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Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) schreitet in Hamburg an der Bundeswehr-Hochschule beim Beförderungsappell die Front ab.
© picture alliance / dpa

Nato-Verteidigungsausgaben: Das Spiel mit den Milliarden für die Bundeswehr

Die Bundeswehretat steigt wie nie zuvor seit dem Kalten Krieg. Aber die Opposition fühlt sich getäuscht.

Piloten verlieren ihre Lizenzen, weil sie nicht genug Trainingsstunden absolvieren können. Die 41 Puma-Panzer für die neue Nato-Sondereinsatzgruppe müssen erst noch für hohe Millionensummen technisch nachgerüstet werden. Und im U-Boot-Geschwader in Eckernförde war zwischenzeitlich keines der sechs Schiffe einsatzbereit. Insgesamt waren das beim sogenannten „Großgerät“ 2018 ohnehin nur etwa 70 Prozent – Ausfälle durch Wartungs- und Modernisierungsarbeiten noch nicht einmal eingerechnet. Kurz: Bei der Bundeswehr fehlt es an allen Ecken und Enden. Vor allem am Geld.

Nun hat Deutschland im Vorfeld des Nato-Verteidigungsministertreffens Ende Juni den größten Anstieg der Verteidigungsausgaben seit dem Kalten Krieg gemeldet: Über fünf Milliarden Euro mehr als 2018 sollen dieses Jahr die für das Bündnis relevanten Ausgaben betragen. Die 47,32 Milliarden Euro entsprechen dann einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 1,35 Prozent statt wie bisher 1,23 Prozent. 2020 soll die Summe auf 49,67 Milliarden steigen. 1,5 Prozent sollen es bis 2014 werden.

Donald Trump dürfte der jüngste Rekord auf dem Weg dahin trotzdem nicht reichen. Der US-Präsident keilt stets gegen die seiner Meinung nach zu niedrigen deutschen Ausgaben. Wenn sich die Partner nicht an das Zwei-Prozent-Ziel hielten, wetterte er schon, würden die USA die Nato verlassen. Trump beruft sich auf die Einigung beim Nato-Gipfel in Wales 2014. Demnach sollen die Verteidigungsausgaben der Mitgliedsländer „in Richtung“ von zwei Prozent steigen. Bisher schaffen dies nur vier der 29 Nato-Mitglieder – die USA, Großbritannien, Griechenland und Estland.

Die neue Steigerung der deutschen Ausgaben in absoluten Zahlen hängt indes auch mit der guten Konjunktur zusammen. Steigt das BIP, wachsen die Verteidigungsausgaben. Sollte die Wirtschaft aber schrumpfen – etwa weil es durch die Strafzölle von US-Präsident Donald Trump zu einem Handelskrieg kommt –, könnte die deutsche Nato-Quote zunächst kurzfristig sogar noch stärker steigen. Das wirkt widersprüchlich. Grund ist aber, dass die knapp 50 Milliarden Euro ja bereits für 2020 eingeplant sind.

"Ein mehr als peinlicher Taschenspielertrick"

Sollte die Wirtschaft dann länger kriseln, müsste wieder umso stärker beim Militär gespart werden – und die Quote würde deutlicher sinken. Das Verhältnis zum BIP ist also starken Schwankungen unterworfen.
Das zusätzliche Geld im Wehretat von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) soll auch nicht nur in neue Waffen fließen. Projekte zur militärischen Unterstützung von Partnerstaaten etwa in Afrika können ebenfalls angerechnet werden. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte, zu den an die Nato gemeldeten Ausgaben gehöre auch Geld aus anderen Haushaltstöpfen. „Es gibt Anteile, wo Deutschland sich engagiert zur Vernichtung von Streumunition, oder es gibt Kosten, die anfallen für den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte auf deutschem Boden.“

Harsche Kritik an den neuen Zahlen kam von der Opposition im Bundestag. „So etwas nennt man Augenwischerei. Der Versuch ist erlaubt, aber ein mehr als peinlicher Taschenspielertrick“, sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, dem Tagesspiegel. Die Zahlen entsprächen nur dem Eckwertebeschluss für das Jahr 2020. Danach drohten sie zu sinken. „Dieses durchsichtige Manöver kurz vor dem Treffen der Nato-Mitglieder ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Die Ministerin sollte die Bündnispartner nicht für dumm verkaufen.“

Täuschende "Effekthascherei"

Grünen-Politiker Tobias Lindner beklagte eine „Effekthascherei“. Der Wehrexperte sagte dem Tagesspiegel: „Sie täuscht darüber hinweg, dass die Ministerin der Nato eine mittelfristige Finanzplanung versprochen hat, die sie nicht einhält. Sie konnte sich in der Bundesregierung nicht durchsetzen und das für ihr Versprechen notwendig Geld für die Bundeswehr sichern, was man deutlich an der mittelfristig sinkenden Finanzlinie des Verteidigungsetats erkennt.“

Kritiker halten die Quote allein ohnehin für falsch. Es müsse auch darauf geachtet werden, wofür das Geld überhaupt ausgegeben wird. So warnt der Honorarprofessor für Sicherheits- und Militärökonomie an der Universität der Bundeswehr in München, Jürgen Schnell, in einem aktuellen Papier, dass wichtige und dringend erforderliche Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr womöglich bald nicht realisierbar wären. Der frühere General schreibt: „Dies hätte auch erhebliche negative Folgen für die angestrebte verstärkte europäische Rüstungskooperation und die Verbesserung der militärischen Fähigkeiten der EU.“

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