zum Hauptinhalt
Thomas de Maiziere, Bundesinnenminister.
© REUTERS
Update

Nach den Übergriffen in Köln: De Maizière wirft Kölner Polizei Versagen vor

Als Konsequenz aus den Übergriffen auf Frauen in Köln fordern Politiker rigides Durchgreifen. Innenminister Thomas de Maizière findet harte Worte für den Einsatz der Polizei.

Nach den massenhaften Übergriffen auf Frauen in Köln in der Silvesternacht hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Dienstagabend die Kölner Polizei scharf kritisiert. In einem Interview mit den „Tagesthemen“ sagte er auf die Frage, ob die Polizei versagt habe, dies frage er sich auch. Es könne nicht sein, dass erst der Vorplatz des Bahnhofs geräumt werde „und später finden diese Ereignisse statt, und man wartet auf Anzeigen. So kann Polizei nicht arbeiten.“

Angesprochen auf die Sorge, dass die Vorfälle die deutsche Willkommenskultur gefährden und Rechtspopulisten stärken könnten, sagte de Maizière den "Tagesthemen", es dürfe keinen Generalverdacht gegen Flüchtlinge geben. Umgekehrt dürfe es keine Tabus geben, wenn bei Straftaten einiges dafür spreche, dass die Täter Nordafrikaner waren.

"Der Rechtsstaat hat schon Mittel, solche Straftäter abzuschieben. Abgelehnte Asylbewerber unterfallen dem normalen Ausweisungsrecht", betonte de Maizière. Man müsse unterscheiden zwischen Straffälligen und nicht Straffälligen - "das machen wir bei Deutschen ja auch. Und diese gleiche Haltung brauchen wir auch gegenüber Flüchtlingen und Asylbewerbern."

Angela Merkel fordert nach den Übergriffen in Köln Konsequenzen.
Angela Merkel fordert nach den Übergriffen in Köln Konsequenzen.
© AFP PHOTO/ ALAIN JOCARD

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor eine harte Antwort des Rechtsstaats gefordert. Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert vom Dienstag drückte die Kanzlerin in einem Telefonat mit der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker „ihre Empörung über diese widerwärtigen Übergriffe und sexuellen Attacken aus, die nach einer harten Antwort des Rechtsstaats verlangen“. Es müsse alles daran gesetzt werden, die Schuldigen so schnell und so vollständig wie möglich zu ermitteln und ohne Ansehen ihrer Herkunft oder ihres Hintergrundes zu bestrafen.

Merkel habe sich von Reker über die Ergebnisse des Krisentreffens von Polizei und städtischen Behörden informieren lassen. Auch lasse sich die Kanzlerin von Innenminister Thomas de Maizière über die Ermittlungsarbeiten informieren.

Auch Justizminister Heiko Maas fordert Konsequenzen. "Das ist offenbar eine völlig neue Form und neue Dimension organisierter Kriminalität", sagte der SPD-Politiker am Dienstagmittag in Berlin. Mass betonte, dass vor dem Gesetz alle gleich seien und es nicht auf die Nationalität der Täter ankomme, sondern dass diese konsequent zur Rechenschaft gezogen werden. Auch Menschen, die den Tätern geholfen oder nur die Kulisse für die Taten gebildet und nicht eingeschritten haben, könnten Mittäter sein. Welche Konsequenzen die Taten genau haben werden, konnte Maas noch nicht sagen. Er wies darauf hin, dass geklaute Handys geortet werden können. Die Polizei arbeite mit Hochdruck daran, die Hintergründe zu ermitteln.

Justizminister Maas: "Angriffe nicht hinnehmen."
Justizminister Maas: "Angriffe nicht hinnehmen."
© dpa

In der Silvesternacht haben sich nach Polizeiangaben aus einer Ansammlung von 1000 Männern heraus mehrere Gruppen gebildet. Diese Gruppen, deren Anzahl noch ungewiss ist, haben auf dem Bahnhofsvorplatz und rund um den Dom Frauen bedroht und bestohlen. Die Frauen sollen zum Teil massiv sexuell bedrängt worden sein. Auch eine Vergewaltigung soll es gegeben haben. Die Kölner Polizei zitierte Zeugen, nach denen die Täter dem Aussehen nach nordafrikanischer Herkunft seien.

Auch die neue Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker zeigte sich empört. Die Vorfälle seien ungeheuerlich, sagte sie dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Es könne nicht sein, dass Besucher, die nach Köln kommen, Angst haben müssten, überfallen zu werden. "Wir können nicht tolerieren, dass hier ein rechtsfreier Raum entsteht." Nun soll besprochen werden, was zur Vermeidung solcher Vorfälle beim Straßen-Karneval getan werden kann, zu dem Ende des Monats eine Million Besucher erwartet werden.

Der CDU-Politiker Jens Spahn hat einen erneuten gesellschaftlichen „Aufschrei“ gefordert. „Wo ist eigentlich der #aufschrei, wenn es wirklich einen braucht? Bei Dirndlwitzen lautstarke Helden überall, jetzt aber betretenes Schweigen“, twitterte Spahn am Dienstag. Mit dem Hashtag #Aufschrei berichteten vor rund zwei Jahren Internetnutzer von Sexismus-Erfahrungen und Belästigungen im Alltag. Ausgelöst hatte die Debatte damals eine Dirndl-Bemerkung des FDP-Politikers Rainer Brüderle zu einer Journalistin.

Ähnliche Vorfälle gab es in Stuttgart und Hamburg

Nach Angaben der Deutschen Polizeigewerkschaft sind die Kölner Vorfälle kein Einzelfall. Auch aus Stuttgart und Hamburg seien derartige Phänomene bekannt, sagte der Gewerkschaftschef Rainer Wendt dem NDR. Seiner Einschätzung nach handelt es sich nicht um organisierte Kriminalität, sondern um "eine Absprache der Täter, die die Masse der Menschen nutzen, die Dunkelheit und den Überraschungseffekt, um nach vollzogener Tat wieder unerkannt zu entkommen". Er warnte, durch diese Vorfälle könne sich die Stimmung in der Gesellschaft gegen Flüchtlinge verschärfen.

Auch die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, fordert eine Bestrafung der Täter „mit der ganzen Härte des Gesetzes“. Hierbei dürfe es keinerlei Rolle spielen, ob die Verdächtigen Migrationshintergrund besäßen. „Da darf nichts relativiert werden“, sagte Göring-Eckardt der „Thüringer Allgemeinen“.  „Es darf keine rechtsfreien Räume geben – ganz egal, ob hinter den Straftaten deutsche Staatsbürger, Ausländer oder Asylbewerber stecken.“

Die grüne Fraktionsvorsitzende sagte der Zeitung, dass der Staat  „niemals wegschauen“ dürfe, „wenn sich Frauen nicht mehr ohne Angst in Köln oder anderswo bewegen“ könnten. Sie sei sehr froh, dass dies die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Rekers als ihr persönliches Anliegen sehe und das Thema nicht allein den Sicherheitsbehörden überlasse. „Frau Rekers hat das vollkommen Richtige dazu gesagt“, erklärte Göring-Eckardt.

Bernd Riexinger, Vorsitzender der Linken, äußerte sich am Dienstag ebenfalls: „Diese erschütternden Vorfälle müssen restlos aufgeklärt und die Täter ohne Ansehen der Person ermittelt und zur Verantwortung gezogen werden. Gesetze gelten für alle und die Sicherheit von Frauen muss immer und überall gewährleistet sein. Gleichzeitig darf es keine vorschnellen Vorverurteilungen geben, die nur rassistische Vorurteile bedienen und nichts zur Aufklärung beitragen. Zudem muss den Opfern schnell und unbürokratisch geholfen werden.“

Bereits am Montag hatte die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder (CDU) auf Twitter ihre Meinung abgegeben.

Die frühere Grünen-Chefin Claudia Roth hat davor gewarnt, Flüchtlinge nun unter Generalverdacht zu stellen. „Es ist doch nicht so, dass wir jetzt sagen können, das ist typisch Nordafrika, das ist typisch Flüchtling“, sagte Roth WDR 5. „Hier geht es um Männergewalt und hier geht es um den Versuch, eine Situation - Silvesternacht - auszunutzen, als wäre das ein rechtsfreier Raum.“

Die Vizepräsidentin des Bundestags nannte die Übergriffe „wirklich unerträglich“. „Und da muss jetzt ermittelt werden, da wird ermittelt, da muss die Polizei auch entsprechend verstärkt und ausgestattet werden“, forderte Roth. Man dürfe aber nicht versuchen, die Vorfälle zu missbrauchen, um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. (Tsp, Reuters, dpa, AFP)

Zur Startseite