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Seh ich dich nicht, siehst du mich nicht! Georg Nüßlein (CSU) hat mit seinen Maskendeal den Lobbyismus wieder in die Schlagzeilen gebracht.
© imago images/Future Image

Schluss mit der Mauschelei?: Das Lobbyregister macht zu viele Ausnahmen

Sag mir wer, sag mir wann, sag mir wie? Transparenz ist für eine Demokratie elementar. Das aktuelle Gesetz der Koalition scheut aber das Licht. Ein Gastbeitrag.

Hartmut Bäumer ist Vorsitzender von Transparency International Deutschland

Vor gut zwei Jahren löste der „Fall Amthor“ auch in den Regierungsfraktionen eine erste Diskussion über ein gesetzliches Lobbyregister aus, das bis dahin immer nur aus Reihen der Opposition gefordert wurde. Besonders in den Unionsfraktionen erlosch der Elan aber auch 2019 bald wieder. Die Maskenaffäre hat sie nun aber veranlasst, das Thema doch in dieser Legislaturperiode schnell noch mal anzupacken.

Worum geht es dabei genau – und warum ist ein wirksames Lobbyregister ein wichtiger Baustein zur Festigung des Vertrauens in die demokratische Ordnung des Landes?

Dies sei vorausgeschickt: Lobbyismus oder organisierte Interessenvertretung ist in hochdifferenzierten Gesellschaften ein notwendiger Bestandteil einer vielseitigen Debatte, um unterschiedliche Sichtweisen und Interessen in den politischen Gestaltungsprozess einzubringen.

Weder Abgeordnete noch die Ministerialbürokratie haben bei komplizierten Regelungsmaterien alle Detailkenntnisse und brauchen darum häufig sachlich- fachlichen Input von außen.

Das Problem liegt also nicht beim Lobbyismus als solchem, sondern bei der Frage nach der Transparenz der jeweiligen Interessenvertretungen. Es muss klar sein, wer sich wie und wann für oder gegen bestimmte Regelungen stark gemacht hat.

Klingt wie ein bürokratisches Detail, ist aber elementar

Unterbleibt das dauerhaft und kommt Einflussnahme stattdessen in Form von „Affären“ und „Skandalen“ ans Licht, unterminiert das die Glaubwürdigkeit der gesamten politischen Kaste. Nicht nur aus diesem Grunde ist es überfällig, für effektive Transparenz beim Lobbyismus zu sorgen.

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Der derzeit in den Koalitionsfraktionen erörterte Gesetzentwurf, über den an diesem Donnerstag im Bundestag abgestimmt werden soll, löst diesen Anspruch – trotz intensiver Lobbyarbeit auch von Transparency Deutschland – leider nur in Ansätzen ein. Wer sich ein wenig im politischen Alltagsgeschäft auskennt, weiß, dass Lobbyisten oft genug früher über den Inhalt von Referentenentwürfen Bescheid wissen als selbst die Abgeordneten von Regierungsfraktionen.

Ich habe in meinen beruflichen Stationen im öffentlichen Dienst unter anderem als Amtschef eines Ministeriums sowie als Geschäftsführer einer Beratungsfirma erlebt, wie Gesetze entstehen, und wer, wann Einfluss nimmt – und daher weiß ich: Die meisten Gesetze werden nicht im Bundestag, sondern in den Ministerien erarbeitet, und zwar zunächst als Referentenentwürfe in den Fachreferaten. Deshalb setzt dort die fachlich orientierte Interessenvertretung ein.

Anmerkung am Rande: Diese Einflussnahme sollte man ganz grundsätzlich vom rein profitorientierten „Türöffner-Lobbyismus“, vor allem ehemaliger Politiker und – bisher auch – amtierender Abgeordneter, unterscheiden, der „von oben“ über die Entscheidungsträger seine Interessen durchsetzen will.

Im aktuellen Gesetzentwurf werden die Bundesministerien positiverweise teilweise mit in den Geltungsbereich eines Lobbyregistergesetzes einbezogen, allerdings nur bis auf die Ebene der Unterabteilungsleitungen. Aber Entscheidendes geschieht bereits in den Ebenen darunter.

Der "exekutive Fußabdruck" muss sichtbar werden

Die Einschränkung auf Unterabteilungsleitungen, die zunächst wie eine bürokratische Bagatelle wirkt, wird also wirkliche Transparenz über Lobbyeinflüsse verhindern. Das entwertet den Entwurf.

Alle Welt weiß heute, dass besonders im Gesundheitsministerium (aber nicht nur dort) „Abgesandte“ von Lobbyverbänden saßen und in den Fachreferaten Gesetzentwürfe schrieben oder daran mitarbeiteten. Auch wenn dies heute hoffentlich so nicht mehr stattfindet, wird aber deutlich, warum gerade auf dieser Ebene Transparenz nötig ist und bleibt. Dabei darf es allerdings nicht nur um die Frage gehen, ob Lobbyisten dort aktiv sind. Es geht auch um das Wie.

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Bisher fehlt im Gesetzentwurf für alle Ebenen eine Dokumentationspflicht für die konkreten Lobbyaktivitäten, den sogenannten exekutiven Fußabdruck. Nur wenn man am Ende des Gesetzgebungs- oder sonstigen Regelungsprozesses nachvollziehen kann, wo genau von wem wie Einfluss genommen wurde, kann von effektiver Transparenz gesprochen werden. Nur dann kann die Gesellschaft sich ein Bild machen, welche Argumente berücksichtigt wurden und welche nicht.

Dies ist aus Sicht der Allianz für Lobbytransparenz, einem Zusammenschluss höchst unterschiedlicher Verbände und NGOs (darunter Transparency Deutschland, der Verband der chemischen Industrie, Verbraucherzentrale Bundesverband, Bund der Deutschen Industrie, Naturschutzbund Deutschland, die Familienunternehmer und World Wildlife Fonds) zwingende Voraussetzung, damit das Gesetz die gewünschte Transparenz herstellen kann.

Nur dann würde dem Vorwurf der „Mauschelei in Hinterzimmern“ der Wind aus den Segeln genommen, und es würden zudem auch zweifelhafte Aktivitäten wie bei der Maskenaffäre dem hohen Risiko der Ent- und Aufdeckung ausgesetzt und damit tendenziell ausgeschlossen.

Zwar wird inzwischen in den Regierungsfraktionen der unter anderem von Transparency und den Oppositionsfraktionen seit langem geforderte Ausschluss von Lobbytätigkeiten durch Abgeordnete diskutiert und auch die Offenlegung aller Nebeneinkünfte. Das ist ein richtiger Weg. Die Sichtbarmachung des „exekutiven Fußabdrucks“ für alle Lobbyisten macht der aber keineswegs obsolet.

An dem aktuellen Gesetzentwurf der Koalition ist weiter zu beanstanden, dass er zu viele Ausnahmen für Lobbygruppen wie Gewerkschaften, Kirchen, kommunale Spitzenverbände bis zu Rechtsanwaltskanzleien enthält, zumal gerade über letztere manch dubiose Beratung gelaufen ist. Insgesamt kommt der Gesetzentwurf also nicht nur viel zu spät, er ist in seiner jetzigen Form auch ein zu kleiner Schritt, um in der Realität für die notwendige Transparenz bei der Interessenvertretung zu sorgen. Er ist bestenfalls ein Weg aus dem Dunkel ins Dämmerlicht.

Hartmut Bäumer

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