Debatte über Abzug der Bundeswehr aus der Türkei: „Das spielt Erdogan in die Hände“
Ankara verwehrt Abgeordneten des Bundestags einen Besuch bei deutschen Soldaten auf dem Nato-Stützpunkt Konya. Union und SPD reagieren darauf sehr unterschiedlich.
In der Koalition herrscht Uneinigkeit darüber, wie Deutschland auf die Absage der Türkei an deutsche Bundestagsabgeordnete reagieren soll, die am Montag Bundeswehrsoldaten auf dem Nato-Stützpunkt im türkischen Konya besuchen wollten. Ankara hatte das Auswärtige Amt um eine Verschiebung der Reise gebeten, ohne jedoch einen neuen Termin zu nennen. Der stellvertretende Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, der SPD-Politiker Johannes Kahrs, sagte dem Tagesspiegel, er erwarte ein „deutliches Signal der Nato an die Türkei“. Sollte Ankara bei dem Verbot bleiben, gebe es für die Bundeswehr nur eine Option: „Den sofortigen Abzug“.
Unionspolitiker nannten Abzugsforderungen hingegen „kurzsichtig und gefährlich“. „Sie spielen Präsident (Recep Tayyip) Erdogans Eskalationstaktik genau in die Hände“, erklärten der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, und der verteidigungspolitische Sprecher Henning Otte in einer Pressemitteilung.
Das Besuchsverbot erging, nachdem die Bundesregierung Präsident Erdogan kurz vor dem G-20-Gipfel in Hamburg einen Auftritt vor Landsleuten in Deutschland untersagt hatte. In den vergangenen Monaten hatten Berlin und Ankara bereits über Parlamentarierbesuche auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik gestritten. Von dort aus flogen bisher sechs deutsche Aufklärungstornados und ein Luftbetankungsflugzeug Einsätze über Syrien. Sie unterstützen die internationale Koalition im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Nach wiederholten Einreiseverboten für Bundestagsabgeordnete entschied die Bundesregierung im Juni, die Bundeswehrmaschinen samt Personal nach Jordanien zu verlegen.
Die Nato will vermitteln
In Konya sind Awacs-Aufklärungsflugzeuge der Nato stationiert, die sich ebenfalls am Einsatz gegen den IS beteiligen. Zu den Besatzungen gehören 10 bis 15 deutsche Soldaten. Die Unionspolitiker Hardt und Otte argumentieren, die Beteiligung am Awacs-Einsatz der Nato sei „sichtbare Bündnistreue“ und ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung des IS. Wenn deutsche Soldaten aus den Awacs-Aufklärungsmaschinen aussteigen müssten, würden sich Russlands Präsident Wladimir Putin und sein syrischer Kollege Baschar al Assad „vor Begeisterung die Hände reiben“.
Die Nato will nun zwischen Deutschland und der Türkei vermitteln. Ein Einlenken Erdogans ist aber unwahrscheinlich, zumal die Auseinandersetzung in die innenpolitisch aufgeheizte Stimmung in der Türkei zum Jahrestag des Militärputsches fällt. Am Samstagabend wollte der Staatspräsident in Istanbul ein Denkmal für die 249 Opfer des Putschversuchs einweihen und dort auch eine Rede halten.