Hongkong sendet starkes Signal an Peking: Demokratie-Lager baut Vorsprung deutlich aus
Die Menschen in Hongkong haben am Sonntag mit enormer Beteiligung an den Bezirksratswahlen teilgenommen. Und offenbar das demokratische Lager massiv gestärkt.
Bei der Auszählung der Bezirkswahlen in Hongkong hat das Demokratie-Lager seinen Vorsprung noch einmal deutlich ausgebaut. Wie die Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“ berichtete, gingen am Montagmorgen gegen 5.15 Uhr (Ortszeit) rund 201 der 452 Bezirksratsposten an demokratische Kandidaten. Das sind bereits fast die Hälfte der Stimmen. Auf das Pro-Peking-Lager, das bei den letzten Wahlen noch etwa drei Viertel der Sitze errungen hatte, entfielen demnach zunächst nur noch 28 Posten. 12 Sitze gingen an unabhängige Kandidaten. 211 Sitze in den 18 Bezirksräten der Stadt waren noch nicht ausgezählt.
Laut der Wahlkommission lag die Wahlbeteiligung bei einem Rekordwert von 69 Prozent. Mehr als 2,8 Millionen der 4,1 Millionen wahlberechtigten Hongkonger haben demnach ihre Stimmen abgegeben.
Zuvor hatte sich bei den Lokalwahlen eine ungewöhnlich hohe Beteiligung abgezeichnet – ein Signal für die politisch aufgeheizte Stimmung in der chinesischen Sonderverwaltungsregion. A, Sonntag um 18.30 Uhr (Ortszeit/11.30 MEZ) erreichte die Wahlbeteiligung bereits vier Stunden vor Schließung der Wahllokale einen neuen Rekordwert von 60,36 Prozent. Bei den Bezirkswahlen 2015 lag die Beteiligung am Ende des Tages bei rund 47 Prozent.
Schon am frühen Sonntagmorgen bildeten sich vor Wahllokalen lange Schlangen. Angesichts der seit mehr als fünf Monaten andauernden Proteste von Regierungsgegnern werden die Wahlen als wichtiger Indikator für die Stimmung in der Bevölkerung gesehen.
Deutliche Zugewinne für das Lager der demokratischen Kandidaten könnten signalisieren, dass die Hongkonger trotz der zunehmenden Gewalt weiterhin hinter der Protestbewegung stehen. Bislang beherrscht das treu und ergeben zur Führung in Peking stehende Regierungslager rund drei Viertel der Bezirksratsposten. Die „South China Morning Post“ meldete zudem, dass zahlreiche Polizisten die rund 600 Wahllokale bewachen. Um das Wahllokal im Bezirk Tseung Kwan O haben Anwohner Polizisten in Schutzausrüstung gesichtet, obwohl es keine Proteste vor Ort gäbe.
Bei den Wahlen am Sonntag können mehr als 4,1 Millionen wahlberechtigte Hongkonger über 452 Bezirksratsposten in 18 Bezirken entscheiden. Mehr als 1000 Kandidaten sind angetreten. Die Auszählung beginnt direkt nach der Schließung der Wahllokale am späten Sonntagabend. Erste Ergebnisse werden in der Nacht zum Montag erwartet.
„Die Wahl ist die letzte Möglichkeit, unsere Meinung zu äußern. Die meisten Proteste wurden von der Regierung verboten“, sagte ein 26 Jahre alter Bankangestellter nach der Abgabe seiner Stimme. „Bei den letzten Wahlen gab es in unserem Bezirk nur Pro-Peking-Kandidaten. Dieses Mal war auch eine demokratische Kandidatin dabei. Es hat sich etwas geändert.“
Jason, ein 30 Jahre alter Freiberufler, wartete in der Schlange vor dem Wahllokal am Hongkonger Queen's College mehr als eine Stunde, bis er seine Stimme abgeben konnte: „Ich hätte auch noch länger gewartet. Wir wollen Demokratie und ein Ende der Polizeigewalt.“
Wie die „South China Morning Post“ berichtete, strömten gleich am Sonntagmorgen auffällig viele junge Wähler in die Wahllokale. Die Beteiligung lag laut der Hongkonger Zeitung nach einer Stunde dreimal höher als zum gleichen Zeitpunkt bei der vorherigen Bezirkswahl 2015.
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Die Wahlen am Sonntag haben vor allem symbolische Bedeutung, da die Bezirksräte der Stadt nicht wirklich über politische Macht verfügen. Sie können keine Gesetze verabschieden oder selbst nennenswerte Entscheidungen treffen. Als Gremien beraten sie die Regierung und machen Vorschläge, wie sich die Lebensqualität in den Stadtteilen verbessern lässt.
Das bei der Wahl dominierende Lager erhält Sitze im 1200-köpfigen Wahlkomitee, das alle fünf Jahre den Hongkonger Regierungschef wählt. In dem Gremium ist aber sichergestellt, dass am Ende stets der von Peking favorisierte Kandidat gewinnt.
Auch Hongkongs Parlament, der Legislativrat, wird nicht komplett frei gewählt. Nur 40 der Sitze werden nach dem allgemeinen freien Wahlrecht gewählt. Die übrigen 30 Sitze werden von Interessengruppen bestimmt, die in der Mehrzahl dem Pro-Peking-Lager angehören.
Wahlen in Zeiten der Unruhe
In Hongkong kam es in den vergangenen zwei Wochen zu immer gewalttätigeren Zusammenstößen zwischen Polizei und radikalen Demonstranten. An den drei Tagen vor der Wahl blieb es allerdings ruhig in der Millionenmetropole.
Sie hoffe, dass die Stabilität der letzten Tage nicht nur mit den Wahlen zusammenhänge, sagte Regierungschefin Carrie Lam am Sonntag bei der Abgabe ihrer Stimme. „Ich hoffe, dass niemand mehr Chaos in Hongkong will und wir diese schwierigen Zeiten mit einem Neustart hinter uns lassen können.“
Die Protestbewegung fordert seit Monaten Lams Rücktritt. Ihr Unmut richtet sich gegen die Regierung, das als brutal empfundene Vorgehen der Polizei und den wachsenden Einfluss der kommunistischen Führung in Peking.
Seit der Rückgabe 1997 an China wird die frühere britische Kronkolonie nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ unter chinesischer Souveränität autonom regiert. Die sieben Millionen Hongkonger genießen - anders als die Menschen in der Volksrepublik - viele Rechte wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit, um die sie jetzt aber fürchten. (dpa)