltschaft hatte gefordert, den Prozess ohne Unterbrechung fortzusetzen. Die Angeklagte werde bereits von drei Verteidigern vertreten, der neue Anwalt könne sich nebenher einarbeiten, sagte Bundesanwalt Herbert Diemer. Götzl betonte jedoch im Beschluss, das Gericht habe „für eine Verfahrensgestaltung zu sorgen, die die Verteidigungsmöglichkeiten der Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht verkürzt“. Der Richter hätte befürchten müssen, dass Grasel nach einem Urteil im NSU-Prozess als Revisionsgrund eine Behinderung seiner Arbeit nennen könnte.

Zschäpe selbst wirkte am Dienstag wie ausgewechselt. Sie setzte sich direkt neben Grasel und plauderte angeregt mit dem jungen, eher spröde wirkenden Anwalt. Ihre bislang allein zuständigen Verteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm hatten für Zschäpe den üblichen Platz vorgesehen, der von Grasel drei Stühle entfernt gewesen wäre. Das akzeptierte die Angeklagte nicht. Sie zog die Augenbrauen hoch, setzte sich neben Grasel und ignorierte während der Verhandlung die drei anderen Anwälte.

Der Neue gibt sich wortkarg

Der neue Verteidiger gab sich am Dienstag gegenüber Journalisten wortkarg. Vor ihm lägen „50 Gigabyte an Daten“, sagte Grasel nach dem Ende der Verhandlung. Er konzentriere sich auf die kommende Hauptverhandlung,  „nicht auf die letzten drei Jahre“. Auf die Frage, ob er Zschäpe für unschuldig halte, antwortete Grasel, „die Frage stellt sich für mich nicht“. Die Bundesanwaltschaft wirft der Hauptangeklagten die Mittäterschaft bei allen Verbrechen der Terrorzelle NSU vor. Mit den Worten „es wird immer wärmer, wir sehen uns noch öfter“, entschwand Grasel aus dem sonnigen  Platz vor dem Gerichtsgebäude.

Mehrere Anwälte von Nebenklägern erwarten nun, dass Zschäpe demnächst aussagt. Es mache doch keinen Sinn, dass Zschäpe nach mehr als zwei Jahren Prozess ein vierter Verteidiger beigeordnet werde, „wenn sie die Strategie nicht ändert“, sagte der Hamburger Anwalt Thomas Bliwier. Er vertritt mit Kollegen die Angehörigen des von den NSU-Mördern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Kassel erschossenen Halit Yozgat.

Aus Sicht Bliwiers und weiterer Anwälte hat Richter Götzl einen weiteren Pflichtverteidiger beigeordnet, damit Zschäpe im Falle einer Revison nicht behaupten könnte, sie habe reden wollen, sei aber von den Anwälten Heer, Stahl und Sturm daran gehindert worden. In einem Schreiben an Götzl hatte Zschäpe im Juni geäußert, „da ich mich durchaus mit dem Gedanken beschäftige, etwas auszusagen, ist eine weitere Zusammenarbeit unmöglich“. Heer, Stahl und Sturm haben Zschäpes Schweigestrategie bislang unterstützt, dennoch kam es zum Streit. Warum, ist unklar. Zschäpe hat keine schlüssige Erklärung geliefert.

Der Schriftsatz der Angeklagten war  vermutlich mit Hilfe eines Anwalts entstanden. Möglicherweise ging Grasel oder ein Kollege aus der gemeinsamen Bürogemeinschaft in München Zschäpe  zur Hand. Auch deshalb wächst bei Anwälten der Nebenkläger die Hoffnung, die Angeklagte werde mit einem neuen Pflichtverteidiger an ihrer Seite endlich reden. Die Mutter des ermordeten Halit Yozgat hatte als Zeugin im NSU-Prozess an Zschäpe appelliert, etwas zu den vielen offenen Fragen im NSU-Komplex zu sagen. „Ich bitte Sie, dass Sie all diese Vorfälle aufklären“, sagte Ayse Yozgat im Oktober 2013. Sie  schloss mit den Worten, „denken Sie bitte immer an mich, wenn Sie sich ins Bett legen. Denken Sie daran, dass ich nicht schlafen kann.“ Zschäpe wirkte berührt, blieb aber still.

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