Regierungskrise in Italien: Schlag nach bei Machiavelli
Der 39-jährige Matteo Renzi ist das Spiegelbild Silvio Berlusconis - und die Hoffnung vieler junger Italiener. Jetzt hat er die Macht, um die er so gekämpft hat.
Was Matteo Renzi soeben durchgezogen hat, war ein Lehrstück reiner Machtpolitik. Es war sein Beitrag zu dem großen Jubiläumsjahr, das sie in seiner Heimatstadt Florenz gefeiert haben: Vor exakt 500 Jahren hat Niccolò Machiavelli seinen „Fürst“ geschrieben. Renzi ist bei seinem Gewaltmarsch ins Amt des Ministerpräsidenten vorgegangen wie nach Drehbuch. Um seine Stellung zu behaupten, darf der Fürst nicht nur, er muss tricksen und täuschen. Sagt Machiavelli. Verkörpert Renzi.
Der Ministerpräsident, Renzis ruhiger, aber umso arbeitsamerer Parteifreund Enrico Letta hatte da keine Chance. Seit Renzi im Dezember per Volkes Stimme Parteichef geworden war, ließ er keinen Tag aus, die Regierung kleinzureden. Schwach sei sie und lahm, und je länger Renzi seine Zerrüttungsmaschine betrieb, umso mürber wurde sie natürlich. Bis dahin, dass Renzi mit viel Wirbel seine eigenen Pläne zur wirtschaftlichen und sozialen Rettung des Landes vorstellte – in Konkurrenz zur Regierung seiner eigenen Partei. Am Ende glaubten tatsächlich alle, das Heil könne nur mehr von Renzi kommen.
Aber täuschen sie sich nicht? Sie laufen wieder mal einem Mann hinterher, der sich als „stark“ stilisiert. Sie vergessen, dass ein Solist nie „das Land retten“ kann. Renzi hat seine Partei nur überrollt, er hat sie nicht auf gemeinsame Ziele geeint. Er hat jetzt das Mandat „Mach mal!“ Aber so, wie man Italiens chronisch zerstrittene Linke kennt, darf man auch jetzt sicher sein, dass die ersten schon wieder die Messer wetzen.
Matteo Renzi ist das Spiegelbild zu Silvio Berlusconi. Wie der hat er die Politik auf sich allein personalisiert, anstatt Sachfragen ins Zentrum des Handelns zu stellen. Renzis „Jobs’ Act“ vom Januar war ungeachtet der Überschrift weniger ein Plan zur Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit als zur Selbstprofilierung gegenüber Enrico Letta. Und man könnte es als Gipfel der Infamie bezeichnen, dass Renzi – per Beschluss im Parteivorstand – die Regierung Letta als unfähig nach Hause schickt, aber ausdrücklich deren jüngste Reformpläne als „Beitrag zur Lösung der Landesprobleme annimmt“.
In der Hauptsache hat Renzi allerdings recht: Italien muss aus seinen Verkrustungen befreit werden. Das Land braucht einen, auch stürmischen Aufbruch. Die Ochsentour durch die Partei hätte einen wie Renzi verschlissen; das wusste er. Auch deswegen hat er alle Konventionen gebrochen. Dass Renzi – 39 Jahre jung – ungeduldig ist für sein Land, darf man ihm abnehmen. Dass er die Initialzündung zum überfälligen Generationswechsel in Italiens Politik war, steht fest. Nur: Warum muss zuerst der auch nur 47-jährige Letta weichen? Welches Bild gibt das, wenn sich jetzt die Jungen untereinander bekriegen?
Bisher hatte Renzi lagerübergreifend einen starken Rückhalt im Volk. Nur die Art seiner Machtübernahme stößt weitgehend auf Ablehnung. Jetzt muss Renzi liefern. Er ist die letzte Hoffnung vieler, gerade junger Italiener. Talent hat er, vielleicht kann er die Geschichte wenden. Einer wie er kann aber auch tief fallen.
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