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„Black Lives Matter“-Demonstranten gegen Polizeigewalt in New York. Der Fall eines erstickten Afroamerikaners wird aufgerollt.
© Steve Sanchez/Imago

Polizisten setzten ihm Spuckschutzhaube auf: Der Fall eines erstickten Afroamerikaners wird wieder aufgerollt

Im März starb ein Afroamerikaner an den Folgen eines Polizeieinsatzes – nun wurden Videoaufnahmen publik. Mediziner bewerten den Fall als Tötungsdelikt.

Der Fall Daniel Prude war schon fast in Vergessenheit geraten – bis vergangenen Mittwoch. Der Tag, an dem auch der tödliche Schusswaffengebrauch eines Polizisten gegen einen 18-jährigen Afroamerikaner in Washington publik wurde. Der Unterschied: Prudes Fall liegt schon mehr als fünf Monate zurück.

Am Mittwoch nun trat die Familie des Afroamerikaners Daniel Prude, der an den Folgen eines Polizeieinsatzes vom 23. März starb, vor die Presse. Sie zeigten Videoaufnahmen von der Körperkamera eines Polizisten und lasen einen Bericht vor, in dem die Gespräche des Einsatzes protokolliert sind. Es waren schockierende Details.

„Ich rief für meinen Bruder an, um Hilfe zu holen. Nicht, damit er gelyncht wird“, sagte Joe Prude, der Bruder des Verstorbenen, am Mittwoch. „Wie konnte man ihn sehen, ohne direkt zu erkennen: Dieser Mann ist wehrlos, nackt am Boden“, fuhr er fort. „Wie viele Brüder müssen noch sterben, damit die Gesellschaft versteht, dass das hier stoppen muss?“

Der Vorfall spielte sich in Rochester im US-Bundesstaat New York ab. Er lässt sich, wie auch die Nachrichtenagentur AP berichtet, anhand der Protokolle sehr genau rekonstruieren.

Prude soll laut Polizei Selbstmordgedanken gehegt haben

Daniel Prude verlässt, lediglich in Unterhose bekleidet, das Haus seines Bruders. Da er psychische Probleme gehabt haben soll, wählt sein Bruder den Notruf. Und tatsächlich spüren die Polizisten Daniel Prude nicht weit vom Haus entfernt auf. Laut einem Bericht der „New York Times“ hat er zu diesem Zeitpunkt nicht einmal mehr die Unterhose an.

Daniel Prude lebte in Chicago und war nur zu Besuch in Rochester bei seinem Bruder. Laut einem Polizeibericht soll er am Tag vor dem Vorfall aus dem Zug nach Rochester geworfen worden sein, weil er sich „ungestüm“ verhalten haben soll. Die Polizei in Rochester soll ihn demnach für kurze Zeit in Gewahrsam genommen haben, um ihn einem Test über seinen Geisteszustand zu unterziehen.

Die Beamten sollen laut Polizeibericht festgestellt haben, dass Daniel Prude Selbstmordgedanken gehegt hätte. Er wird nach wenigen Stunden freigelassen – allerdings treffen ihn nur acht Stunden später erneut Polizeibeamte aus Rochester an.

Auf den Aufnahmen der Körperkamera einer der Polizisten, die ihn nach dem Notruf seines Bruder antreffen, ist zu sehen, wie Prude nackt und unbewaffnet auf der Straße sitzt und später liegt. Zunächst leistet er keinen Widerstand. Dann allerdings legen die Beamten ihm Handschellen an – und die Lage eskaliert.

Prude wird von Sekunde zu Sekunde aufgeregter. „Gib mir die Waffe“, ruft er. Prude wird so aufgeregt, dass die Polizisten sich gezwungen sehen, ihm eine Spuckschutzhaube aufzusetzen. Als sich Prude danach nicht beruhigt, drückt ihm ein Beamter den Kopf rund zwei Minuten lang auf den Boden.

Spuckschutzhauben werden im Ernstfall spuckenden Angreifern angelegt. Sie sind stoffähnlich und luftdurchlässig – allerdings auch umstritten. Laut „New York Times“ sind in den USA bereits mehrere Menschen in Polizeigewahrsam, denen eine solche Haube aufgesetzt wurde, an den Folgen gestorben.

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Einer der beteiligten Polizisten soll den Einsatz der Spuckhaube nachher damit gerechtfertigt haben, dass Prude nahezu ununterbrochen versucht habe, ihn und seinen Kollegen zu bespucken. Der Vorfall ereignet sich zu einer Zeit, in der der Coronavirus bereits grassiert. Der Polizist habe sich schützen wollen.

„Ihr versucht, mich zu töten“, sagt Prude. Seine Stimme wird unter der Haube immer gedämpfter. Während die Polizisten ihn auf den Boden drücken, hört Prude auf, sich zu bewegen.

Laut den Protokollen fragt einer der Polizisten verwundert, ob sich Prude übergeben habe. Einer der Polizisten erklärt, dass Prude nun schon mehrere Stunden nackt draußen sei. „Er fühlt sich ziemlich kalt an“, sagt er. Im Nachhinein ließ sich feststellen, dass Prude zu diesem Zeitpunkt bereits das Bewusstsein verloren hatte.

Zuletzt ist auf den Aufnahme zu sehen, wie die Polizisten Prude die Handschellen und die Spuckhaube abnehmen. Anschließen eilen Rettungssanitäter herbei. Der 41-jährige Afroamerikaner starb eine Woche später, am 30. März, im Krankenhaus.

Mediziner bewerten Tod Prudes als Tötungsdelikt

Laut Gerichtsmedizin sei Prude an „Erstickungs-Komplikationen“ gestorben. Laut der Zeitung „Rochester Democrat and Chronicle“ bewerteten die Mediziner den Tod als Tötungsdelikt. In der Autopsie stellten sie fest, dass sein „wahnhafter Zustand“ und der übermäßige Konsum von PCP ebenfalls zum Tod beigetragen haben könnten. PCP ist auch als Phencyclidin bekannt und unterliegt in Deutschland beispielsweise dem Betäubungsmittelgesetz.

Die New Yorker Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Fall gegen die Polizisten, die noch immer im Dienst sind. „Ich will jedem zu verstehen geben, dass wir zu keiner Zeit vorhatten, dass der Vorfall nicht an die Öffentlichkeit gelangt“, erklärte Lovely Warren, Bürgermeisterin von Rochester, am Mittwoch.

Sie reagierte damit auf „Black Lives Matter“-Demonstranten, die vor dem Gebäude, wo die Pressekonferenz abgehalten wurde, gegen Polizeigewalt protestierten. Viele verstehen nicht, warum der Vorfall erst jetzt, fünf Monate später, publik wird.

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„Die Polizei hat uns immer und immer wieder gezeigt, dass sie nicht in der Lage sind, mit Leute umzugehen, die unter psychischen Problemen leiden“, sagte Ashley Gantt von der Menschenrechtsorganisation „Free the People ROC“. „Die Polizisten sind darauf trainiert, zu töten und nicht zu deeskalieren. Diese Polizisten wurde dazu ausgebildet, um Daniel Prude zu verspotten, statt ihm zu helfen.“

In den USA gibt es seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis Ende Mai in vielen Städten Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus. Zuletzt hatte der Fall von Jacob Blake für Aufruhr gesorgt, dem am 23. August in der Stadt Kenosha im Bundesstaat Wisconsin vor den Augen seiner Kinder mehrfach von einem weißen Polizisten in den Rücken geschossen worden war.

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