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Die bayerische Spitzenkandidatin Katharina Schulze von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag nach den ersten Wahlergebnissen.
© Sven Hoppe/dpa
Update

Landtagswahl in Bayern: Debakel für CSU und SPD, Triumph für Grüne

Herbe Verluste für CSU und SPD, die Grünen verdoppeln ihren Stimmenanteil. Die Landtagswahl in Bayern ist ein historischer Einschnitt. Ein erster Überblick.

Zwei Debakel und ein Triumph bei der bayerischen Landtagswahl am Sonntag: Während die CSU und die SPD historisch schwache Ergebnisse hinnehmen mussten, konnten die Grünen ihren Stimmenanteil verdoppeln und sind jetzt zweitstärkste Kraft in Bayern. Eine Koalition gegen die CSU wird trotz des Einbruchs aber nicht möglich sein. Nach den Hochrechnungen ist neben Schwarz-Grün auch ein Bündnis von CSU und Freien Wählern möglich. Am Ende können, wenn es knapp sein sollte, auch Besonderheiten des bayerischen Wahlrechts eine Rolle spielen. Angesichts der massiven Verluste von CSU und SPD begann schon am Wahlabend auch die Debatte über die möglichen Folgen für die von Kanzlerin Angela Merkel geführte schwarz-rote Koalition im Bund. Sollte sich die Doppelniederlage von Union und SPD in Hessen in vierzehn Tagen wiederholen, dürfte sich die Diskussion noch verstärken.

Ein Viertel verloren

Für die von Bundesinnenminister Horst Seehofer geführten Christsozialen, die in Bayern seit 1957 ununterbrochen und meist ohne Koalitionspartner regiert haben, ging es drastisch nach unten. Die Partei schaffte mit Ministerpräsident Markus Söder als Spitzenkandidat nach der ARD-Hochrechnung von 22.27 Uhr nur 37,4 Prozent. Damit hat die CSU gegenüber der vorigen Wahl im Jahr 2013 fast ein Fünftel ihrer Stimmanteile eingebüßt. Damals war die CSU auf 47,7 Prozent gekommen. Der Wahlsonntag brachte nun das zweitschlechteste CSU-Landesergebnis aller Zeiten.

Söder sagte, es sei ein "schmerzhaftes" Ergebnis, aber die CSU habe einen "klaren Regierungsauftrag". Ziel sei, dass das Land "stabil und regierbar" bleibe. Mit Blick auf einen möglichen Partner wiederholte Söder seine Wahlkampf-Aussage, dass das Grünen-Programm keine Basis für eine Koalition sei. Er deutete an, dass eine "bürgerliche" Lösung - also mit den Freien Wählern - für ihn Vorrang hätte. Seehofer sagte: "Es wird in den nächsten Wochen darauf ankommen, dass wir aufarbeiten, woran dieses Ergebnis liegt, und daraus die nötigen Konsequenzen ziehen." Der frühere Parteichef Erwin Huber legte Seehofer indirekt den Rücktritt nahe. Seehofer hatte im Sommer seinen alten Dissens mit Merkel in der Flüchtlingspolitik wiederbelebt, wohl in der Hoffnung, damit im bayerischen Wahlkampf punkten zu können. Seither gingen die Werte der CSU in den Umfragen aber nach unten.

"Viel Vertrauen gekostet"

Die CDU-Spitze ging schon auf Distanz. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sagte der „Welt am Sonntag“: Die CSU hat die Union in der letzten Zeit viel Vertrauen gekostet. Man kann nicht über Monate den Eindruck erwecken, dass vieles durcheinander geht und die Regierung nicht handlungsfähig ist, und dann erwarten, dass die Leute der Union vertrauen.“ CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer nannte das CSU-Ergebnis "bitter" und sagte, die CDU wolle sich nun voll auf die Hessenwahl in zwei Wochen konzentrieren - ohne Personaldebatte auf Bundesebene.

SPD halbiert Stimmenanteil

Noch derber als bei der CSU fällt die Wahlniederlage der SPD aus. Sie halbierte ihren Stimmenanteil gegenüber 2013 und fiel auf den fünften Platz zurück. Angeführt von Bundes-Parteivize Natascha Kohnen stürzten die bayerischen Sozialdemokraten von 20,6 Prozent auf nunmehr nur noch 9,6 Prozent. Das ist das gesamtdeutsch schwächste Landtagswahlergebnis der SPD seit 1946. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprach von einem "klaren Signal aus Bayern nach Berlin", wo es seit Monaten "keine gute Regierungsperformance" gegeben habe. Auch Parteichefin Andrea Nahles machte die Vorstellung der Bundesregierung mitverantwortlich. Di SPD habe sich vom "Richtungsstreit zwischen CDU und CSU" zu wenig abgehoben.

"Schmerzhaft, katastrophal"

Christian Ude, der frühere Oberbürgermeister von München und Landtags-Spitzenkandidat von 2013, sprach von einem „schmerzhaften, niederschmetternden, katastrophalen Ergebnis, das auch nicht mit einem nationalen oder internationalen Rechtsruck begründet werden kann“, wie er dem Tagesspiegel sagte. Er legte Kohnen den Rücktritt nahe. Diese sagte, man werde nach der Niederlage über alles reden - und damit meine sie auch über alles. Die SPD müsse den "tiefen Glauben an die Sozialdemokratie" wieder herstellen und eine ganz klare Haltung zeigen. "Das wird kein einfacher Weg", sagte Kohnen.

Der hessische SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel führte das schlechte Abschneiden seiner Partei auch auf die Streitereien der großen Koalition im Bund zurück und warnte vor einem Ende des Regierungsbündnisses. Dem Tagesspiegel sagte er,  die SPD mache in der Bundesregierung eine gute Arbeit. „Wenn es Fehler gab, dann den, zu viel Geduld mit den Streithammeln von CDU und CSU gehabt zu haben. Wenn sich das nicht ändert, macht es keinen Sinn mehr.“

Grüner Höhenflug

Die Grünen, angeführt von den Spitzenkandidaten Ludwig Hartmann und Katharina Schulze, konnten auch von einem seit der Bundestagswahl 2017 positiven Bundestrend profitieren. Die Verdopplung des Stimmenanteils auf 17,7 Prozent (nach 8,6 Prozent vor fünf Jahren) ist einer der größten Triumphe der Partei in ihrer Wahlgeschichte. Nach Baden-Württemberg gelang es der Partei nun auch in Bayern, das eigene Stimmenpotenzial einigermaßen auszuschöpfen.

Die bayerischen Grünen sind nun der zweitstärkste Landesverband, was Landtagswahlergebnisse betrifft – noch vor den Stadtstaaten. Eine Koalition mit der CSU haben sie im Wahlkampf nicht ausgeschlossen, wohl aber an Bedingungen geknüpft – wie umgekehrt auch die CSU. Der Grünen-Bundesvorsitzende Robert Habeck sprach von einem "Veränderungsauftrag". Schulze will aber "eine autoritäre und anti-europäische Politik" der CSU nicht mitmachen. Der Erlanger Politologe Roland Sturm sagte dem Tagesspiegel, ihn wundere das gute Abschneiden der Partei nicht. "Die Grünen sind schon seit Jahren die Oppositionspartei, die am stärksten wahrgenommen wird, stärker als die SPD." Was am Sonntag stattgefunden habe, sei eine Kräfteverlagerung im Lager links der Mitte, die das nachvollziehe.

Freie Wähler in die Regierung?

Die Freien Wähler, die in Bayern erstmals 1998 zur Landtagswahl antraten und seit 2008 als drittstärkste Kraft im Parlament saßen, legten zu auf 11,4 Prozent (2013: neun Prozent) und konnten am frühen Wahlabend auch auf eine erstmalige Regierungsbeteiligung spekulieren. Die Partei, politisch in der Mitte und stark im kommunalen Leben verankert, wird seit Jahren angeführt von Hubert Aiwanger. Mit dem Ergebnis vom Sonntag hat sie sich in Bayern als parlamentarische Konstante erwiesen, die unabhängig vom Auf und Ab der anderen Parteien ihre Wählerschaft findet. Zu einem möglichen Bündnis mit der CSU sagte Aiwanger, "wenn Söder Ja sagt, dann pack mer's".

Dass die AfD bei ihrer ersten Landtagswahl in Bayern mit 10,3 Prozent unter ihren Erwartungen blieb, führte Bundestags-Fraktionschef Alexander Gauland auf eine angebliche Konkurrenz der Freien Wähler zurück. In Bayern blieben die Rechtspopulisten jedenfalls deutlich hinter dem Ergebnis im strukturell ähnlichen Baden-Württemberg vor zwei Jahren zurück. Offenkundig ging die Wahlkampfstrategie des in sich zerstrittenen Landesverbands, sich als die „echtere CSU“ zu geben, nicht ganz auf. Bundeschef Jörg Meuthen sprach dennoch von einem "grandiosen Erfolg". Der CSU riet er von einer Koalition mit den Grünen ab. Mit dem Erfolg vom Sonntag ist die AfD nun in 15 Landtagen vertreten; nach der Hessen-Wahl am 28. Oktober dürften es alle sein.

Die FDP setzte ihre Berg- und Talfahrt bei Landtagswahlen fort und kam auf 5,0 Prozent. Das ist weit entfernt von den zweistelligen Ergebnissen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein im vorigen Jahr, im Vorlauf zur Bundestagswahl. Andererseits gehört Bayern nicht zu den freidemokratischen Hochburgen - in den vergangenen vierzig Jahren war die Partei überhaupt nur dreimal im Landtag vertreten. Parteichef Christian Lindner wertete das Ergebnis als Erfolg "auf schwierigem Pflaster", nachdem die FDP 2013 nur 3,3 Prozent geholt hatte. Die Linke bestätigte einmal mehr, dass für sie zwischen Würzburg und Rosenheim nichts zu holen ist. Immerhin ist das Ergebnis vom Sonntag - 3,1 Prozent - besser als bei der vorausgegangenen Wahl, als es 2,1 Prozent waren.

600.000 Erstwähler

Zur Wahl aufgerufen waren knapp 9,5 Millionen Bürger, darunter etwa 600000 Erstwähler. Die Wahlbeteiligung stieg deutlich von 63,6 auf 72 Prozent. Der künftige Landtag wird größer sein als bisher mit 180 Sitzen, der regulären Mandatszahl. Denn trotz ihrer massiven Verluste konnte die CSU den Großteil der Wahlkreise (in Bayern Stimmkreise genannt) direkt gewinnen, was zu Überhangmandaten führt, die ausgeglichen werden müssen. Nach den Hochrechnungen könnte das Parlament künftig 200 Abgeordneten haben.

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