Frankreich und Großbritannien: David Cameron will Gesetze gegen Flüchtlinge verschärfen
Bei einem neuen Ansturm von Migranten in Frankreichs Hafenstadt Calais haben mehr als 100 Flüchtlinge versucht, durch den Eurotunnel nach Großbritannien zu gelangen. David Cameron will jetzt Gesetze verschärfen.
Großbritannien will angesichts der chaotischen Lage in Calais härter gegen illegal eingewanderte Migranten vorgehen. Man werde sie ausweisen, „damit Leute wissen, dass dies kein sicherer Hafen ist“, sagte Premierminister David Cameron am Donnerstag in Vietnam. Schon jetzt würden Gesetze verabschiedet, die das Bleiben erschwerten. Es müsse aber noch mehr geschehen. In der Nacht zum Donnerstag hatten erneut Flüchtlinge versucht, durch den Tunnel unter dem Ärmelkanal von Frankreich nach Großbritannien zu gelangen. Wie die französische Nachrichtenagentur AFP berichtete, hätten sie mit den Sicherheitskräften Katz und Maus gespielt. Die Flüchtlinge hätten für etwa eine Stunde eine Ausfahrt für Personenwagen blockiert. Die Nutzer mussten einen anderen Weg nehmen. Die Flüchtlinge versuchen, auf wartende Lastwagen oder direkt auf die Züge zu klettern, die durch den Tunnel fahren. Nach Angaben des Tunnelbetreibers Eurotunnel sind dabei in den vergangenen Wochen neun Menschen ums Leben gekommen.
Der Migrantenansturm an den Terminals des Eurotunnels in der französischen Hafenstadt Calais wächst sich in Großbritannien zu einer schweren Krise aus. In London tagte am Mittwoch das Kriegskabinett, das eigentlich bei Krieg und Terroranschlägen zusammentritt, nachdem bei einem weiteren Ansturm von rund 1500 Migranten auf den Tunnel ein Migrant ums Leben kam. Am Mittwoch wurde ein Sudanese nach französischen Polizeiangaben von einem Lastwagen überfahren. Nach Angaben französischer Medien ist er bereits der neunte Flüchtling, der seit Anfang Juni bei dem Versuch zu Tode kam, durch den Tunnel nach Großbritannien zu gelangen.
Mehr als 5000 Migranten leben in Zeltlagern bei Calais
Mehr als 5000 Flüchtlinge sollen inzwischen in Zeltlagern bei Calais leben – die meisten von ihnen aus Eritrea, Äthiopien, Afghanistan und dem Sudan. Sie haben nur ein Ziel: Den Sprung über den Kanal nach Großbritannien. Am Mittwoch schafften es offenbar wieder Dutzende. Bis zu 150 Flüchtlinge seien in Folkestone angekommen, meldete der Chef der rechtspopulistischen Ukip-Partei Nigel Farage. Er fordert den Einsatz der britischen Armee zur Sicherung der Hafen- und Tunnelanlagen in Calais.
In den vergangenen Jahren hatten die Flüchtlinge vor allem versucht, auf Lastwagen zu gelangen, die den Ärmelkanal an Bord von Fähren überqueren. Nachdem der Hafen von Calais zuletzt aber massiv gesichert wurde – unter anderem mit Stacheldraht – versuchen immer mehr Flüchtlinge, zum nahegelegenen Eurotunnel zu gelangen. Das Gelände um den Tunneleingang, das unter anderem einen Frachtterminal umfasst, hat eine Fläche von 650 Hektar und ist auf einer Länge von 28 Kilometern umzäumt. Die Sicherung ist daher aufwendig. Auf der französischen Seite des Kanaltunnels hat der Betreiber Eurotunnel in diesem Jahr 37.000 Fluchtversuche gezählt, wie das Unternehmen mitteilte.
Die Grenze müsse notfalls geschlossen werden, fordern britische Rechtspopulisten
Wenn Frankreich die Situation nicht in den Griff bekomme, müsse die Grenze in Calais vorübergehend geschlossen werden, sagte Ukip-Sprecher Steven Woolfe. Die wirtschaftlichen Folgen wären enorm. Da die Situation immer wieder auch durch Streiks und Blockaden französischer Fährarbeiter erschwert wird, ohne dass die französische Polizei eingreift, werfen britische Boulevardzeitungen Frankreich vor, ihrer Verpflichtung, den Grenzverkehr offen zu halten, nicht nachzukommen. Britische Regierungspolitiker dagegen versprechen Frankreich Geld und Hilfe. „Es hat keinen Sinn, mit dem Finger zu zeigen“, beschwichtigte Premier David Cameron, der sich auf einer Asienreise zu der Krise äußerte, die er „besorgniserregend“ nannte. Innenministerin Theresa May versprach nach Gesprächen mit ihrem französischem Kollegen Bernard Cazeneuve weitere sieben Millionen Pfund für Zäune und Sicherheitsmaßnahmen in Calais.
Frankreich sagte zu, die Sicherheitskräfte zu verstärken
Frankreich und Großbritannien wollen die Sicherheitsmaßnahmen vor Ort verschärfen. Cazeneuve kündigte am Mittwoch die Entsendung von zusätzlichen 120 Polizisten in die Hafenstadt Calais an, in deren Nähe der Tunnel beginnt. Gemeinsam will man Migranten aus Westafrika in ihre Heimatländer zurückschicken. „Nur so können wir den schrecklichen kriminellen Banden, den Menschenschmugglern, die aus dem Elend so vieler Menschen Profit schlagen wollen, das Handwerk legen“, so May. Wie die Rückführung funktionieren soll, blieb unklar. Bernard Cazeneuve rief die Betreibergesellschaft Eurotunnel auf, "ihrer Verantwortung" bei den Sicherheitsvorkehrungen gerecht zu werden. Er hatte dem Unternehmen zuvor Versäumnisse vorgeworfen, was Eurotunnel entschieden zurückwies. Theresa May sagte in London, für ihre Regierung sei es "vorrangig", die Sicherheitsmaßnahmen auf der französischen Seite des Tunnels zu verstärken. "Wir wollen sichergehen, dass niemand versucht, den Tunnel zu durchqueren", sagte sie nach einer Dringlichkeitssitzung der Regierung zu der Flüchtlingskrise. Chaos herrscht auch in Großbritannien: Wegen der regelmäßigen Unterbrechungen des Kanalverkehrs per Fähre und Tunnel ist die Autobahn M20 von London nach Dover auf einer Länge von über 30 Meilen fast dauerhaft in einen Lastwagenparkplatz verwandelt worden. „Operation Stack“ zwingt den Personenverkehr zu den Kanalterminals auf die Landstraße. Urlaubern drohen auf der britischen Insel stundenlange Wartezeiten (mit Reuters, AFP).