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Bundesinnenminister Thomas de Maizière (r, CDU) und Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, sitzen am Montag bei einem Symposium des Bundesamts für Verfassungsschutz.
© dpa

Islamistischer Terrorismus: De Maizière will die Zusammenarbeit mit den USA vertiefen

Bei einem Symposium der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus, hat Innenminister de Maizière eine tiefere Zusammenarbeit mit den USA angekündigt und die Briten indirekt kritisiert.

Die Gefahr schweißt offenbar die höchst unterschiedlichen Gemüter zusammen. Trotz der Differenzen zwischen der Europäischen Union und US-Präsident Donald Trump hält die Bundesregierung den gemeinsamen Kampf gegen den islamistischen Terror nicht für beeinträchtigt. Beim Thema Sicherheit werde sich die Zusammenarbeit mit den Amerikanern „immer weiter vertiefen, nicht umgekehrt“, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Montag in Berlin. Die transatlantische Zusammenarbeit bleibe
„für unser Land von überragender Bedeutung.“

Der Minister äußerte sich bei einem Symposium des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) zur Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus – auf den Tag genau eine Woche nach dem Anschlag in Manchester. Auf makabre Weise war der Zeitpunkt für eine Bestandsaufnahme beim Thema Terror hochaktuell.

De Maizière monierte allerdings indirekt die Kritik der britischen Sicherheitsbehörden an den Nachrichtendiensten der Vereinigten Staaten. „Beim Thema Durchstechen von Informationen haben wir keinen Belehrungsbedarf von Europa gegenüber den USA“, betonte der Minister. Nach dem Anschlag in Manchester hatten die Briten den Amerikanern vorgeworfen, den Namen des Attentäters, Salman Abedi, sowie sensible Details über den Tatort an Medien weitergegeben zu haben. De Maizière äußerte sich aber auch gegenüber Großbritannien versöhnlich.

Neue Rechtsgrundlagen sollen ausgehandelt werden

Der Brexit ändere nichts an „weitgehend identischen Interessen im Sicherheitsbereich“, sagte der Minister. „Hier trennt uns wenig, hier verbindet uns viel.“ Bei seinem Besuch in London im April sei er sich mit seinen Gesprächspartnern einig gewesen, „der Brexit muss für die Sicherheitskooperation möglichst folgenlos bleiben.“ De Maizière kündigte allerdings an, es würden neue Rechtsgrundlagen ausgehandelt.

Der Minister lobte, vier Monate vor der Bundestagswahl, die von der Bundesregierung erreichten Fortschritte in der Sicherheitspolitik, benannte aber auch offene Baustellen. Die Präventionsarbeit gegen Extremismus müsse „zunehmend digital erfolgen“. Junge Menschen würden zwar meist im direkten Kontakt mit anderen Menschen radikalisiert, „aber Verstärkung und Beschleunigung der Radikalisierung erfolgt oft im Internet“. Deshalb müsse „digitale Sozialarbeit“ besser werden. De Maizière warb dafür, im Netz „Counter-Narratives“ zu verbreiten, also eine aufklärende Gegenpropaganda zur Hetze von Dschihadisten und anderen Extremisten.

Eine weiteres Anliegen des Ministers, das bereits Wirbel verursacht hat, trug beim Symposium der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, in mahnendem Ton vor. „Wir müssen diskutieren, inwieweit der Verfassungsschutz in Bundeszuständigkeit übernommen werden kann“, sagte Maaßen. Er habe zwar kein fertiges Konzept, aber „wir sind das einzige Land der Welt mit 17 Inlandsgeheimdiensten und keiner zentralen Steuerung“. Aus Sicht von Maaßen befindet sich der Verbund der Verfassungsschutzbehörden organisatorisch noch im Stadium der 1950er Jahre.

„Verfassungspolitische Grenzen“

Nicht jeder im Publikum, in dem Nachrichtendienstler aus mehreren Bundesländern saßen, wollte sich Maaßens Sichtweise zu eigen machen. In einem föderalistisch strukturierten Staat gebe es auch für das Bundesamt „verfassungspolitische Grenzen“, sagte ein Sicherheitsexperte. Unstrittig war hingegen die Analyse von Maaßen zum Ausmaß der Bedrohung durch den islamistischen Terror.

Deutschland sei 2016 „in der Priorität des IS aufgestiegen, sagte der Präsident des BfV. Er verwies auf die Serie von Anschlägen in der Bundesrepublik. Im Februar 2016 stach die damals 15-jährige IS-Anhängerin Safia S. in Hannover mit einem Küchenmesser einem Bundespolizisten in den Hals. Im April attackierten 16-jährige Salafisten in Essen mit einem Sprengsatz einen Sikh-Tempel. Drei Menschen erlitten Verletzungen. Im Juli griff der Flüchtling Riaz Khan Ahmadzai in Würzburg mit einer Axt mehrere Menschen an, fünf wurden verletzt. Sechs Tage später sprengte sich in Ansbach der Asylbewerber Mohammed Daleel mit einer Rucksackbombe in die Luft – 15 verletzte Passanten. Dann folgte im Dezember mit der Todesfahrt von Anis Amri in Berlin der schwerste islamistische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Zwölf Menschen starben, 56 wurden verletzt. Bei allen Attacken war der IS beteiligt.

Das gilt auch für die meisten Anschläge in der Terrorserie, die im Januar 2015 begann und mehrere EU-Staaten getroffen hat. Maaßen sprach von 24 Angriffen. Der erste war die Attacke eines Al-Qaida-Kommandos auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ in Paris, vermutlich nur der vorerst letzte Anschlag war der in Manchester. Außerdem wurden mehrere Anschläge verhindert. „Die Gefahr durch den IS und Al Qaida wird auf dem hohen Niveau bleiben oder sogar zunehmen“, warnte Maaßen.

Innenminister de Maizière sagte auch, wie er sich an Tagen wie den vor einer Woche fühlt, als in Manchester der Selbstmordattentäter Salman Abedi 22 meist junge Menschen mit in den Tod riss. „Ich werde mich niemals an diese Tage gewöhnen, an verwackelte Handyaufnahmen, die man im Internet und in den Nachrichten sehen kann, an Videos, auf denen Menschen in Angst und Panik zu sehen.“ Und schon gar, sagte de Maizière, werde er sich gewöhnen an den Missbrauch dieser Bilder im Internet für die Propaganda der Terroristen.

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