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Die ersten 50 der 550 geplanten sächsischen Wachpolizisten begannen ihre Ausbildung im Februar.
© dpa

Kampf gegen Kriminalität: De Maizière will Hilfspolizisten im Einsatz gegen Einbrecher

Der Innenminister möchte stärker gegen Einbrecher vorgehen. Er stellt sich Wachpolizisten als Unterstützung für die Polizei vor.

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Sie tragen Uniform, Handschellen und Pistole, sind aber doch keine „richtigen“ Polizisten. In einigen Bundesländern unterstützen Wachpolizisten die Arbeit ihrer Kollegen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) regt an, sie verstärkt gegen Wohnungseinbrüche einzusetzen.

Was ist die Grundlage der Pläne?

Die Entwicklung könnte nicht gegenläufiger sein. Während die Polizeibehörden auf der einen Seite seit Jahren über fehlendes Personal und Überforderung mit Aufgaben stöhnen, steigen auf der anderen Seite die Zahlen von Einbruch- und Diebstahlkriminalität. Das Ergebnis: Das Sicherheitsgefühl der Bürger sinkt, der Handlungsdruck für Politiker nimmt zu. De Maizière steht dabei unter besonderer öffentlicher Beobachtung. Denn spätestens seit dem Erstarken der mit Sicherheitsparolen punktenden AfD muss der CDU-Politiker mit Konzepten und Lösungen aufwarten – auch, wenn er als Bundespolitiker nur zum Teil für die desaströse Lage verantwortlich ist.

Was hat der Bundesinnenminister vor?

Thomas de Maizière hat pünktlich zum Treffen der Innenminister der Bundesländer im Saarland in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ mehr Videoüberwachung in Einfamilienhausgegenden zur Eindämmung von Einbruchskriminalität und den Einsatz von sogenannter Wachpolizei ins Spiel gebracht. Wach- oder Hilfspolizisten verfügen über eine Kurzausbildung, besitzen nur begrenzte Befugnisse, tragen aber Uniform und zum Teil Waffen. Sie will der Minister „als Wache in besonders belasteten Vierteln“ einsetzen, sie könnten die Präsenz der Polizei erhöhen und Meldungen machen. „Ein zukunftsweisendes Modell“, befindet de Maizière.

Welche Erfahrungen gibt es mit Hilfspolizisten?

Neun von 16 Bundesländern setzen Hilfskräfte ein. Allerdings mit sehr unterschiedlichen Modellen und Befugnissen. Während sie in Sachsen Waffen tragen dürfen, werden Sie in Niedersachsen zum Beispiel ausschließlich zur Begleitung von Schwerlasttransporten eingesetzt, um die Polizei zu entlasten. Auch im rot-grün regierten Nordrhein-Westfalen gibt es ähnliche Überlegungen. Hier werden „Polizei-Verwaltungsassistenten“ für Innendienste der Polizei eingesetzt. Für Streifendienste will allerdings nur die CDU-Opposition in NRW die Wachpolizei einsetzen. Hessen hat nach Angaben von Innenminister Peter Beuth (CDU) schon seit 2000 „ganz gute Erfahrungen mit Wachpolizisten gemacht“. Mittlerweile sind 500 dieser Polizisten im Einsatz, sie werden 18 Wochen ausgebildet, bis Ende 2016 sollen weitere 100 dazu kommen. Es gebe „Bereiche, wo man mit einer etwas geringeren Ausbildung sehr erfolgreich Polizeiarbeit leisten kann“, sagte Beuth.

Wie lauft der Einsatz in Sachsen?

Sachsen hat Ende Januar mit der Ausbildung der ersten 50 Wachpolizisten begonnen. Die Wachpolizisten in Sachsen hatten sich zuvor erfolglos für den regulären Polizeidienst beworben. Sie sollen verbeamtete Kollegen der Polizeidirektionen Dresden und Leipzig bei der Bewachung von Asylbewerberheimen entlasten. Dazu werden sie mit Schlagstock und Dienstpistole ausgestattet. Sie verdienen etwa 2200 Euro brutto. Wachpolizisten dürfen die Personalien von Personen feststellen, Platzverweise aussprechen, Gegenstände beschlagnahmen und im Extremfall auch Personen in Gewahrsam nehmen. Ausgeschlossen sind Aufgaben im Bereich der Strafverfolgung, Observationen und Einsätze als verdeckte Ermittler. „Eine Chance wie keine andere“, wirbt Sachsen im Internet für die Wachpolizei, es handele sich um „verdächtig gute Jobs“. Zugleich werden die Anforderungen für eine Ausbildung formuliert. Zum Beispiel dürfen Tätowierungen im Dienst nicht sichtbar sein „und nicht gegen Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen“. Weitere Voraussetzungen: geordnete wirtschaftliche Verhältnisse, keine Vorstrafen, charakterliche und körperliche Eignung. Innenminister Markus Ulbig (CDU) nannte die Ausbildung der Wachpolizisten in Sachsen „professionell“.

Was sagen die Polizisten?

Mit heftigem Widerstand hat der Bund der Kriminalbeamten (BDK) auf die Pläne reagiert. BDK-Chef Andrè Schulz sprach von „Volksverdummung“ und warf der Politik vor, „den Preis für die Sicherheit der Bürger nicht bezahlen“ zu wollen. Dem Tagesspiegel sagte Schulz, die Tendenz, statt mehr gut ausgebildete Polizisten einzusetzen, nun Hilfspolizei auf die Straße zu schicken, sei „völlig falsch“ und ein „Zeichen von Hilflosigkeit“. Zwar könne man in ein paar Wochen ausgebildete Hilfskräfte zur Sicherung von Objekten einsetzen. Wer aber glaube, dass dadurch die Kriminalität eingedämmt werde, der suggeriere eine „Scheinsicherheit“. Mit Blick auf die seit Jahren erhobene Forderung der Polizei-Gewerkschaften, mehr Polizisten auszubilden, sprach Schulz nun von einem „Tabubruch“ durch die Politik. Indem in Zukunft vermehrt auf Hilfspolizei gesetzt werde, stünden Polizisten unter dem Druck, sich für ihre langjährige Ausbildung rechtfertigen zu müssen.

Auch in Sachsen äußerte die Gewerkschaft der Polizei heftige Kritik. „Das ist eine absolute Alibiaktion, die der Lage nicht gerecht wird“, sagte deren Landesvorsitzender Hagen Husgen. Im Gegensatz zu 2002, als es schon einmal eine Wachpolizei in Sachsen gab, sei die Situation heute viel brisanter, zitierte ihn die „Freie Presse“. Anders als bei der zweieinhalbjährigen Ausbildung im mittleren Dienst würden Wachpolizisten psychologisch völlig unzureichend auf Konfliktlagen vorbereitet.

Wie reagieren der Koalitionspartner SPD und die anderen Parteien?

Vom Regierungspartner SPD erntete der Innenminister sofort Widerspruch: Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner warnte vor einem Einsatz von „billigen Hilfssheriffs“ für die Kriminalitätsbekämpfung. Die öffentliche Sicherheit sei nicht das Feld für „Crashkurs-Ordnungshüter“. Auch andere SPD-Politiker lehnten es ab, Hilfspolizisten zur Kriminalitätsbekämpfung einzusetzen. Ähnlich äußerte sich die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke. Sie sagte: „Ich halte es für verantwortungslos, unqualifizierte Leute nach einem Schnellkurs mit Schusswaffen, Handschellen und Pfefferspray auf die Allgemeinheit loszulassen.“ Auch Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic sprach sich gegen die Pläne des Innenministers aus. „Einbruchsprävention und qualifizierte Ermittlungsarbeit jetzt durch billige und unzureichend ausgebildete Wachleute in Polizeiuniform und durch Videokameras ersetzen zu wollen, ist purer Etikettenschwindel“, sagte sie.

Wie wollen Bund und Länder gegen die Einbruchkriminalität vorgehen?

Das Thema ist nicht neu, aber die Bedrohung nimmt stetig zu. Auch die letzte Kriminalstatistik zeigte: Die Zahl der Einbruchdiebstähle nimmt rasant zu. Längst kann jeder von Einbruchserien in ganzen Stadtvierteln berichten, wo innerhalb von wenigen Tagen Wohnungen und Häuser aufgebrochen werden. Zwar bleibt es in knapp 40 Prozent der Fälle bei Versuchen. Aber die Einbruchsserien werden zunehmend zum Thema Nummer Eins, wenn es um örtliche Sicherheit geht. Konkret steigt die Zahl der Wohnungseinbrüche seit rund zehn Jahren kontinuierlich. 2015 registrierte die Polizei mit etwa 167000 Einbrüchen und Einbruchsversuchen einen Höchststand in diesem Jahrtausend. Die Aufklärungsquote liegt bei nur rund 15 Prozent.

Bereits vor zwei Jahren hatte der Innenminister beim Treffen mit seinen europäischen Kollegen über bandenartige Strukturen insbesondere in Osteuropa gesprochen, die verantwortlich gemacht werden. Die Aufklärungsquote ist gering. Das für organisierte Kriminalität zuständige Bundeskriminalamt hat sich allerdings im vergangenen Jahr erstmals mit dem Thema befasst.

Die Bundesländer wollen verstärkt zusammenarbeiten, um des Problems Herr zu werden – zumindest vier von ihnen. Das vereinbarten die Innenminister von Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen am Donnerstag am Rande der Innenministerkonferenz im saarländischen Perl-Nennig. Sie wollen vor allem Informationen besser austauschen und über Ländergrenzen hinweg fahnden. Nach Ansicht des Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, des Saarländers Klaus Bouillon (CDU), werden sich andere Länder der Vereinbarung anschließen. „Ziel ist, dass alle unterschreiben.“ Bayern und Baden-Württemberg hatten bereits 2015 einen stärkeren gemeinsamen Kampf gegen Einbrecher vereinbart. Saarlands Minister Bouillon fordert neben einer besseren Vernetzung der Länder auch eine einheitliche europäische Datenbank, um internationalen Banden das Handwerk zu legen.

Wie ist die Situation in der Hauptstadt?

Auch in Berlin braucht die Polizei dringend Unterstützung. Zurzeit sind 500 Stellen in der Hauptstadt nicht besetzt. Hilfspolizisten mit verkürzter Ausbildunbgszeit schafften hier allerdings keine Abhilfe, erklärt Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei Berlin. „Auch wenn es um Einbrüche geht, müssen voll ausgebildete Beamte ran.“ Zudem sei es noch völlig unklar, welche Rechte Hilfspolizisten hätten, wenn sie zum Beispiel mit einer gefährlichen Situation konfrontiert werden würden.

Auch die Innenverwaltung winkt ab: „Es gibt derzeit keine entsprechenden Pläne für Berlin. Unser Schwerpunkt liegt seit 2011 darauf, zusätzliche Stellen im Polizeivollzug zu schaffen“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. Eine Art Kurzausbildung für Beamte gibt es in Berlin bereits. Der Zentrale Objektschutz ist vor Botschaften und Glaubenseinrichtungen stationiert. Objektschützer bekommen eine 16-wöchige Ausbildung. Für den normalen Bürger sind sie kaum von einem Polizisten zu unterscheiden, sie tragen Uniform und Waffe. Sie leisten nach Ansicht von Gewerkschaft und Verwaltung gute Arbeit – in ihrem Einsatzgebiet. Dabei sollte es aber auch bleiben.

Der Vorschlag des Innenministers erinnert dunkel an Berlins Freiwilligen Polizeidienst (FPD), der 2002 nach mehr als 40 Jahren aufgelöst wurde. Einst als Antwort auf die Betriebskampfgruppen in Ost-Berlin gegründet nahm die Reserve mit den Jahren autoritäre und rechte Züge an. Vor einigen Jahren kam die Idee eines freiwilligen Polizeidiensts erneut auf. Die CDU, unter dem damaligen Spitzenkandidaten und jetzigen Innensenator Frank Henkel, wollte mit einer Bürger-Polizei auf brutale Überfalle auf den U-Bahnhöfen in Tiergarten und Lichtenberg reagieren.

Ein Polizist durchläuft in Berlin eine dreijährige Ausbildung, bevor er als Beamter arbeitet. Zurzeit gibt es 21.694 Polizisten in der Hauptstadt. Unter anderem die verstärkten Einsätze am RAW-Gelände in Friedrichshain und dem Görlitzer Park in Kreuzberg führen zu Engpässen.

Die Bezirksbürgermeisterin von Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne) bemängelte, dass im restlichen Bezirk kaum mehr Polizisten zu sehen sind. Ein wenig mehr unterstützen könnte man die Polizei allerdings schon, findet Jendro: Angestellte vom Zentralen Objektschutz sollten mehr Rechte bekommen. „Wenn jemand von ihnen einen Falschparker sieht, muss er einen Funkwagen rufen, damit der den Abschleppdienst holt“, erklärt Jendro. In Berlin gibt es zurzeit 1400 Objektschützer und insgesamt 2464 Stellen in vollzugsnahen Bereichen wie etwa Ordnungsdienst und Gefangenenwesen. (mit dpa)

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