Hellas vor der Pleite: Der Irrtum der Syriza
Das in Athen regierende Linksbündnis träumt von der Utopie, den Rest der EU umformen zu können. Der Syriza ist ihre verzerrte Wahrnehmung der Wirklichkeit zum Verhängnis geworden. Ein Kommentar.
Europa hat am vergangenen Samstag eine historische Zäsur erlebt. Die Finanzminister der Euro-Zone versammelten sich um einen Tisch und waren zum ersten Mal in der Geschichte der Währungsunion nicht vollzählig. Es fehlte Yanis Varoufakis, der Griechenland im Klub der Kassenwarte vertritt. Varoufakis schulterte seinen roten Rucksack und ließ Wolfgang Schäuble und die übrigen 17 Amtskollegen in Brüssel zurück. Das Bild, das Varoufakis beim Einsteigen in einen Kleinbus zeigt, wird vielleicht später einmal in den Geschichtsbüchern als Symbol für einen Riss innerhalb der Währungsunion auftauchen. Erstmals seit der Einführung des Euro-Bargeldes im Jahr 2002 könnte ein Land die Gemeinschaftswährung wieder verlassen.
Es geht nicht um Sorgen deutscher Anleger, sondern um die Griechen
Was mit Griechenland nach der Zuspitzung der Ereignisse in Athen und Brüssel während des vergangenen Wochenendes passieren wird, weiß zur Stunde niemand. „Grexit“, „Geuro“-Schuldscheine, teilweiser Zahlungsausfall – plötzlich befasst sich auch der Laie mit den Details der immer näher rückenden Pleite Hellas’ und überlegt, was die Erschütterung in der Euro-Zone für die eigenen Ersparnisse bedeuten könnte. Doch es wäre grundfalsch, die Griechenland-Krise von der hiesigen Warte aus zu betrachten – es wäre germano-zentrisch. So funktioniert Europa nicht. Es sind die Menschen in Griechenland selbst, die unter dieser Krise am meisten leiden.
Tsipras' Fehler: Er hoffte auf Hilfsmilliarden ohne große Gegenleistungen
Zu einer Gesamtschau des Trauerspiels in Athen gehört aber auch, einen Lebensirrtum des Linksbündnisses Syriza zu benennen: Regierungschef Alexis Tsipras und alle übrigen Anhänger dieser spontihaften Truppe haben geglaubt, den untergegangenen Sozialismus im eigenen Land in neuer Form wiederbeleben und den Rest der EU nach ihrer Utopie umformen zu können. Zudem hingen sie bis zuletzt dem Irrglauben an, die Kontrolle durch die Geldgeber möglichst rasch abschütteln, aber trotzdem ohne große Gegenleistung die Hilfsmilliarden in Empfang nehmen zu können. Möglicherweise spekulierte Tsipras darauf, die Gläubiger mit seinem Referendums-Coup endgültig in die Knie zwingen zu können. Doch stattdessen hat die Euro-Zone inzwischen „Plan B“ in Gang gesetzt, ohne Griechenland.
Auch Berlin steht im Bann der Griechenland-Krise
Es ist eine Eskalation, die einerseits angesichts der Starrköpfigkeit der Syriza- Leute unvermeidlich erscheint und die dennoch alle Akteure zwingen sollte, noch einmal innezuhalten. Die EU sollte inzwischen reif genug sein, um alte ideologische Grabenkämpfe hinter sich zu lassen. Ob in Europa der Neoliberalismus regiert oder ob John Maynard Keynes’ Theorie vom staatlichen Geldausgeben in Krisenzeiten zum Ziel führt, ist eher eine theoretische Debatte. Jetzt schlägt die Stunde der Pragmatiker, und nach aller Erfahrung zählt auch die Bundeskanzlerin zu ihnen. Auch Berlin steht in diesen Tagen im Bann der Griechenland- Krise. Dabei weiß Angela Merkel, dass es auch an ihr liegt, ob Europa so weitergebaut werden kann, wie es sich die Menschen wünschen – als Marktwirtschaft, aber eben auch nicht als ökonomische Zwangsveranstaltung.
Wie die EU-Länder dabei ihre unterschiedlichen Wirtschaftssysteme auf einen Nenner bringen, wird weiter zu den spannenden Fragen für die Euro-Zone gehören. Bis Samstag hat Griechenland noch an dieser Debatte mitgewirkt. Ob aber Varoufakis noch lange dabei mitreden wird, darf bezweifelt werden.