UN-Klimagipfel: Der Klimaschutz tritt in Warschau auf der Stelle
Zwei Tage vor dem offiziellen Ende des Gipfels feuert der polnische Premierminister Donald Tusk seinen Umweltminister, den Chefverhandler des Klimagipfels. Greenpeace Polen findet das einfach nur "irre".
Am Morgen hat der polnische Ministerpräsident Donald Tusk den Präsidenten des Weltklimagipfels in Warschau entlassen. Jedenfalls als Umweltminister. Marcin Korolec ist jetzt nur noch "Klimabeauftragter" der polnischen Regierung. Seinen Job übernahm der Ökonom Maciej Grabowski, der vor allem die Schiefergasausbeutung in Polen in Gang bringen soll. Der Direktor von Greenpeace Polen, Maciej Muskat, nannte diese Entscheidung "irre". Den Minister, der die Klimaverhandlungen leitet zwei Tage vor dem offiziellen Ende des Gipfels auszuwechseln, auf dem "ein Rennen in den Abgrund stattfindet", das zeige nur, dass es Tusk "mit einem ehrgeizigen Klimavertrag nicht Ernst ist", fügte Muskat hinzu. Korolec selbst sah sich am Morgen gezwungen, zu beteuern, dass er der Präsident des Gipfels bleibe. Wörtlich sagte er: "Jetzt bin ich in der Lage, mich voll auf die Verhandlungen zu konzentrieren., ohne andere Verantwortlichkeiten wahrnehmen zu müssen, die mit der Führung des Umweltministeriums verbunden sind."
Dem widersprach Donald Tusk am Abend nach einem Treffen mit dem UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. "Bei allen unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten müssen wir uns als Einwohner der Erde gemeinsam engagieren. Es gibt keine Alternative", sagte Tusk. Ban drängte die Verhandlungspartner auf "große Anstrengungen", schon in Warschau "konkrete Ergebnisse" zu erzielen, damit in zwei Jahren in Paris der angestrebte umfassende Klimavertrag unterzeichnet werden könne. "Ich forderte die entwickelten Länder auf, in diesem Bereich Vorbild zu sein", sagte Ban. Sie könnten als "gute Vorbilder" führen, fügte er hinzu.
Gestritten wird - wie immer - ums Geld
Tatsächlich deutete am Mittwochabend wenig darauf hin, dass der Warschauer Gipfel tatsächlich noch als Erfolg in die Geschichte der Weltklimagipfel eingehen könnte. Gastgeber Polen hat nicht nur die Autorität des Verhandlungsführers Marcin Korolec durch seine Degradierung deutlich geschwächt. Anfang der Woche war Warschau auch zeitgleich Gastgeber des Weltkohlegipfels. Japan hat während des Klimagipfels verkündet, seine Minderungsziele für den Treibhausgasausstoß bis 2020 aufzugeben. Und Australien nimmt nach dem Regierungswechsel mit einer nicht allzu hochrangigen, dafür aber umso hartleibigeren Verhandlungsdelegation teil, die jeden Fortschritt ausbremst. Die Umweltorganisationen auf dem Gipfel haben Australien fast täglich mit ihrem Negativ-Preis "Fossil des Tages" ausgezeichnet.
In der Nacht zum Mittwoch lösten die Australier einen Verhandlungsabbruch über die Finanzierungsfragen aus. Wegen ihrer unnachgiebigen Haltung verließ die Verhandlungsdelegation der Entwicklungsländer um 4.30 Uhr geschlossen den Verhandlungssaal, berichten Teilnehmer. Für den Greenpeace-Klimaexperten Martin Kaiser ist Australiens jüngste Wende in der Klimapolitik ein Beleg dafür, "dass wir verbindliche Verabredungen brauchen, sonst läuft man Gefahr bei jedem Regierungswechsel zu erleben, dass Klimazusagen zurückgenommen werden".
In Australien hatte der Klimaskeptiker Tony Abbott die jüngste Wahl gewonnen und angekündigt, den gerade erst eingeführten Emissionshandel wieder abschaffen zu wollen. Kaiser fügte hinzu, dass das nach dem spektakulär gescheiterten Klimagipfel in Kopenhagen gewählte verfahren, dass jedes Land seine eigenen Klimaambitionen meldet, offenkundig nicht funktioniere. Die Angebote der Länder sind viel zu wenig ambitioniert, um das in Cancun 2010 beschlossene Ziel, die globale Erwärmung unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu halten, zu erreichen. Und weil es eben nur Angebote sind, sei es relativ leicht, sie auch wieder zurückzunehmen, kritisiert Kaiser.
Fortschritte gibt es bisher nur auf weniger wichtigen Verhandlungsfeldern. Besonders umstritten bleibt die Haltung der Staaten zu einem Kompensationsmechanismus, über den Industriestaaten für Schäden aufkommen sollen, die in Entwicklungsländern durch den Klimawandel angerichtet werden, und die durch eine gute Klimapolitik auch nicht mehr vermeidbar sein werden, weil der Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre bereits bei etwa 400 Teilchen pro einer Million Luftteilchen (ppm) liegt, und damit noch über Jahrzehnte fortschreiten wird, ehe eine Stabilisierung einsetzen könnte. Die Europäische Union und die USA wollen sich nicht in einem rechtlichen Sinne haftbar machen lassen. Und die Entwicklungsländer drohen mit einem kompletten Abbruch der Verhandlungen, wenn es auf diesem Feld keine Fortschritte gibt.
Entwicklungsländer wollen wissen, wo die Mittel herkommen sollen
Aber auch beim grünen Klimafonds, der bis 2020 auf jährlich 100 Milliarden Dollar anwachsen soll, gibt es kaum Bewegung. Die Entwicklungsländer wollen sich nicht darauf einlassen, Warschau ohne einen "konkreten Fahrplan für das Anwachsen des Fonds wieder zu verlassen", sagte der Greenpeace-Klimaexperte Martin Kaiser dem Tagesspiegel. Die Zusagen liegen allerdings weit außerhalb des in Doha bereits beschlossenen Umfangs. Deutschland steht mit seinen vom amtierenden Umweltminister Peter Altmaier (CDU) genannten 1,8 Milliarden Euro für den Klimaschutz und die Anpassung an die globale Erwärmung in armen Ländern noch relativ gut da. Auch wenn diese Summe ein Ergebnis von Haushaltstricks ist.
Neu im Gepäck hatte Altmaier jedoch lediglich weitere 30 Millionen Euro für den UN-Anpassungsfonds, der aktuell ziemlich leer ist. Der Fonds wird eigentlich durch prozentuale Anteile an Klimageschäften gespeist, mit denen in Entwicklungsländern erzielte Emissionsminderungen sich beispielsweise in den europäischen Emissionshandel einbringen lassen. Dieser sogenannte Saubere-Entwicklungsmechanismus (CDM) ist aber mit dem Zusammenbruch des Emissionshandels in Europa nahezu zum Erliegen gekommen. Deshalb wertete beispielsweise die Entwicklungsorganisation Oxfam die deutsche Zusage als durchaus positiv. Dem hat sich am Mittwoch allerdings kein weiteres Industrieland angeschlossen.
Und so taumelt der Weltklimagipfel belastet von einem dutzend negativer Nachrichten seinen letzten zwei Tagen entgegen. Falls er nicht, wie das schon oft vorgekommen ist, um einen oder zwei Tage verlängert wird. Aber Zeit scheint nicht das größte Problem in Warschau zu sein. Das Problem ist der nach wie vor fehlende Wille, einem Weltklimavertrag endlich näher zu kommen.
Dagmar Dehmer