Bilanz: Das Rote Kreuz sucht 100000 Vermisste
Die Anzahl der Vermissten war seit über zehn Jahren nicht mehr so hoch. Bei der Suche werden verstärkt digitale Techniken eingesetzt.
Weltweit sucht das Rote Kreuz nach fast 100000 Vermissten, so viele wie zuletzt vor zehn Jahren. Unter ihnen sind 20000 Kinder. Die Suchanfragen-Bilanz stellte das Rote Kreuz am Dienstag anlässlich des Internationalen Tages der Vermissten vor. Die Suchdienstarbeit des Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und 191Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschafen hilft Menschen, die durch Krieg, Katastrophen oder Flucht von ihren Angehörigen getrennt wurden. „Die Unwissenheit darüber, was passiert ist, verursacht größtes Leid“, sagte Martin Schüepp vom IKRK.
Fast 3000 Suchanfragen im vergangenen Jahr
2017 erreichten das DRK 2744 Suchanfragen und im ersten Halbjahr dieses Jahres 1159 Anfragen, bei denen entweder der Gesuchte in Deutschland vermutet wird oder der Suchende hier lebt. Hauptherkunftsländer sind Afghanistan, Syrien, Somalia und Eritrea. In etwa der Hälfte der Fälle konnte der Suchdienst Auskunft erteilen. Weltweit wurden 2017 mehr als 320000 Familiennachrichten empfangen oder zugestellt und fast 800000 Telefonate zwischen Angehörigen vermittelt. Auch Kontakt zu Inhaftierten kann das Rote Kreuz so herstellen.
Digitale Techniken werden verstärkt eingesetzt
Die Leiterin der DRK-Suchdienstes, Dorota Dziwoki, sagte zu den Schwierigkeiten der Suche: „Allein zum Vornamen Mohammed gibt es mehr als 70 verschiedene Schreibweisen.“ Neben unterschiedlichen Transkriptionen von Namen sei erschwerend, dass in vielen Herkunftsländern Geburtsdatum- und ort sowie der Nachname von Frauen nicht erfasst würden. Aus diesem Grund gebe es neue Suchmethoden, wie die onlinebasierte Suche mit Fotos, „Trace the Face“. Suchende können ein Foto von sich in eine weltweit einsehbare Datenbank einstellen. Falls ein Angehöriger den Suchenden erkennt, kann er sich per Mausklick bei dem zuständigen Roten Kreuz melden, welches dann den Kontakt koordiniert. Zukünftig soll durch eine Gesichtserkennungssoftware die Trefferquote erhöht werden. Zudem gibt es eine nicht öffentliche Datenbank, in der Namen und Namensbestandteile mit Algorithmen abgeglichen werden. „Gebe es Facebook nicht, hätten wir wahrscheinlich die dreifache Anzahl an Anfragen“, sagte Dziwoki.
Suche nach Vermissten des 2. Weltkriegs läuft noch
Das DRK versucht auch weiterhin, die Schicksale von Vermissten des Zweiten Weltkriegs zu klären. 4747 Anfragen gingen hierzu im ersten Halbjahr ein. „Mit zunehmenden Alter finden die Menschen die Ruhe, um das, was sie in der Vergangenheit belastet hat, aufzuarbeiten“, sagte DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt. Erst vor Kurzem hätte ein Geschwisterpaar, das bei der Vertreibung aus Ostpreußen getrennt worden sei, zusammengeführt werden können. Der Zugang zu Archiven der Sowjetunion, der nach dem Ende des Kalten Krieges möglich geworden sei, erleichtere die Suche. 1,3 Millionen Anfragen sind jedoch noch immer unbeantwortet.
Rebecca Stegmann