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Wer zahlt wie viel?
© dpa

Flüchtlingskosten: Der Bund lässt die Länder warten

Seit Wochen fordern die Länder, der Bund solle mehr zahlen für die Flüchtlinge. Aber sie müssen wohl warten - mindestens bis zum Herbst. Auch beim Finanzausgleich.

Auf zwei finanzpolitischen Baustellen sind die Bundesregierung und die Länder derzeit zugange. Genauer gesagt: Auf zwei Baustellen ruht die Arbeit. Da ist zum einen die Finanzierung der Flüchtlingskosten. Hier sehen sich die Länder mit zu hohen Belastungen konfrontiert und fordern eine deutlich höhere Beteiligung des Bundes, und zwar zügig. Die Hälfte soll es sein, und nicht zehn bis zwanzig Prozent (so die Länder-Rechnungen). Zum anderen ist nach wie vor nicht geklärt, wie der Bund-Länder-Finanzausgleich nach 2019 aussehen soll. Die Ministerpräsidenten haben sich im Dezember auf ein Modell verständigt und warten nun auf die Reaktion des Bundes. Das könnte allerdings eine Weile dauern.

Denn wie es aussieht, will der Bund sich Zeit lassen – und im Herbst beide Themen zu einem Verhandlungspaket schnüren (in das eventuell noch andere Streitpunkte hineingenommen werden, etwa die Eingliederungshilfe für Behinderte, bei der der Bund sich künftig stärker engagiert). Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagt über den Stand beim Finanzausgleich: „Wir warten, bis die Länder ein Interesse zeigen, die Gespräche fortzuführen.“ Die von den Ministerpräsidenten vorgeschlagene Lösung kostet den Bund mehr Geld, als Schäuble akzeptieren will. Der betont, es liege beiden Ländern das Missverständnis vor, dass das Ergebnis in der Ministerpräsidentenkonferenz schon das Ergebnis der Verhandlungen mit dem Bund sei. Zwar geht es „nur“ um eine Milliarde Euro, aber da Schäuble in der Haushaltsplanung ab 2018 ein Loch hat und damit der dauerhaft ausgeglichene Bundeshaushalt ohne neue Schulden nicht gesichert ist, spielen offenbar auch kleinere Summen eine Rolle. Zudem scheint der Bund nicht nur über Geld reden zu wollen. Schäuble sagt, man müsse das System des Finanzausgleichs transparenter machen.

Rehberg: Forderungen deutlich zu hoch

Im Bundestag herrscht ohnehin wenig Begeisterung über die fortgesetzten Forderungen aus Ländern und auch Kommunen, der Bund solle mehr Geld herausrücken, um einerseits die Kosten der Flüchtlinge zu decken und andererseits die Lösung beim Finanzausgleich zu ermöglichen. Insbesondere die Unions-Fraktion hält wenig davon. Deren Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg entgegnet den Ländern: „Wenn ich die Annahmen, dass der Bund nur zehn bis zwanzig Prozent übernehme, hochrechne, dann komme ich auf Summen von 40000 bis 80000 Euro je Flüchtling pro Jahr. Das ist deutlich zu hoch.“ Nach Schätzungen des Deutschen Städtetags vom Oktober 2015 lägen die Kosten je Flüchtling monatlich bei etwa tausend Euro. „In größeren Städten kann es auch mehr sein, aber die Forderungen der Länder sind übertrieben“, sagte Rehberg dem Tagesspiegel. Er legt seiner Rechnung die Pauschale von 670 Euro je Flüchtling und Monat zu Grunde, die der Bund bisher den Ländern zahlt. Sie ist allerdings nur auf fünfeinhalb Monate angelegt; die Länder fürchten, dass die Asylverfahren deutlich länger dauern und sie daher in Vorleistung gehen müssen. Geplant ist bisher, im September mit den Ländern eine Spitzabrechnung vorzunehmen (exakt ein Jahr nach der Vereinbarung der Bundeshilfe), um dann zu sehen, ob die Abschlagszahlung an die Länder 2017 höher sein muss.

Zwischenabrechnung im Mai

Mit Missfallen sieht Rehberg nicht zuletzt Drohungen von Ministerpräsidenten, ohne einen höheren Anteil des Bundes müssten sie möglicherweise andere Ausgaben kürzen oder gar die Vorgaben der Schuldenbremse missachten. „Die finanziell schwierige Situation mancher Länder nun mit den Flüchtlingen zu begründen, ist nicht akzeptabel“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. Er hat auch Zweifel, ob Mittel des Bundes, die an Länder und Kommunen fließen, wirklich immer ihr Ziel erreichen. „Was die Länder an Mitteln vom Bund für bestimmte, politisch vereinbarte Zwecke wie beispielsweise den sozialen Wohnungsbau erhalten, darf nicht in den Länderetats versickern“, fordert Rehberg. „Wir müssen dafür sorgen, dass dieses Geld in jedem Fall nur für den festgelegten Zweck ausgegeben wird und entsprechende Vereinbarungen mit den Ländern schließen.“ In dem Zusammenhang kann der 31. Mai eine wichtige Zwischenetappe sein: Die Koalitionsfraktionen haben im November die Bundesregierung aufgefordert, das Parlament bis zu diesem Datum darüber zu informieren, wie die Länder mit den Mitteln des Bundes umgegangen sind.

Dass den Ländern das nötige Geld fehlt, daran hat Rehberg Zweifel: Angesichts von Überschüssen in zehn Ländern sei es nicht angesagt, dass nur der Bund größere Lasten übernehmen soll. „Bisher haben wir die Bewältigung der Flüchtlingskrise als eine gesamtstaatliche Aufgabe betrachtet, es kann nicht sein, dass sie immer mehr als eine Aufgabe des Bundes wahrgenommen wird.“ Statt jetzt eine „aufgeregte Debatte“ zu führen, solle man bis zur Abrechnung im September warten.

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