Suche nach einem neuen Bundespräsidenten: Das Kermani-Experiment
SPD, Linke und Grüne erwägen einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten. Wäre der Autor Navid Kermani die Idealbesetzung? Unser Blendle-Tipp.
Sein größter Moment ist gekommen, als sich die Würdenträger und Gäste auf sein Wort hin von den Stuhlreihen der Frankfurter Paulskirche erheben und schweigend tun, wozu er sie angehalten hat – zu beten oder einfach nur zu wünschen, dass ein in Syrien von IS-Kämpfern entführter Pater freikommen und sich die Lage der Christen von Qaryatein insgesamt bessern möge. Er selbst hebt die Hände zum islamischen Gebetsritus. So stehen die Versammelten da. Wortlos, in einer Geste vereint, einem „Bild der Brüderlichkeit“, wie Navid Kermani zuvor in seiner Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels gesagt hat.
Tags darauf werden Beobachter in den Zeitungen von einem „Moment höchster Ergriffenheit“ schwärmen, von einem „Beispiel gelebter menschlicher Solidarität“ und Kermani loben für seinen Mut. Die Stimmen, die seine Gebetsbitte einen „Übergriff“ nennen, bleiben in der Minderheit.
Der Friedenspreisträger hat an jenem Festtag im Mai 2015 allerdings auch gute Gründe, aus der Rede ins Gebet zu springen. Er, der Muslim, legt diese Gründe in seiner knapp einstündigen Rede ausführlich dar. Sie laufen auf die Forderung hinaus, dass der „islamische Faschismus“ in Form des IS bekämpft werden müsse, „womöglich militärisch, ja, aber vor allem sehr viel entschlossener als bisher“. Da sich dieser sanfte Kriegsappell jedoch nicht ziemt für einen Friedenspreisträger, wie er selbst zugibt, enden Kermanis Ausführungen, wo Sanftmut oder Unentschiedenheit immer enden – bei der Hoffnung. Deshalb das Gebet.
Ob der 48-Jährige deshalb jetzt ins Spiel gebracht worden ist für höhere Aufgaben? Jedenfalls wünschen sich Navid Kermani einige ernsthaft als Kandidaten für die Gauck-Nachfolge im Schloss Bellevue oder denken zumindest darüber nach, wie sie den mit Preisen überhäuften Orientalisten, Muslim, politischen Denker, Romanautor und Fan des 1. FC Köln ins Amt des Bundespräsidenten heben könnten.
Es ist eine verwegene Idee.
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