Skandal um Franz-Peter Tebartz-van Elst: Der Bischof und sein teurer Sitz
Explodierende Baukosten, Hang zum Prunk, selbstherrlicher Führungsstil - der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst hat sich mit seinen Eskapaden den Zorn weiter Teile seiner Kirche zugezogen. Muss er zurücktreten?
Es sind harte Worte gefallen: Franz-Peter Tebartz-van Elst sei ein Lügner, er sei prunksüchtig, geisteskrank. Die Debatte um das Verhalten des 53-jährigen Limburger Bischofs ist längst weit über die altehrwürdigen Mauern der Residenz hinaus gedrungen ins weite Land. Es geht mittlerweile auch um viel mehr als die explodierenden Kosten eines Bischofspalais' und einen Erste-Klasse-Flug in die Slums nach Indien. Im Zusammenhang mit dem Flug hat die Hamburger Staatsanwaltschaft Strafbefehl gegen den Bischof erlassen wegen uneidlicher Falschaussage. Das berichtete der „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Mittwochabend. Wenn die Strafe unter einer bestimmten Anzahl von Tagessätzen bleibe und Tebartz-van Elst die Entscheidung akzeptiere, sei er zwar nicht vorbestraft, gebe aber den Rechtsverstoß zu. Andernfalls würde ein Hauptverfahren gegen ihn eröffnet, schreibt die Zeitung. Jedenfalls scheint wieder einmal das Ansehen der gesamten katholischen Kirche auf dem Spiel zu stehen. Und so werden Rufe nach umfassender Aufklärung und nach einem Rücktritt des Bischofs laut.
Was ist eigentlich geschehen in Limburg - und was wird dem Bischof vorgeworfen?
Franz-Peter Tebartz-van Elst ist 2008 nach Limburg gekommen. Zuvor war er in Münster Weihbischof. Er hatte einen ausgezeichneten Ruf, galt als guter Theologe, kommunikativ, weltläufig. Auch der Mainzer Kardinal Karl Lehmann sprach von einer guten Wahl. Die Messen im Limburger Dom wurden weihrauchgeschwängerter, die Messdiener mussten weiße Handschuhe tragen. Das kam bei vielen Limburger Katholiken nicht gut an. Sie waren ans Einfache, eher Karge des Vorgängers Bischof Franz Kamphaus gewöhnt und mokierten sich über den Hang des neuen zum Opulenten. Kamphaus hatte in zwei Zimmern im Priesterseminar gewohnt. Dass der Nachfolger in einem Bischofshaus wohnen wollte, dagegen hatte niemand etwas. Es stand auch schon fest, bevor er gekommen war, dass die historischen Gebäude des Bischofssitzes saniert und erweitert werden müssen.
Doch dann wurden die 2010 begonnenen Bauarbeiten immer teurer und zogen sich hin. Gerüchte machten die Runde, dass die veranschlagten fünf Millionen Euro (zwei Millionen aus Kirchensteuermitteln, drei Millionen aus dem Vermögen des Bischöflichen Stuhls) nicht ausreichen würden. Als 2012 bekannt wurde, dass sich der Bischof auf einem Flug in die indischen Slums in die Erste Klasse upgraden ließ, passte das ins Bild vom verschwenderischen, instinktlosen Bischof, für den das eigene Wohl an erster Stelle steht. Als er dann auch noch gegenüber dem Magazin „Der Spiegel“ leugnete, erste Klasse geflogen zu sein und die Staatsanwaltschaft Hamburg wegen eidesstattlicher Falschaussage gegen ihn zu ermitteln begann, war für viele Katholiken im Bistum Limburg das Maß voll. Ende Juni wurde das neue Bischofshaus, das „Diözesane Zentrum St. Nikolaus“ eröffnet. Bei dieser Gelegenheit nannte das Bistum die Summe von 9,85 Millionen Euro für die Baukosten, später hieß es, die Gesamtkosten könnten aber doch „ wesentlich höher“ ausfallen. Genaue Auskunft wollte der Bischof nicht geben. In einem offenen Brief forderten daraufhin 5000 Katholiken aus dem Bistum den Bischof auf, „umgehend einen neuen Weg einzuschlagen“, die gestiegenen Baukosten aufzuklären und seinen Führungsstil zu ändern. Mittlerweile haben weit über 6000 Katholiken den Brief unterschrieben.
Dass Tebartz-van Elst zunehmend unter Druck geriet, liegt auch an dem neuen Wind, der in Rom weht. Papst Franziskus predigt seiner Kirche Bescheidenheit, da hat ein Bischof, der es mit dem Geld nicht so genau nimmt, keine guten Karten. So schickte der Papst Kardinal Giovanni Lajolo aus Rom nach Limburg. Nach einer Woche stellte Lajolo fest, wie groß der Vertrauensverlust im Bistum ist. Tebartz-van Elst musste daraufhin dem Domkapitel erklären, dass er sich ans Kirchenrecht hält. Der Bischofskonferenz legte Lajolo nahe, mit einer Kommission zu untersuchen, warum die Baukosten explodiert sind. Die Mitglieder der Kommission stünden fest, heißt es bei der Bischofskonferenz. Wer sie sind, will man nicht sagen. In den nächsten Tagen soll das Gremium seine Arbeit aufnehmen. Am Montag machte der Vermögensverwaltungsrat öffentlich, dass die Kosten für die Errichtung des Bischofspalais 31 Millionen Euro betragen und dass sich das Gremium vom Bischof „hinters Licht geführt“ sieht. Ein Mitglied des Gremiums, der frühere Chef der Hessischen Staatskanzlei Jochen Riebel (CDU), konnte sich das Verhalten des Bischofs gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ nur so erklären, dass Tebartz-van Elst „entweder ein raffinierter Betrüger oder krank ist“. Am Dienstag forderte der Sprecher des Priesterrats im Limburger Bistum den Bischof indirekt zum Rücktritt auf. Auch der Kirchenrechtler Thomas Schüller forderte den Bischof auf, Konsequenzen zu ziehen.
Warum sind die Kosten so explodiert?
So richtig weiß das noch niemand. Das Bistum ließ im Sommer verlauten, im Zuge der Bauarbeiten sei man auf unvorhergesehene Schwierigkeiten gestoßen, zum Beispiel bei der Sanierung der Stadtmauer, die in Teilen zum bischöflichen Gebäudekomplex gehört. Nach Auskunft von Jochen Riebel lag es aber vor allem an den vielen Sonderwünschen des Bischofs. Zum Beispiel sei in der Kapelle ein stehender geschmiedeter Adventskranz vorgesehen gewesen. Doch der Bischof wollte lieber einen hängenden. Da habe man das fertige Dach wieder aufreißen müssen für einen Seilzug. Statt 10 000 Euro hätte das 100 000 gekostet.
Warum gab es keine finanzielle Aufsicht?
Eigentlich soll das Domkapitel die Aufsicht über das Vermögen des Bischöflichen Stuhls führen. Doch Bischof Tebartz-van Elst und sein Generalvikar haben ein neues Aufsichtsgremium geschaffen, den Vermögensverwaltungsrat des Bischöflichen Stuhls, und drei externe Mitglieder hinein berufen: den früheren Leiter der Hessischen Staatskanzlei Jochen Riebel (CDU), den Vorstandssprecher der Josefs-Gesellschaft in Köln Theodor Michael Lucas und den Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Carl-Friedrich Leuschner. Wenn es eng wurde, konnte der Bischof erklären, dass „externe Wirtschaftsprüfer“ über die Finanzen schauen. Doch von echter Aufsicht kann keine Rede sein. Riebel, Leuschner und Lucas sagen, dass sie von den 31 Millionen erst am Montag erfahren haben und auch nur, nachdem sie den Diözesanbaumeister gedrängt hätten. Vom Bischof sei keine Auskunft gekommen. Er habe ihnen auch keinen Haushaltsplan für 2012 und 2013 vorgelegt. Druck hätten sie nicht auf ihn ausüben können, sagt Lucas, schließlich seien sie kein Aufsichtsratsgremium einer Aktiengesellschaft, sondern vergleichbar mit dem Stiftungsrat einer Stiftung. Man habe abwarten müssen, bis der Bischof etwas vorlege. Als sie den Bischof am Montag aufforderten, er solle die 31 Millionen über seine Pressestelle öffentlich machen, sei wieder nichts geschehen, sagt Lucas. Deshalb hätten sie drei sich entschlossen, die Summe selbst bekannt zu geben. Ein Rücktritt des Vermögensverwaltungsrates würden sie „zu diesem Zeitpunkt“ aber ausschließen. Offenbar rechnen die drei damit, dass der Bischof aufgibt.
Hat der Bischof auch Unterstützer, Verteidiger – und wie argumentieren sie?
Der Kölner Kardinal Joachim Meisner stärkt dem Limburger Kollegen den Rücken. Für Meisner sind wie immer „die Medien“ an allem schuld, weil sie die Vorwürfe übertreiben würden. Vor zehn Tagen rüffelte er den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch und erinnerte an den Corpsgeist der Bischöfe. Zollitsch hatte erklärt, unter dem Limburger Skandal „leide die ganze Kirche“. Vor drei Wochen nahm auch der Chef der mächtigen Glaubenskongregation in Rom, der frühere Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, Tebartz-van Elst in einem Interview mit der katholischen „Tagespost“ in Schutz. Die „Kampagne“ gegen ihn sei „ein sich selbst tragendes Lügengebäude“. Sie habe das Ziel, Bischöfe, die nicht ins eigene Kirchenbild passten, einzuschüchtern oder zu eliminieren. Dagegen von Tebartz-van Elsts Lehre und Leben nichts vorliege, vertraue Rom ihm „voll und ganz“.
Ist sein Rücktritt unausweichlich – und wer kann ihn abberufen?
Nur er selbst oder der Papst können über den Rücktritt eines Bischofs entscheiden. Dafür können laut Kirchenrecht gesundheitliche Gründe oder ein „anderer schwerwiegender Grund“ den Ausschlag geben. Ein solcher „schwerwiegender Grund“ könne „ein massiver Vertrauensverlust“ sein, der „den Schluss zulässt, der Bischof kann dass Evangelium nicht mehr entsprechend vermitteln kann“, sagt der Münchner Kirchenrechtler Stephan Haering. Denn das Bischofsamt gibt es nicht wegen der Person, sondern um der Diözese willen“. Wenn nun der Priesterrat indirekt den Rücktritt von Tebartz-van Elst fordert, könnte das darauf hindeuten, dass das Vertrauensverhältnis des Bischofs zu seinen Priestern massiv gestört ist. Von den Gläubigen ganz abgesehen. Auch ein Strafbefehl wegen Meineids im Zusammenhang mit dem Flug nach Indien könnte ein solcher Grund sein, vermutet Haering. Am Mittwochabend wollten allerdings weder der Bistumssprecher noch die Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft bestätigen, dass ein Strafbefehl vorliegt.
Gab es in der Vergangenheit schon Rücktritte oder Abberufungen deutscher Bischöfe?
2010 hat der damalige Augsburger Bischof Walter Mixa beim Papst seinen Rücktritt eingereicht, nachdem er wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten massiv unter öffentlichen Druck geraten war. Auch hatte sich herausgestellt, dass er in den 70er Jahren Heimkinder geohrfeigt hatte. Vor kurzem hat Papst Franziskus zwei slowenische Erzbischöfe entlassen. Durch ihre finanziellen Fehlentscheidungen, etwa spekulative Geschäfte, war ihrem Bistum ein Schaden von 800 Millionen entstanden. (mit cir)