Streitgespräch über Muslime in Deutschland: "Der deutsche Staat muss Imame finanzieren"
Der Islam ist nicht reformierbar, sagt der Publizist Hamed Abdel-Samad. Der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide widerspricht. Einig sind sich beide: Ein Islamgesetz wäre gut für Deutschland. Ein Streitgespräch.
Herr Abdel-Samad, Herr Khorchide, beim Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei hat sich eine Mehrheit der Deutsch-Türken, die abgestimmt haben, für die Autokratie ausgesprochen. Nun fühlt sich die Mehrheitsgesellschaft den Deutsch-Türken wieder besonders fremd. Sind Islam und Demokratie kompatibel?
Mouhanad Khorchide: Diese Abstimmung war eine rein politisch motivierte Abstimmung, ich würde sie nicht religiös deuten. Die Ja- wie die Nein-Sager haben das nicht aus religiösen Motiven gemacht. Aber es ist erschreckend, wie der Islam in der Türkei für politische Zwecke instrumentalisiert wird. Das ist ein Paradebeispiel für die Gefahren, die mit dem politischen Islam verbunden sind. Es geht um Machtlegitimierung. Das Volk wird im Namen des Islams manipuliert. Das Beispiel zeigt, warum wir Säkularität brauchen, nämlich vor allem deshalb, um den Islam selbst vor dieser Instrumentalisierung zu schützen - wie sich auch der Staat selbst vor religiöser Autorität und Geistlichkeit schützen muss.
Hamed Abdel-Samad: Mich erschüttert das Ergebnis sehr und es stimmt, es gab sicher viele soziale und politische Gründe für dieses Ergebnis. Aber man kann den religiösen Aspekt nicht außer Acht lassen. Erdogan ist für viele Muslime der Kämpfer für den Islam. Junge Muslime glauben, dass sie den Islam unterstützen, wenn sie Erdogan unterstützen. Die Abstimmung ist ein Produkt jahrzehntelanger verfehlter Integrationspolitik. Man hat zugelassen, dass der politische Islam sich in Deutschland etabliert. Der Wahlkampf wurde in Moscheen gemacht. Die Islamverbände waren Erdogans Verbündete, in diesem Fall besonders die Ditib. Und Kinder wachsen in Familien auf, die große Skepsis gegen die vermeintlich dekadente deutsche Gesellschaft vermitteln. Der Traum vom starken Kalifen scheint ihnen dann als Ausweg.
Khorchide: Dass 50 Prozent der Deutschtürken nicht zur Wahl gegangen sind, könnte aber auch zeigen, dass sie einfach desinteressiert sind, dass sie sich als Europäer fühlen und sich fragen: Was habe ich damit zu tun, was in der Türkei passiert?
Abdel-Samad: Wenn man in die Nachbarländer schaut, nach Belgien, Frankreich, in die Niederlande, ergibt sich doch dasselbe Bild wie in Deutschland. Die Muslime, die in Russland und China leben haben mehrheitlich mit Nein gestimmt. Die wissen, was Diktatur bedeutet. Die in der Demokratie leben, gönnen sich den Luxus, für eine starken Führer zu stimmen.
Sie haben gerade gemeinsam ein Buch geschrieben mit dem Titel: Ist der Islam noch zu retten? Es erscheint am 2. Mai. Es geht theologisch um die Frage, ob der Islam reformierbar ist – und wie Deutschland mit dem Islam umgehen sollte. Fangen wir mit der großen Frage an: Ist der Islam reformierbar?
Abdel-Samad: Mouhanad, du fängst an, du bist für Reformierbarkeit.
Khorchide: Eine Religion, die für sich beansprucht, universell sein zu wollen, also für jede Zeit, für jeden Kontext gültig zu sein, muss sich immer neu reformieren und reflektieren. Die Muslime müssen ihre Argumente und Positionen immer wieder überdenken, auch die Auslegung des Korans. Es steht nicht ein für alle Mal fest, was gemeint ist. Insofern ist der Islam von seinem Selbstverständnis her, gerade weil er universell sein will, auf Reform angewiesen, wenn er im Leben der Muslime aktuell bleiben will.
Abdel-Samad: Ich sehe den Islam als ein System, eine Weltordnung, die nicht reformierbar ist. Der Islam hat sich mit mehreren Stacheldrahtmauern umgeben und sich immun gemacht für Reformversuche. Die erste Mauer: Der Koran gilt als das letzte Wort Gottes, wenn Gott spricht, dann haben die Gläubigen zu folgen. Sie können das Wort Gottes nicht umdeuten. Die zweite unüberwindbare Mauer ist der Prophet. Wie kann man einen als Vorbild nehmen, der eine Sechsjährige geheiratet haben soll, der von Kriegsbeute lebte, der über 80 Kriege führte, der Dieben die Hände abhackte, der Sklaven hielt und Frauen als Kriegsbeute. Der kann kein Vorbild sein. Was Mouhanad Khorchide sagt, klingt wunderbar; dass die Texte sich an der Lebenswirklichkeit der Gläubigen messen lassen müssen und umgekehrt. Aber das führt zu Beliebigkeit. Und selbst wenn er reformierbar ist: Wer bestimmt, wie wir den Koran lesen? Mouhanad Khorchide will den Islam in Richtung Barmherzigkeit lenken, weil er ein barmherziger Mensch ist. Wer will es aber einem radikalen Muslim verübeln, der sagt, es steht aber neben der Barmherzigkeit auch anders darin, die Verteufelung der Ungläubigen zum Beispiel. Auch diese Textpassagen sind da und haben Geltungsanspruch. Die Texte unterstützten die orthodoxe Auslegung stärker als die moderne. Die moderne ist aus der Verlegenheit entstanden, in Europa leben zu müssen. Man versucht, an den Texten solange herumzuschrauben, bis sie irgendwie passen. Die Beliebigkeit ist vorprogrammiert, wenn man anfängt zu interpretieren.
Herr Khorchide, wie entgeht man bei der Interpretation des Koran dem Vorwurf der Beliebigkeit?
Khorchide: Man muss den Koran eben nicht als unantastbar lesen, wie Hamed Abdel-Samad sagt, wie die Fundamentalisten sagen. Die Reformer rufen dazu auf, den Koran als Gottes Menschenwort zu lesen – Gott hat sich der menschlichen Sprache bedient, das müssen wir berücksichtigen. Heutige Reformer wenden moderne Methoden der Religionsforschung an – wie die historisch-kritische Methode. Wenn wir das Leben Mohammeds historisch-kritisch erforschen, steht sehr viel in Frage, was Hamed Abdel-Samad gegen Mohammed als Vorbild einwendet: Er habe ein Sechsjähriges Mädchen geheiratet? Das steht zwar in den islamischen Quellen, hält aber der historischen Forschung nicht Stand. Hamed Abdel-Samad hat den Schlüsselsatz selbst gesagt. Er hat gesagt, ich würde den Koran barmherzig lesen, weil ich selbst ein barmherziger Mensch bin. Der Koran ist das Ergebnis der Lesart des Menschen!
Abdel-Samad: Also auch der Leser des IS.
Khorchide: Genau. Das heißt ja nichts anderes, als dass wir auch immer an den Menschen mit arbeiten müssen - nicht nur an der Interpretation des Textes. Das schützt uns vor Beliebigkeit. Wenn wir uns den IS-Menschen anschauen: Warum geht ein in Deutschland geborener junger Mensch zum IS? Nicht, weil er den Text gelesen hat und der Text ihm gesagt hat: Geh‘ zum IS. Wir müssen fragen: Was sind die sozialen, politischen Rahmenbedingungen, die dazu geführt haben? Wenn die Textlektüre dafür reichen würde, müsste sich ja jeder Muslim, der den Koran einmal gelesen hat, dem IS anschließen. Tun sie aber nicht.
Abdel-Samad: Dennoch muss man fragen: Warum finden die Ausgegrenzten, die Enttäuschten, die Radikalisierten, ausgerechnet im Koran eine Antwort, eine Bestätigung für ihre Wut? Der Islam ist ein offener Supermarkt, da ist für jeden etwas drin. Eben nicht, weil er „Gottes Menschenwort“ ist, wie du sagst, Mouhanad, sondern weil er eine menschliche Erfahrung dokumentiert. Er ist das Protokoll der Gemeindebildung durch Mohammed. Diese Gemeinde hat teilweise in Frieden gelebt, teilweise tolerant war, auch, weil sie als Minderheit auf andere angewiesen war, teilweise selbst die Macht hatte und dann mit der Toleranz aufhörte. Der Koran war nie universell! Er beschreibt eine ganz begrenzte Erfahrung, eigentlich eine primitive Erfahrung, einer Gemeinde, die hauptsächlich von Krieg lebte. Die moderne islamische Theologie überlädt die Texte mit irgendwelchen Gedanken, um sie an die Moderne anzupassen.
Khorchide: Man kann den Koran wortwörtlich verstehen. Dann müssten sich Muslime an den Wortlaut halten. Da trifft sich Hamed Abdel-Samad mit den Fundamentalisten, den Salafisten und anderen die ihn genau so lesen. Sie sagen, die authentische Lesart ist die wortwörtliche, sie sehen den Koran als einen Monolog Gottes in der Ewigkeit, unabhängig von Menschen und der historischen Wirklichkeit. Heute, da hat Hamed Abdel-Samad natürlich Recht, sieht der Mainstream den Islam hauptsächlich als Gesetzesreligion. Das ist eine Frage des intellektuellen Zugangs zur Religion. Der Stellenwert der Geisteswissenschaften in der islamischen Welt lässt ziemlich viel zu wünschen übrig. Wo gab es zum Beispiel in den vergangenen 150 Jahren in der islamischen Welt ein geisteswissenschaftliches Buch, bei dem man sagt, das muss man unbedingt gelesen haben? Das gibt es nicht. Und die islamische Theologie ist ja Teil der Geisteswissenschaft. Wir haben da eine Bildungskrise der islamischen Welt. Dass die Theologie ins Stocken geraten ist, ist nur ein Symptom dieser Bildungskrise, die islamische Welt kennt in ihrer Geschichte andere Verhältnisse zu den Geisteswissenschaften und zur Theologie.
Abdel-Samad: Ich sehe das anders. Das liegt ganz einfach daran, dass die Texte die Mainstream-Lesart mehr unterstützen als die Lesart von Mouhanad Khorchide. Die Reformer versuchen, ihre Lesart zu vermitteln, doch die Gläubigen konfrontieren sie mit dem authentischen Text.
Abdel-Samad: Mein Problem mit dir ist, lieber Mouhanad, du liest den Koran durch die Augen eines christlichen Theologen und du projizierst Konzepte auf den Islam, die wenig mit dem Islam zu tun haben. Die Beziehung des Menschen zu Gott basiert auf Liebe? Das hat mit dem Koran nichts zu tun. Gott droht den Menschen im Koran über 400 Mal mit den schrecklichsten Höllenqualen.
Khorchide: Hamed Abdel-Samad macht, was er kritisiert, er spielt Pingpong mit den koranischen Versen, er holt heraus, was gerade dienlich ist. Ich könnte dasselbe Spiel machen und zum Beispiel sagen: Die Barmherzigkeit ist schon der erste Satz im Koran, die Barmherzigkeit durchzieht den Koran vom Anfang bis zum Ende, auch die Liebe als Bestimmungsmoment des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch ist im Koran an mehreren Stellen nachzulesen. In der Bibel wird die Frau gleich zu Beginn für den Sündenfall verantwortlich gemacht, der Koran rehabilitiert die Frau, es gibt keinen Sündenfall, das wird vergeben, das Menschenbild ist positiver als in der Bibel, oder die fünfte Sure, Gott erschafft Menschen, die er liebt und die ihn lieben…
Abdel-Samad: Es gibt keine Liebe im Koran! Nicht immer diese Stelle zitieren, das ist eine Stelle über den Jihad.
Sie sind sich in einem einig: Der Koran ist ein Buch voller Widersprüche. Wie löst man die auf? Was ist ihr Konzept, Herr Khorchide?
Ich sehe, dass der Koran selbst eine Hierarchisierung seiner Aussagen macht. Die Barmherzigkeit Gottes wird stets als absolut gesetzt. Daher mache ich mich sehr stark für das Kriterium der Barmherzigkeit. Es ist kein Zufall, dass der Koran die Barmherzigkeit so stark betont - 500 Mal kommt sie im Koran vor…
Hamed Abdel-Samad: Nur für die Gläubigen…
Khorchide: … und der häufigsten Name für Gott ist der Allbarmherzige. Für mich gibt es eine Schlüsselaussage im Koran, auch, weil sie von bestimmten historischen Ereignissen unabhängig ist: Mohammed wird gesagt, du bist ausschließlich als Barmherzigkeit für alle Welten entsandt (Koran 21:107). Das ist der Selbstanspruch des Korans. Der Koran selbst betont immer die Barmherzigkeit, das ist keine Projektion! Darüber hinaus lese ich den Koran in seinem historischen Kontext des siebten Jahrhunderts, um seine Aussagen dort zu verorten.
Warum Deutschland ein Islamgesetz braucht
Trotz Ihrer unterschiedlichen Auslegung sind Sie sich einig in Ihrer Abwehr des politischen Islam. Sie haben beide eingangs den Einfluss des politischen Islam auf die Abstimmung über das türkische Referendum in Deutschland kritisiert. Wie kann Deutschland dem begegnen – wie kann ein moderner, säkularer Islam gefördert werden?
Khorchide: Reformen können sich nur durchsetzen, wenn es zu einem Diskurs kommt. Dafür brauchen wir Institutionen.
Abdel-Samad: Richtig.
Khorchide: Da gibt es vor allem zwei Institutionen: Religionsunterricht, der früh einen reflektierten Zugang zum Glauben bietet. Das hatten wir in Deutschland flächendeckend bisher überhaupt nicht. Einerseits beschweren wir uns, dass die Mehrheit der Muslime ihren Glauben nicht reflektiert, andererseits haben sie ja auch gar keine Möglichkeit dazu, außer das, was sie von Eltern, im Internet, in den Moscheegemeinden mitbekommen. Die zweite Institution sind die Moscheen selbst. Wir brauchen Imame, die hier ausgebildet sind, die den Islam aufgeklärt reflektieren und das entsprechend den Menschen vermitteln. Beide Institutionen stecken noch in den Kinderschuhen und gehören ausgebaut.
Abdel-Samad: So sehr ich und Mouhanad Khorchide unterschiedliche Standpunkte haben: Ich finde seinen Ansatz sehr sympathisch und will ihn auch unterstützen. Meinen Widerspruch sehe ich auch als eine Art Training, damit er sich schlauere Argumente ausdenkt. Das Wahlverhalten der Deutsch-Türken zeigt, dass wir eine Spaltung innerhalb der muslimischen Gemeinde haben. Man glaubt, jeder Muslim ist ein gläubiger Muslim. Stimmt nicht! Man glaubt, jeder Muslim ist ein Koran auf zwei Beinen. Stimmt nicht! Viele haben mit dem Islam gar nichts zu tun. Sie definieren sich als Individuen, werden aber als Muslime gezählt. Mehrheitlich aber sind die Muslime auf der Seite der Konservativen – und damit auf der Seite der Islamverbände. Daher frage ich mich: Wer sind die Verbündeten von Mouhanad Khorchide – außer ein paar netten Studenten und einzelnen Modernen.
Herr Khorchide, wie groß ist der Einfluss der konservativen Verbände auf das, was gelehrt wird in Deutschland? Sie selbst haben ja einen Lehrstuhl in Münster inne…
Khorchide: Das grundsätzliche Problem ist, dass man in Deutschland versucht, das christliche Modell für den Islam zu übernehmen. Die Muslime werden immer aufgefordert, sich zu Quasi-Kirchen zusammenzuschließen, damit der Staat einen Ansprechpartner hat. Wir wissen aus empirischen Daten, dass die muslimischen Verbände die Mehrheit der Muslime in Deutschland eben nicht vertreten, sie sind keine Mitglieder. Egal, wie man versuchen wird, die Muslime zu organisieren, es wird immer scheitern. Das entspricht nicht dem Selbstverständnis dieser Religion, das ist eine individuelle Religion. Da brauchen wir ein Umdenken. Die deutsche Politik ist dabei, den Islam zwangsweise zu homogenisieren.
Abdel-Samad: Bislang setzt Deutschland zu stark auf eine Kooperation mit den muslimischen Verbänden. Wenn man die Imam-Ausbildung nach dem christlichem Modell macht, werden die Islamverbände langfristig einen Status erlangen, der ihnen Mitbestimmung sichert und sie werden die Lehrinhalte an den Schulen und Universitäten bestimmen. Schon heute fürchten Studenten von Mouhanad Khorchide, dass sie nicht an einer Moschee unterkommen, wenn die Islamverbände Vorbehalte gegen sie haben.
Herr Abdel-Samad, Sie schlagen ein Islamgesetz nach österreichischem Vorbild vor. Wer hatte die Idee zuerst, Sie, oder Jens Spahn?
Abdel-Samad: Ich habe das schon vor zwei Jahren in Vorträgen gesagt. Na, ja.
Warum ein Islamgesetz?
Abdel-Samad: Ich plädiere für ein Islamgesetz, um Leute wie Mouhanad Khorchide vor den Verbänden zu befreien und zu schützen. Ich fordere, dass ein Wissenschaftsrat entscheidet, wer wo lehrt – damit die Lehrenden nicht auf die Zustimmung der Islamverbände angewiesen sind. Der Staat muss Lizenzen für Glaubensgemeinschaften und Moscheen vergeben und bestimmte Auflagen zu machen: Die Moscheen müssen die Imame nehmen, die der Staat bestimmt und dürfen nicht aus dem Ausland finanziert werden.
Herr Khorchide, wie stehen Sie zu einem Islamgesetz?
Khorchide: Ich finde die grundsätzliche Idee von Jens Spahn, ein Islamgesetzt zu schaffen, das der Vielfalt der Religion gerechter wird, grundsätzlich sympathisch: Ich komme ja aus Österreich, wo es ein solches Gesetz gibt, da zeigt sich, dass das viele Vorteile hat. Ich bin sehr dafür, was ja auch Jens Spahn vorgeschlagen hat, dass der deutsche Staat die Imame finanziert, damit wir nicht angewiesen sind auf Finanzierung aus dem Ausland. Die Religionslehrer, die wir schon haben, zum Beispiel, kennen die Lebenswirklichkeit hier sehr gut. Man könnte sie abordnen, um das Freitagsgebet zu halten und die Kinder in der Moschee zu unterrichten.
Abdel-Samad: Das Vorhaben wird leider nicht nur an den Verbänden, sondern auch an Teilen der CDU selbst scheitern. Denn auch christliche Kirchen werden aus dem Ausland finanziert – umgekehrt unterstützen deutsche Stiftungen wie die KAS Kirchen im Ausland, zum Beispiel im Nahen Osten, in Ägypten.
Hat ihr gemeinsames Buch Sie eigentlich weitergebracht?
Khorchide: Mir hat das etwas außerordentlich wichtiges gebracht, etwas, das ich innerislamischen Dialog nenne. Ich weiß nicht, ob Hamed das gut findet. Ich sehe ihn als Kulturmuslim und daher sehe ich unser Buch als innermuslimischen Dialog.
Abdel-Samad: Ja!
Khorchide: Das hat es im deutschsprachigen Raum noch nicht gegeben – dass Muslime über Inhalte streiten. Ich hoffe, das wird fruchtbar. Ich bin viel dafür kritisiert worden, dass ich ein Buch mit Hamed Abdel-Samad schreibe. Ich hoffe, wir können diese emotionale Seite – ist er nun ein Muslim, ist er gut oder schlecht? – überwinden. Ich gebe zu, er betreibt Religionskritik manchmal einseitig, zugespitzt, aber dennoch: Es ist eine Art Kritik, die herausfordert Antworten zu suchen, kritisch zu denken. Ich hoffe, dass daraus ein Diskurs wird, der sich etabliert. Dass wir auch innerislamisch diskutieren und danach gemeinsam einen Kaffee trinken können – so wie Hamed und ich das machen.
Hamed Abdel-Samad ist Politikwissenschaftler und Publizist. Er ist vor allem für seine islamkritischen Bücher bekannt. Zuletzt erschien Der Koran: Botschaft der Liebe. Botschaft des Hasses (Droemer, 2016).
Mouhanad Khorchide ist Professor für islamische Religionspädagogik an der Universität Münster. Bekannt wurde er mit seinem Buch "Islam ist Barmherzigkeit. Grundzüge einer modernen Religion" (Herder 2012).
Das zweite gemeinsame Buch von Abdel-Samad und Khorchide erscheint am 2. Mai bei Droemer (304 Seiten, 19,99 Euro). Das Gespräch führten Andrea Dernbach und Anna Sauerbrey.