Sebastian Turner: „Das muss die Piratenpartei in den Griff bekommen“
Sebastian Turner, Ex-Vorstandschef der Werbeagentur Scholz & Friends, über seine Bewerbung als Stuttgarter Oberbürgermeisterkandidat für CDU und Piraten – und deren Nazi-Debatte.
Herr Turner, Sie wollen Oberbürgermeister in Stuttgart werden, und das sowohl als Kandidat der CDU als auch der Piratenpartei. Warum?
Es gibt drei inhaltliche Kernpunkte, die ich mit den Piraten teile: Das sind Freiheit, Technikoffenheit und Bürgerbeteiligung. Diese Punkte sind für mich auch Grundlage für Gespräche mit den Piraten, die ich am Sonntag führen werde.
Wie soll denn eine Zusammenarbeit mit den Piraten aussehen?
Es soll ganz konkret und pragmatisch darum gehen, wie man Bürgerbeteiligung und Transparenz verbessern kann. Im Mittelpunkt stehen die kommunalpolitischen Fragen. Und ähnlich wie die Grünen in Frankfurt am Main seit Jahren konstruktiv mit der CDU zusammenarbeiten, obwohl es bundespolitische Differenzen gibt, könnte das in Stuttgart auch zwischen der CDU und den Piraten der Fall sein. Man muss das Verbindende in den Mittelpunkt stellen und nicht das Trennende.
Was trennt Sie denn von den Piraten?
Beim Thema Urheberrecht würden wir sicher nicht so ohne Weiteres zusammenkommen. Eine völlige Abschaffung des Urheberrechts halte ich nicht für richtig, und das wäre auch für Stuttgart katastrophal. Aber diese Position vertreten auch nicht alle in der Partei. Der Vorteil einer so jungen Partei ist ja auch, dass sie in vielen Punkten noch gar keine allgemeingültigen Positionen hat, das ermöglicht Flexibilität.
Das birgt aber auch Gefahren, wie die Nazi-Debatte in der Piratenpartei zeigt. Irritiert Sie das?
Auf jeden Fall. Ich finde das unmöglich, und sollte es auch bei den Stuttgarter Piraten solche rechtsextremen Tendenzen geben, und sie würden nicht sofort abgestellt, wäre die Zusammenarbeit für mich umgehend beendet. Da kann es kein Pardon geben. Dieses Problem müssen die Piraten in den Griff bekommen. Aber man muss natürlich sehen, dass viele Parteien zu Beginn ihrer Entwicklung solche Probleme hatten. Im Moment würde ich aber nicht sagen, dass diese Fälle etwas Grundsätzliches über die politische Richtung der Piratenpartei aussagen.
Haben Sie überhaupt schon eine Rückmeldung von den Piraten, dass diese die Zusammenarbeit mit Ihnen wollen?
Ich hatte schon einige gute Gespräche, und man muss sagen, dass die Parteispitze in Stuttgart aus interessanten und aufgeschlossenen Köpfen besteht. Ich möchte die Möglichkeiten der Digitalisierung auch für Stuttgart nutzen – im Alltagsleben. Und das bezieht sich vor allem auf den Punkt Bürgerbeteiligung. Denn bisher ist das mit hohen Kosten verbunden – sowohl finanziellen als auch Ressourcenkosten wie Zeit und Aufmerksamkeit. Durch die digitale Entwicklung gibt es ganz neue Formen der Beteiligung. Und von den Piraten verspreche ich mir wichtige und sinnvolle Impulse, wie man das konkret in Stuttgart umsetzen kann.
Und wie hat die CDU auf Ihre Piraten-Offerte reagiert?
Positiv, positiver als ich es erwartet hätte. Natürlich fragen sich viele, wie das konkret aussehen soll, aber wenn man es den CDU-Mitgliedern erklärt, dann stimmen sie zu. Für die Stuttgarter CDU kommt hinzu, dass sie lange nicht als dialogfähig gegolten hat. Aber jetzt zeigen sie durch ihren OB-Kandidaten das Gegenteil.
Sind die Piraten für Sie eine konservative Partei?
Das ist fast eine Frage für ein semantisches Proseminar. Bei der Piratenpartei ist das offen. Da sind zu einem großen Teil Leute engagiert, die politisch sehr interessiert, aber in der Tiefe der politischen Themen noch nicht angekommen sind. Ihnen fehlt oft die Detailkenntnis. Aber sie haben ein ganz wichtiges Gefühl, das, wie man ja derzeit in den Umfragen sieht, auch von vielen Menschen geteilt wird, nämlich: Da stimmt in der Politik irgendetwas nicht. Das war bei den Grünen am Anfang ganz genauso. Und nicht nur die CDU, sondern auch alle anderen Parteien wären gut beraten, einige Ideen, Techniken und Vorstellungen der Piraten sich zu eigen zu machen. Ich will das Potenzial der Piraten für Stuttgart nutzen.
Das Gespräch führte Christian Tretbar
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