Proteste gegen Chinas Einfluss: Demonstranten in Hongkong kämpfen mit Pfeilen und Katapulten
Wieder gibt es in Hongkong Straßenschlachten. Erstmal sind auch – unbewaffnete – chinesische Soldaten im Einsatz. Sie beteiligen sich an Aufräumarbeiten.
In Hongkong ist es am Sonntag wieder zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas, Gummigeschosse und einen Wasserwerfer ein. Radikale Demonstranten schossen mit Pfeil und Bogen. Ein für Medienarbeit zuständiger Polizist wurde dabei von einem Pfeil getroffen. Auf Fotos von dem Vorfall war zu sehen, wie das Geschoss im Bein des Beamten steckte. Auch bauten einige Demonstranten Katapulte, mit denen sie Brandsätze abfeuerten.
Die Ausschreitungen konzentrierten sich am Sonntag zunächst vor allem auf die Gegend um die Polytechnische Universität Hongkongs, die von Demonstranten besetzt wurde. Die Hochschulen der Stadt hatten sich in der vergangenen Woche zu einem neuen Brennpunkt der seit mehr als fünf Monaten andauernden Proteste entwickelt. Mehrere Universitäten hatten daraufhin angekündigt, dass sie das Semester vorzeitig beenden.
Chinesische Soldaten beteiligen sich in Hongkong an Aufräumarbeiten
Nach einem relativ ruhigen Tag war es am Samstagabend erneut zu Zusammenstößen in der Stadt gekommen. In Erwartung weiterer Proteste und Blockaden kündigten die Behörden an, dass die Schulen und Kindergärten der Stadt an diesem Montag weiter geschlossen bleiben. In den Onlinenetzwerken riefen Aktivisten außerdem für Montag zu einer "Dämmerungsaktion" auf. "Stehen Sie früh auf, zielen Sie direkt auf das Regime, quetschen Sie die Wirtschaft aus, um den Druck zu erhöhen", hieß es auf einem Plakat, das im Internet kursierte.
In der vergangenen Woche hatte Hongkong die gewaltsamsten Zusammenstöße seit Beginn der Proteste am 9. Juni erlebt. Anders als zuvor konzentrierten sich die Aktionen nicht mehr nur auf das Wochenende, sondern auf Werktage.
Die Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungsregion richten sich gegen die Regierung. Es ging zunächst um ein geplantes Gesetz, das erstmals auch Auslieferungen nach Festland-China ermöglicht hätte. Inzwischen verlangen die Demonstranten auch den Rücktritt von Regierungschefin Carrie Lam, freie Wahlen, eine unabhängige Untersuchung von Polizeibrutalität sowie Straffreiheit für die bereits weit mehr als 4000 Festgenommenen.
Scharfe Kritik löste am Wochenende der erste Einsatz chinesischer Soldaten bei den seit mehr als fünf Monaten anhaltenden Protesten aus. Auf einem Video des Lokalsenders RTHK war zu sehen, wie Männer der Volksbefreiungsarmee am Samstag unbewaffnet in kurzen Hosen und T-Shirts Steine und andere Objekte von der Straße in der Nähe der zuvor von Demonstranten besetzten Hong Kong Baptist University räumten. Auch zeigten Videos, wie die Soldaten mit roten Eimern in der Hand in Reih und Glied durch die Straßen joggten. Dutzende Soldaten beteiligten sich an den Aufräumarbeiten.
Mehr als 10.000 Soldaten Chinas sind in Hongkong stationiert
Der ungewöhnliche Einsatz fand große Beachtung, weil es unter einigen Hongkongern seit Monaten Befürchtungen gibt, dass China sein Militär nutzen könnte, um die Proteste in der Stadt niederzuschlagen. Nach monatelangen Demonstrationen hatte Chinas kommunistische Führung zuletzt zwar angedeutet, den Griff zu verstärken.
Eine militärische Niederschlagung der Proteste halten die meisten Beobachter dennoch für unwahrscheinlich, weil China dafür international geächtet würde. Stattdessen sollen Hongkongs Regierung und die Polizei aus Sicht Pekings für Ordnung sorgen. Mehr als 10.000 Soldaten der Volksbefreiungsarmee sind seit der Rückgabe der britischen Kronkolonie 1997 an China in Hongkong stationiert. Nach unbestätigten Berichten soll die Truppenstärke heimlich aufgestockt worden sein.
Hongkongs Regierung könnte China um militärische Hilfe bitten
Nach geltendem Recht könnte Hongkongs Regierung die Zentralregierung in Peking um militärische Hilfe bitten, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen oder nach Katastrophen zu helfen. Eine solche Anfrage habe es am Samstag jedoch nicht gegeben, teilte die Hongkonger Regierung mit. Wie die Zeitung „South China Morning“ berichtete, verurteilten Abgeordnete der Opposition den Einsatz scharf und forderten von der Regierung Aufklärung.
Die Garnison der Volksbefreiungsarmee in Hongkong teilte mit, dass es sich um eine „gemeinnützige Tat“ gehandelt habe. Die Soldaten wollten lediglich Anwohnern dabei helfen, die Straßen in der Nähe der Kaserne aufzuräumen. Auf Videos ist zu sehen, wie einige Menschen den Soldaten applaudieren. Die Volksbefreiungsarmee war schon in der Vergangenheit ohne ausdrücklichen Hilfegesuch in Hongkong ausgerückt. So halfen 400 Soldaten im vergangenen Jahr bei der Beseitigung von Schäden durch den Taifun „Mangkhut“, wie lokale Medien berichteten. (dpa, AFP)