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Eröffnet am kommenden Freitag die Münchner Sicherheitskonferenz: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.
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Deutschland und die EU: Der Kurs ins Ungewisse irritiert die Europäer

Die schleppende Regierungsbildung in Berlin wirft auch bei den europäischen Partnern die Frage auf: Wer kommt nach Merkel? Ein Kommentar.

Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, mit dem die Teilnehmer der traditionellen Münchner Sicherheitskonferenz am Ende der kommenden Woche ihre Diskussionen aufnehmen werden. Sie schauen nach Berlin und sehen: eine Kanzlerin, die langfristig ihre Nachfolge organisieren muss. Einen Außenminister, von dem es kurzfristig hieß, er werde gar nicht an der Konferenz teilnehmen. Und ein geschäftsführendes Kabinett, aus dem vielleicht im kommenden Monat eine richtige Regierung hervorgeht – vielleicht aber auch nicht.

Bleibt die Union bei ihrem bisherigen Kurs?

Die schleppende Regierungsbildung in Berlin wirft Fragen bei den Partnern und Verbündeten in der EU und der Nato auf. Es sind Fragen, die sich bereits auf die Zeit nach Kanzlerin Angela Merkel richten: Wird sich in der Union, die mutmaßlich bis auf Weiteres die stärkste Kraft in Deutschland bleiben wird, auch weiterhin ein maßvoller Kurs durchsetzen? Diese Linie in der CDU/CSU wird gekennzeichnet von Solidarität mit europäischen Krisenländern und Weltoffenheit einerseits und den Notwendigkeiten eines EU-Außengrenzenschutzes und einer sinnvollen Begrenzung der Zuwanderung andererseits. Für einen anderen Kurs stehen nicht wenige jüngere Politiker in der Union – allen voran Jens Spahn. Ihr Idol ist nicht Merkel, sondern Österreichs Regierungschef Sebastian Kurz, der höhere Beiträge an den EU-Haushalt für genauso überflüssig hält wie eine Umverteilung von Flüchtlingen in der EU. Wenn spätestens in vier Jahren die nächsten Bundestagswahlen anstehen, wird sich zeigen, ob ihre Saat aufgegangen ist.

Um die langen Linien deutscher Politik geht es auch bei den Fragen, die sich den internationalen Verteidigungspolitikern stellen. Auf den ersten Blick erscheint die Berliner Marschrichtung klar: Deutschland will die Hand ergreifen, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ausgestreckt hat. Dass Deutschland und Frankreich in der Verteidigungspolitik stärker kooperieren wollen, soll sich bei der Sicherheitskonferenz zeigen, die von der deutschen Ressortchefin Ursula von der Leyen und ihrer französischen Amtskollegin Florence Parly eröffnet wird.

Zeitenwende in Frankreich

Derlei deutsch-französische Symbolik erscheint durchaus angebracht. Denn es kam schon einer Zeitenwende gleich, dass Macron zwei Tage nach der Bundestagswahl davon sprach, künftig auch Frankreichs Verteidigungspolitik in den Dienst einer „europäischen Souveränität“ zu stellen. Für deutsche Rüstungsfirmen könnte ein solcher Souveränitätsverzicht auf der anderen Seite des Rheins erhebliche wirtschaftliche Vorteile bedeuten – immer vorausgesetzt, dass sich Frankreich auf eine echte rüstungspolitische Partnerschaft einlässt. Dies gilt etwa für die geplante Entwicklung eines europäischen Kampfjets.

Ein Problem für die neue Zusammenarbeit: die Finanzen

Doch die neue Verteidigungszusammenarbeit zwischen den Ländern könnte scheitern. Und das liegt an den Staatsfinanzen. Denn Frankreich, das bei seinen weltweiten Auslandseinsätzen ans finanzielle Limit geraten ist, erwartet von Deutschland im Gegenzug für eine weitere rüstungspolitische Öffnung eine stärkere Beteiligung an Auslandseinsätzen. Nun ist das Thema der internationalen Lastenteilung für die geschäftsführende große Koalition nicht neu. Seit der damalige Bundespräsident Joachim Gauck 2014 bei der Sicherheitskonferenz eine größere Rolle Deutschlands in der EU und der Nato forderte, hat sich auch in Berlin die Erkenntnis durchgesetzt, dass zur hiesigen Terrorbekämpfung auch der Einsatz gegen Islamisten in Mali gehört.

Deutschland und Frankreich ziehen allerdings sehr unterschiedliche Lehren aus dieser Erkenntnis. Macron hat für den französischen Wehretat einen jährlichen Zuwachs von 1,7 Milliarden Euro vorgesehen, was angesichts der Sparzwänge in Frankreich schon etwas heißen will. In Deutschland dagegen, im wirtschaftlichen Boomland, rangen sich die Koalitionäre in spe nur zu zusätzlichen Verteidigungsausgaben von einer Milliarde Euro pro Jahr durch. Gemeinsame Zielsetzung sieht anders aus.

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