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Wann kommt die Maut?
© dpa

Pkw-Maut und Brüssel: Das Spiel geht in die nächste Runde

Die EU-Kommission will gegen die deutsche Pkw-Maut vorgehen. Wie geht es nun weiter? Was macht der Bundespräsident? Könnte die Sache am Ende für deutsche Autofahrer teurer werden?

Sie kommt, sie kommt nicht - das Spielchen mit der deutschen Pkw-Maut wird also noch ein Weilchen weitergehen. Denn jetzt ist die EU an der Reihe. Was dem Bundesverkehrsminister nicht gefällt, weshalb er die ganze politische Dreifaltigkeit der Bundesrepublik in Anspruch nimmt, um die Ungeheuerlichkeit des Brüsseler Prüfungsbegehrens anzudeuten: „Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat“ hätten sein Gesetzeswerk zur Infrastrukturabgabe – eher bekannt als Pkw-Maut – beschlossen, und es sei mit EU-Recht vereinbar. Kann es also daran Zweifel geben? Nicht für Alexander Dobrindt und die CSU. Schließlich hat man in juristischen Stellungnahmen Bestätigung gefunden. Freilich sitzen die zur Letztbegutachtung berufenen Instanzen nicht in Berlin oder München, sondern in Brüssel und in Straßburg. Und mit der Äußerung von EU-Kommissionschef Jean- Claude Juncker in der „Süddeutschen Zeitung“, dass in Brüssel „erhebliche Zweifel“ an der deutschen Maut-Version bestehen, müssen Dobrindt und seine Partei wieder zittern. Es wird ein Vertragsverletzungsverfahren geben, noch in diesem Sommer, wie EU-Kommissar Günter Oettinger sagte.

Allerdings fehlt dafür noch die Unterschrift des Bundespräsidenten. Das EU-Verfahren kann erst beginnen, wenn Joachim Gauck das Gesetz unterzeichnet hat und es im Bundesgesetzblatt steht. Ob Gauck sich wirklich Zeit lässt mit der Prüfung des Gesetzes (das gehört zu seinen Aufgaben), ist aber unsicher. Das von Bundestag und Bundesrat beschlossene Gesetz liegt dem Präsidialamt nach Auskunft seiner Sprecherin erst seit dem 12. Mai vor, und einige Wochen für die Prüfung sind durchaus üblich. Dass Grünen-Chefin Simone Peter nun aber den Präsidenten auffordert, das Gesetz zu stoppen wegen der Europarechtsbedenken in Brüssel, ist natürlich deutlich zu kurz gesprungen. Nicht nur käme dann die EU-Prüfung gar nicht, weil das Gesetz ja nicht in Kraft tritt, und zweitens war Junckers Ankündigung des Vertragsverletzungsverfahrens für Gauck eine Einladung, nun zügig zu unterschreiben, damit die berufenen Stellen ihr Werk tun können - ohne dass der deutsche Präsident seine möglichen Bedenken groß dokumentieren müsste.

Brüsseler Warnung ignoriert?

Juncker betont, die rechtlichen Bedenken in der Kommission seien seit November bekannt. Will heißen: Dobrindt und die Dreifaltigkeit haben sie monatelang ignoriert. Die Maut sei nur konform mit europäischem Recht, wenn sie „das fundamentale Vertragsprinzip der Nicht-Diskriminierung respektiert“, sagt Juncker. Da die Maut in Deutschland ab Ende 2016 faktisch nur von Ausländern gezahlt wird, weil deutsche Autofahrer via Kfz-Steuerrabatt entlastet werden, könnte sich eine solche Diskriminierung ergeben. Juncker will das, „wenn nötig“, vor dem Europäischen Gerichtshof klären lassen. Das CSU-Prestigeprojekt – es begann bekanntlich als Wahlkampfschlager namens „Ausländermaut“ – ist damit gefährdet. Kein Wunder, dass CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer schäumt: „Absolut haltlos“ werde da spekuliert. „Das ständige Einmischen in nationale Gesetzgebungskompetenzen seitens der EU schadet Europa. Die Bürger nervt das Überall-einmisch-Europa“, sagt er. Dobrindt forderte detailliertere Auskünfte aus Brüssel, Pauschalkritik sei nicht akzeptabel. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland nicht möglich sein solle, während fast überall in Europa Mautgebühren bereits Realität seien.

EU hat nichts gegen Nutzerfinanzierung

Das aber ist gar nicht das Problem. Brüssel hat nichts gegen eine deutsche Maut, die Kommission wirbt sogar für eine stärkere Nutzerfinanzierung im Straßenverkehr, zumal sie hier ein neues Objekt für eine europaweite Angleichung entdeckt hat. Dobrindt ist mit seiner Vignettenlösung sogar recht nahe an den Brüsseler Vorstellungen, gäbe es diese Verrechnung nicht, die ihren Grund im Koalitionsbeschluss hat, dass deutsche Autofahrer durch die Maut steuerlich nicht höher belastet werden dürften. Allerdings ist die deutsche Maut keine echte Nutzerfinanzierung, weil sie nicht nach tatsächlicher Nutzung erhoben wird, sondern analog zur Kfz-Steuer nach der Fahrzeugart. Sie ist für deutsche Kfz-Eigner eine Pflichtabgabe, gilt auf Autobahnen und Bundesstraßen und wird per Jahresgebühr erhoben. Ausländer sollen vorerst nur für die Autobahnnutzung zahlen und können auch Kurzzeitvignetten erwerben.

Grüne und Linke sehen nun einen Verdacht bestätigt, den sie schon länger hegen: dass die CSU und letztlich auch CDU und SPD ein EU-Veto nutzen werden, um deutsche Autofahrer doch höher zu belasten, indem die Verrechnung mit der Kfz-Steuer gekippt wird – auf Druck aus Brüssel, wie es dann heißen würde. „Das haben wir bei der Lkw-Maut doch alles schon erlebt“, sagte die Grünen-Verkehrspolitikerin Valerie Wilms. Der Linken-Abgeordnete Herbert Behrens unterstellt der Koalition das Kalkül, dass die Verrechnung nicht erlaubt wird und am Ende die Belastung höher ausfällt: „Allen wird recht sein, dass man den Schwarzen Peter dann nach Brüssel weiterreichen kann.“ Dazu sagte Dobrindt der "Bild"-Zeitung: "Meine Garantie gilt: Für Pkw-Halter in Deutschland wird es keine Mehrbelastungen geben." Die Garantie gilt natürlich nur so lange, wie Dobrindt am Kabinettstisch sitzt. Und nach einem Erfolg der Klage der EU-Kommission säße er dort nicht mehr. Ein Ausweg wäre, die Kfz-Steuer einfach zu streichen und nur noch die Infrastrukturabgabe zu erheben. Dann ginge Dobrindt allerdings in die deutsche Verkehrsgeschichte ein als der Minister, der mit großem Aufwand eine relativ einfache Besteuerungsvariante durch eine vergleichsweise komplizierte Abgabenlösung ersetzt hat. Außer viel Spesen wäre wenig gewesen, denn ob die 500 Millionen Euro Zusatzeinnahmen, die Dobrindt von Ausländern erwartet, sich wirklich einstellen werden, ist umstritten.

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