Morales spricht von „Putsch-Plan“: Demonstranten in Bolivien besetzen zwei Staatssender
Bolivien kommt nach den Wahlen nicht zur Ruhe. Nachdem sich Polizisten den Demonstranten angeschlossen hatten, nehmen diese nun staatliche Medien ins Visier.
Im Streit um das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Bolivien haben Demonstranten die Zentralen zweier Staatssender besetzt. Die Mitarbeiter des Fernsehsenders Bolivia TV und des Radiosenders Radio Patria Nueva verließen das Sendergebäude in der Hauptstadt La Paz am Samstag unter den Buh-Rufen hunderter Demonstranten.
Die Opposition wies unterdessen einen Aufruf von Amtsinhaber Evo Morales zum Dialog zurück. Dieser schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, Regierungsgegner hätten das Haus seiner Schwester in Brand gesetzt.
Demonstranten "handeln wie Diktatoren", tobt Präsident Morales
Nach der Besetzung des Sendergebäudes kritisierte Morales, die Demonstranten behaupteten die Demokratie zu schützen "aber sie handeln wie Diktatoren". Auf das Haus seiner Schwester in dem Ort Oruro sowie auf die Gouverneursresidenzen in Oruro un Chuquisaca seien Brandanschläge verübt worden. Es handele sich um einen "faschistischen Putsch-Plan", schrieb Morales auf Twitter.
In der Nacht zum Sonntag dauerten die Unruhen an. Demonstranten blockierten Medienberichten zufolge eine Mautstation an der Autobahn zwischen La Paz und dem angrenzenden Oet El Alto, einer Hochburg der Morales-Anhänger. Der private Fernsehsender Unitel erklärte, seine Anlage sei von Demonstranten zerstört worden.
Seit der umstrittenen Präsidentenwahl in Bolivien am 20. Oktober liefern sich die politischen Lager des südamerikanischen Landes erbitterte Auseinandersetzungen. Regierungsgegner zweifeln den Sieg von Morales in der ersten Runde an und fordern eine Überprüfung der Wahl. Bei den Protesten kamen bislang drei Menschen ums Leben, rund 200 weitere wurden verletzt.
Opposition in Bolivien weist Morales' Dialogangebot zurück
Vor der Erstürmung der Senderzentralen rief Morales alle im Parlament vertretenen Parteien nachdrücklich zum Dialog auf. Sein Rivale bei der Präsidentschaftswahl, Carlos Mesa, wies das Angebot zurück. Mit Morales und dessen Regierung gebe es "nichts zu verhandeln", sagte Mesa. Auch eine weitere Oppositionspartei schlug das Gesprächsangebot aus. Die einflussreichen Bürgerkomitees, die die Proteste maßgeblich organisieren, schloss der Präsident ausdrücklich von seinem Angebot aus.
Am Freitag hatten sich Einheiten der Elite-Polizeieinheit Utop in den Städten Cochabamba, Sucre und Santa Cruz auf die Seite der Demonstranten gestellt. In Cochabamba sagte ein vermummter Polizist vor dem Hauptquartier der Einsatzpolizei in der zentralbolivianischen Stadt: "Wir haben gemeutert. Ein ebenfalls vermummter Kollege fügte hinzu: "Wir werden auf der Seite des Volkes sein, nicht bei den Generälen."
Oppositionspolitiker riefen die Armee auf, dem Beispiel der Polizei zu folgen und Morales die Treue zu verweigern. Verteidigungsminister Javier Zavaleta betonte derweil, es gebe keinerlei Pläne, Militärgewalt gegen die aufständischen Polizisten einzusetzen. In der südöstlichen Stadt Sucre und der Oppositionshochburg Santa Cruz schlossen sich Polizeieinheiten an. "Wir unterstützten die Kollegen, die in Cochabamba gemeutert haben", sagte ein uniformierter Polizist mit verhülltem Gesicht in Sucre einem örtlichen Fernsehsender. "Wir können nicht mit dieser Drogen-Regierung weitermachen, mit dieser ungerechten Demokratie", sagte er. Polizisten in Santa Cruz schlossen die Türen ihrer Wache und mehrere uniformierte Männer klettern auf das Dach und schwenkten die bolivianische Flagge.
Morales: "Brüder und Schwestern, unsere Demokratie ist in Gefahr"
Schon am Freitag hatte Morales nach einer Dringlichkeitssitzung mit mehreren Ministern und Armeechef Williams Kaliman von einem "Putsch" gesprochen. "Brüder und Schwestern, unsere Demokratie ist in Gefahr wegen eines laufenden Putsches, den gewalttätige Gruppen gegen unsere verfassungsmäßige Ordnung gestartet haben", erklärte Morales im Kurzbotschaftendienst Twitter. Verteidigungsminister Javier Zavaleta erklärte, ein Einsatz der Armee gegen die meuternden Polizisten stehe derzeit nicht zur Debatte. "Für den Moment wird keine Militäraktion gestartet, das ist völlig ausgeschlossen", erklärte der Verteidigungsminister.
Morales ist der dienstälteste Präsident des Kontinents. Bereits seit 2006 leitet der frühere Koka-Bauer die Geschicke Boliviens - wenn es nach ihm geht, will er bis zum 200. Jahrestag der Unabhängigkeit 2025 am Ruder bleiben. Zwar floriert Bolivien unter dem linken Präsidenten, die Förderung von Gas und Lithium bescherte dem Armenhaus Südamerikas zeitweise Wachstumsraten von mehr als sechs Prozent. Doch das zunehmend selbstherrliche und autoritäre Gehabe des indigenen Staatschef stößt immer mehr Bolivianern bitter auf. Vor allem die Menschen im wirtschaftlich starken Osten des Landes fühlen sich von Morales über den Tisch gezogen. (AFP, dpa)
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