Festnahmen in Schleswig-Holstein: De Maizière: IS-Verdächtige mit Bezug zu Paris-Attentätern
Die Bundesanwaltschaft verdächtigt drei Syrer, im Auftrag des IS nach Deutschland gekommen zu sein. Die Männer wurden bei einem Großeinsatz der Polizei in Schleswig-Holstein festgenommen.
Die Sicherheitsbehörden haben offenbar einen weiteren Versuch der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) vereitelt, in Deutschland Anschläge zu verüben. Mehr als 200 Polizeibeamte, darunter auch die Spezialeinheit GSG 9, nahmen Dienstagmorgen in Schleswig-Holstein drei Syrer fest. Außerdem wurden in dem Bundesland sowie in Niedersachsen Wohnräume durchsucht und zahlreiche Materialien beschlagnahmt, darunter mehrere Handys. Das Verfahren führt die Bundesanwaltschaft.
Innenminister Thomas de Maiziere sagte auf einer Pressekonferenz, das BKA habe Hinweise, dass die drei Festgenommenen "Bezüge zu den Paris-Attentätern" im Jahre 2015 hatten. Es könnte sich um eine „Schläferzelle“ handeln. Die Reisedokumente seien in derselben Werkstatt gefertigt wie die der Attentäter von Paris. Zudem seien sie mithilfe derselben Schlepperbande nach Deutschland gekommen.
Die Männer hätten bereits seit längeren Zeit unter Überwachung gestanden und daher sei von ihnen "keine Gefahr ausgegangen". Man habe nur auf den richtigen Moment für die Festnahme gewartet. Der Polizeieinsatz fand demnach in Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge statt. Die Sicherheitsbehörden wollten mit den Festnahmen möglichen Anschlägen vorbeugen, die von den drei Männern hätten ausgehen können. Auch, wenn sie als vermeintliche Flüchtlinge nach Deutschland gekommen waren, sei dies kein Grund, Asylsuchende unter Generalverdacht zu stellen, sagte der Minister.
Die Männer wurden noch am Dienstag nach Karlsruhe gebracht. Einer der Beschuldigten wurde bereits einem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt. Die anderen beiden sollen am Mittwoch gehört werden.
Die Beschuldigten Mahir Al-H. (17 Jahre alt), Mohamed A. (26) und Ibrahim M. (18) seien dringend verdächtig, im November 2015 nach Deutschland gekommen zu sein, um einen Auftrag des IS zu erfüllen oder sich zumindest für weitere Instruktionen bereit zu halten, hatte die Bundesanwaltschaft mitgeteilt. „Wir wollten nicht länger warten“, sagte ein Sprecher der Behörde dem Tagesspiegel, „die ersten Erkenntnisse hatten sich bestätigt“.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft gemeldet, die drei Männer hätten sich im syrischen Rakka, der „Hauptstadt“ des IS, gegenüber einem Funktionär der Terrormiliz verpflichtet, nach Europa zu reisen und dort auf Anweisungen zu warten. Zumindest Mahir Al-H. sei im Umgang mit Waffen und Sprengstoff ausgebildet worden, sagte der Sprecher der Bundesanwaltschaft.
Die Syrer seien dann als vermeintliche Flüchtlinge über die Türkei, Griechenland und die Balkanroute nach Deutschland gekommen. Der IS habe ihnen für die Reise Pässe, mehrere tausend US-Dollar in bar sowie Handys mit vorinstalliertem Kommunikationsprogramm mitgegeben. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt hätten die drei Männer „engmaschig“ überwacht, sagte der Sprecher der Bundesanwaltschaft. Konkrete Pläne für einen Anschlag seien bislang allerdings nicht zu erkennen.
BKA-Präsident Holger Münch hatte Anfang September im Interview des Tagesspiegels von mehr als 400 Hinweisen auf Flüchtlinge mit möglicherweise terroristischem Hintergrund gesprochen. Viele Hinweise hätten sich allerdings als nicht zutreffend herausgestellt. Es gebe aber auch „konkrete Verdachtslagen“.
Das BKA und die Polizeien der Länder führten derzeit mehr als 60 Verfahren. Eines davon ist offenkundig das gegen die drei Syrer in Schleswig-Holstein. Münch nannte es in dem Interview nicht, vermutlich um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Der BKA-Präsident betonte in dem Interview, seine Behörde investiere bei der Prüfung der Hinweise „viel Zeit und viele Ermittler, um genau feststellen zu können, ob es sich um Personen handelt, die möglicherweise als Flüchtlinge getarnt nach Deutschland eingereist sind“. Und ob eine Tat geplant sei. Das BKA habe aber „aktuell keinen Beleg, dass ein Anschlag vorbereitet wird“.
Der IS hatte bekanntlich Terroristen als vermeintliche Flüchtlinge nach Frankreich geschickt, wo diese am 13. November 2015 in Paris eine ganze Serie von Anschlägen verübten. 130 Menschen wurden getötet, 352 erlitten Verletzungen. In Deutschland hatte der IS zudem die Attentäter von Würzburg und Ansbach instruiert. Beide Männer waren allerdings vermutlich ohne Auftrag der Terrormiliz in die Bundesrepublik gekommen und hatten sich erst von hier aus dem IS angedient. (mit dpa)