zum Hauptinhalt
Ein Boot kommt in Großbritannien an, viele andere schaffen die Überfahrt nicht.
© Gareth Fuller/PA Wire/dpa

Mit dem Schlauchboot in den Tod: Der Ärmelkanal wird das neue Mittelmeer

Die 27 ertrunkenen Menschen machen abermals klar, dass Europas Migrationspolitik so nicht bleiben kann. Es fehlen legale Einreisemöglichkeiten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Einer der Flüchtlingshelfer an der französischen Atlantikküste brachte es auf die Formel: „Der Ärmelkanal wird allmählich zu einem Friedhof – so wie das Mittelmeer.“ Und es sieht in der Tat so aus. Der Tod von 27 Menschen am Mittwoch bringt diesen schlimmen Umstand nun in die Schlagzeilen. Endlich.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Neu nämlich ist es nicht, dass die knapp 30 Kilometer breite Meerenge zwischen Frankreich und Großbritannien wie das Mittelmeer oder jetzt die belarussisch- polnische Grenze ein Brennpunkt ist. Seit Jahren werden wachsende Zahlen von Menschen gezählt, die rüber wollen auf die Insel. Seit 2014 zählt man auch die Toten, die es dabei gibt. Dass französische und britische Politiker jetzt in flammenden Worten die Skrupellosigkeit der Schlepper anprangern und maximale Härte bei deren Verfolgung ankündigen, ist nachvollziehbar.

Der Blick wird auf Schleuser gelenkt

Gleichwohl gibt es hinter der Frage nach der quasi praktischen Verantwortung, die den Blick auf kriminelle Banden und Geschäftemacher lenkt, auch die Frage nach der politischen Verantwortung. Und die ist so offen wie eh und je. Wie kann Politik damit umgehen, dass Menschen ins Land kommen möchten, die von Rechts wegen dafür keine Erlaubnis erhalten?

[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen rund um das Coronavirus. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de.]

Sollte Frankreich die Küste besser kontrollieren? Aber wie soll das gehen, wenn die Schlauchboote überall und nirgends in See stechen können? Soll Großbritannien die Boote zurückdrängen in französische Gewässer? Wer soll wem wie viel Geld geben, damit er ihm die Flüchtlinge vom Hals hält? Wird man mit noch so harten Gesetzen und Abwehrübungen überhaupt jemals etwas ausrichten gegen den Wunsch der Menschen aus den elenderen Gegenden der Welt, ihr Glück in Europa zu versuchen?

Vermutlich nicht. Vielleicht ist es an der Zeit, sich das einzugestehen. Und so scheint hinter den vielen Streitereien über Einzelprobleme doch immer wieder die große Frage auf, ob es nicht doch sinnvoller wäre, mehr legale Einreisemöglichkeiten zu schaffen. Versehen mit der Auflage, jenseits von einem Starter-Kit, für sich selbst zu sorgen oder wieder ausreisen zu müssen. In Deutschland will die neue Ampelregierung Lockerungen in diesem Sinne einführen. Die Kritik folgte umgehend. Und wahrscheinlich werden nationale Regelungen dem Problem tatsächlich nicht gerecht, dazu ist längst zu viel Europa. Leider ein uneiniges.

Zur Startseite