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Donald Trump, bald Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.
© REUTERS

Wahlen in den USA: Der Durchmarsch des Donald Trump

Wenn man im Nachhinein fragt, in welcher Wählergruppe oder in welchem Staat Hillary Clinton die Wahl verloren hat, dann lautet die schonungslose Antwort: überall und in nahezu jeder Gruppe.

Die dickste Überraschung kam zum Schluss. Am Ende kippten Michigan, Wisconsin und Pennsylvania in Donald Trumps Lager: drei Staaten mit hohem Anteil an weißer Arbeiterschaft an den Großen Seen, die seit Jahrzehnten verlässlich für die Demokraten gestimmt hatten. Aus Hillary Clintons Sicht sollten sie als Brandmauer dienen. Selbst wenn fast alle Staaten, die öffentlich als „Swing States“ identifiziert wurden, an Trump fielen – Florida, New Hampshire, North Carolina, Ohio –, hier würde sie eine belastbare Verteidigungslinie finden.

Wenn man im Nachhinein fragt, woran es gelegen hat und in welcher Wählergruppe oder in welchem Staat Clinton die Wahl verlor, dann lautet die schonungslose Antwort: überall und in nahezu jeder Gruppe. Doch der Schlüssel zu Trumps Sieg war sein überragender Erfolg unter weißen Männern ohne Collegeabschluss in ehemaligen Industriestaaten wie Iowa, Michigan, Pennsylvania, Wisconsin. Sie sind zu einem „Rust Belt“ geworden. Früher gaben hier Kohle und Stahl gute Arbeit. Wer heute „Coal Country“ sagt, meint Perspektivlosigkeit. Die Automobilkonzerne General Motors, Ford und Chrysler, meist „die großen Drei“ genannt, waren früher der Stolz der Region. Ihre Headquarter liegen in Michigan. Milwaukee, Wisconsin, war das Synonym für die legendäre Motorradmarke Harley Davidson. Mit der Gewerkschaftsmacht war zu rechnen. Die Telefonbanken der „Trade Unions“ garantierten am Wahltag, dass die organisierte Arbeiterschaft für die Demokraten stimmte. Aber die ist auch nur noch ein Schatten von einst.

Obama hatte die Wahl 2012 mit rund fünf Millionen Stimmen Vorsprung gewonnen

Die „New York Times“ hatte drei Wochen vor der Wahl ein solches Szenario aufgemacht und mit Zahlen unterlegt. Barack Obama hatte die Wahl 2012 mit rund fünf Millionen Stimmen Vorsprung gewonnen. In dem Jahr hatten sich jedoch fast zehn Mal so viele Weiße ohne Collegeabschluss, nämlich 47 Millionen, der Stimme enthalten. Man müsse nur schauen, wo der Anteil dieser „Non College White“ besonders hoch sei. Das seien Trumps natürliche Angriffsflächen – die neuen „Battleground States“: Iowa mit 56 Prozent Anteil dieser Gruppe, Wisconsin (57), New Hampshire (57), Minnesota (54), Ohio (53), Michigan (53), Missouri (53), Pennsylvania (50). Mit Ausnahme von Minnesota gewann Trump alle diese Staaten – und das nicht einmal knapp. In Colorado (42 Prozent) und Virginia (37) ist der Anteil der Weißen ohne College geringer. Sie stimmten für Clinton.

Es hat natürlich nicht allein an den weißen Männern gelegen, die sich als Verlierer des Strukturwandels und – aus ihrer Sicht – nachteiliger Freihandelsabkommen empfinden. Die Trümpfe, die zuvor als entscheidender Vorteil für Clinton gelobt worden waren, stachen entweder gar nicht. Oder nicht in dem erhofften Maße. Und wenn sie es doch irgendwo taten, dann reichten sie nicht aus, um die unerwarteten Trump-Erfolge zu kontern.

Der „Gender Gap“ wurde auf bis zu 20 Prozent beziffert

Clinton hatte, zum Beispiel auf den „Gender Gap“ gesetzt: das unterschiedliche Wahlverhalten der Geschlechter; Deutlich mehr Frauen stimmen für die Demokraten, deutlich mehr Männer für die Republikaner. 2016 sei der Vorsprung der weiblichen Demokraten-Fans vor den republikanischen Männern besonders signifikant. Der „Gender Gap“ wurde auf bis zu 20 Prozent beziffert; tatsächlich lag er nach vorläufigen Schätzungen unter zehn Prozent.

Die so genanten „Millennials“, die Jungwähler, nahmen nicht in ähnlicher Größenordnung teil wie bei den Wahlen 2008 und 2012, als Barack Obama antrat. Die Wahldisziplin der Afroamerikaner ging leicht zurück. Latinos nahmen zwar in Rekordzahl teil, jedenfalls vielerorts. Aber dieser Zugewinn reichte zum Beispiel in Florida nicht aus, um die widrigen Aspekte auszugleichen.

Die Dynamik der Präsidentschaftswahl hat fast immer einen Mitzieheffekt auf die parallelen Entscheidungen: Repräsentantenhaus, Senat, Gouverneure, Bürgermeister, Sheriffs. Vor der Wahl war spekuliert worden, wie sehr Donald Trump den Chancen der anderen Republikaner auf dem Stimmzettel schaden würde. Viele standen vor der schwierigen Wahl, ob sie sich offen von ihm distanzieren. Bei einem hohen Clinton-Sieg rechneten viele damit, dass die Demokraten im Gefolge die Senatsmehrheit zurückerobern und die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus zwar nicht kippen, aber empfindlich dezimieren. Auch da kam es anders.

Die Republikaner werden entweder 52 oder 53 der 100 Sitze im Senat innehaben

Einen Zugewinn konnten die republikanischen Kandidaten zwar nicht verbuchen. Trumps Erfolg begrenzte die Verluste jedoch auf ein Minimum. Im Senat gewannen die Demokraten nur einen der fünf erhofften Sitze hinzu: Tammy Duckworth in Illinois. Die Parteikollegen Michael Bennet in Colorado und Cortez Masto in Nevada wurden wiedergewählt. Ansonsten verteidigten die Republikaner ihre Mandate – gerade auch in den Staaten, die Trump für die Konservativen hielt oder hinzugewann: Arizona, Florida, Georgia, Iowa, Indiana, Kentucky, Missouri, North Carolina, Ohio, Pennsylvania, Wisconsin. Die Republikaner werden entweder 52 oder 53 der 100 Sitze im Senat innehaben. Immerhin gibt das den Demokraten eine Sperrminorität gegen die Rücknahme der Reformgesetze aus der Obama-Amtszeit. Dank ihrer Mehrheit kontrollieren die Republikaner aber die Tagesordnung und den Vorsitz in allen Ausschüssen.

Ähnlich ist das Bild im Repräsentantenhaus. Die Demokraten gewannen nur eine gute Handvoll Sitze hinzu, die Republikaner behalten eine bequeme Mehrheit und bestimmen in allen drei Machtzentren – Weißes Haus, Repräsentantenhaus, Senat – die Agenda.

Zu dem freundlichen Bild für die Konservativen trägt bei, dass sie in drei weiteren Staaten den Gouverneur stellen werden: Missouri, New Hampshire, Vermont. Das erhöht die Zahl auf mindestens 33 von 50 Staaten. Die Ergebnisse aus Montana und North Carolina standen noch aus.

Das Rot der Republikaner breitet sich aus

Erste Hinweise auf diese Entwicklung gab es früh in der Wahlnacht. Als kurz nach ein Uhr MEZ die ersten Teilergebnisse von der Ostküste einliefen, ging Trump in Florida in Führung und konnte bald die erwarteten Siege in Indiana, Kentucky und West Virginia verbuchen. Da deutete freilich noch nichts darauf hin, wie vehement diese Nacht die politische Geografie der USA verändern sollte. Clinton-Anhänger durften zunächst hoffen. Es ist normal, dass die ländlichen Wahlbezirke, die zu den Republikanern tendieren, früher ausgezählt sind als die dicht besiedelten Großstädte, wo die Demokraten dominieren.

Kurz vor 2 Uhr MEZ schob sich Clinton bei 65 Prozent ausgezählter Stimmen in Florida nach vorn und ging auch in North Carolina in Führung. Da schien es vorübergehend, als würde das Rennen den erwarteten Verlauf nehmen. Doch rasch drehte sich das Bild wieder. Bei 91 Prozent Auszählung in Florida hatte Trump über 100 000 Stimmen Vorsprung. Bald fiel ein Swing State nach dem anderen an ihn. Da musste Clinton schon hoffen, dass ihre Brandmauer in Virginia, Pennsylvania, Michigan, Wisconsin hält. Um drei Uhr MEZ änderte die „New York Times“ ihre Vorhersage von 80 Prozent Wahrscheinlichkeit eines Clinton-Siegs auf 80 Prozent Wahrscheinlichkeit eines Trump-Triumphs.

Eine Stunde später war die Sensation gewiss. Ungläubig blickten die Moderatoren der TV-Sender auf die neue Karte: Darauf breitet sich das Rot der Republikaner aus, und das Blau der Demokraten schrumpft auf wenige Inseln im Westen und im Nordosten.

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