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41 Staaten haben unterzeichnet - Wolfgang Schäuble war zufrieden.
© dpa

Internationales Abkommen gegen Steuerhinterziehung: Das geöffnete Geheimnis

Gemäß dem von 41 Staaten unterzeichneten Abkommen gegen Steuerhinterziehung werden bald Kontendaten automatisch ausgetauscht. Damit kippt das Bankgeheimnis international. Was steckt hinter der Vereinbarung?

Da hat er wohl etwas übertrieben, der Bundesfinanzminister, als er das Ende des Bankgeheimnisses „in seiner alten Form“ verkündete. Denn es gilt weiterhin, ob bei uns oder in der Schweiz, eben nach den jeweiligen Gesetzen. Nur im internationalen Geldverkehr kippt es jetzt, teilweise, schrittweise. Ob es endgültig fallen wird, ist unklar. Denn das Abkommen über den Informationsaustausch in Steuerfragen haben am Mittwoch in Berlin zunächst 41 Staaten (siehe Kasten) unterzeichnet, nicht wenige große Länder fehlen. Gastgeber Wolfgang Schäuble sieht in der Vereinbarung dennoch einen „wichtigen Schritt“ im Kampf gegen Steuerhinterziehung und lud andere Staaten ein, dem Informationsaustausch beizutreten.

Worum geht es in dem Abkommen?

Mit dem Abkommen akzeptieren die Unterzeichnerstaaten die von der OECD (der Organisation der Industriestaaten und Schwellenländer) ausgearbeiteten Standards für den Informationsaustausch von Kontendaten zum Zwecke der Steuererhebung. Demnach werden in jedem Land ab Januar 2016 alle Daten von Konten gesammelt, die von Ausländern bei Banken und anderen Finanzinstituten halten. Erstmals im September 2017 werden diese automatisch und in vollem Umfang an die Steuerbehörden der jeweiligen Heimatländer übermittelt. Dann wissen die in jedem Einzelfall (idealerweise über die Steuernummer), welche Einkünfte aus Dividenden, Zinsen oder Verkaufserlösen angefallen sind und können prüfen, ob sie ordnungsgemäß versteuert wurden. Wegen des Datenschutzes sollen die Informationen verschlüsselt fließen. Unter den Austausch ab 2017 fallen alle Konten, die nach dem 1. Januar 2016 angelegt wurden, und Altkonten ab einem bestimmten Wert („high value“). Konten mit niedrigeren Vermögen müssen erst ab 2018 gemeldet werden. Mit dem Abkommen geht aber keine Steuerharmonisierung einher, auch die vielfältigen Möglichkeiten der Steuersenkung oder Steuervermeidung vor allem für international agierende Unternehmen, die in vielen Staaten angeboten werden, sind nicht davon berührt.Es geht vor allem um ein Ende der Steuerflucht von Privatpersonen. Die können sich auch nicht mehr so leicht hinter anonymen Stiftungen oder Trusts verstecken, denn diese fallen, zum großen Teil jedenfalls, ebenfalls unter das Abkommen.

Weshalb gilt das Abkommen als „Meilenstein“?

Weil es eine unappetitliche Praxis zwischen den Staaten zu beenden hilft. Jahrzehntelang konnten Steuerfahnder, und keineswegs nur die deutschen, nicht sicher sein, ob ihre Hilfeersuchen in Hinterziehungsverfahren jenseits der Grenzen erfolgreich sein würden. Hinter solchen Anfragen muss ein Verdacht stehen, und der muss gut begründet sein - was ohne Kenntnis der Auslandskonten bisweilen schwierig ist. So wurden die Fragen nach Kontennummern und Daten oft abgewiesen. In der Schweiz etwa mit dem Verweis auf das eidgenössische Bankgeheimnis, das in Basel, Zürich oder Genf das große Werbeargument war, nicht nur versteuertes Geld bei UBS, Credit Suisse oder Julius Bär anzulegen, sondern auch Schwarzgeld, das dann dort für beide Seiten gewinnbringend arbeiten durfte – zu Lasten des deutschen Fiskus und damit des Rests der Steuerzahlergemeinschaft. Diese Form der Abschottung wird nun beendet, auch in der Schweiz und anderen ehemaligen Adressen für reiche und weniger reiche Steuerhinterzieher.

Geöffnetes Geheimnis, Teil 2

Gibt es weiterhin Schlupflöcher?

Offenbar ist das Abkommen nicht ganz lückenlos. Der grüne Europa-Abgeordnete und Globalisierungskritiker Sven Giegold etwa nennt zwei Probleme: Beteiligungen an Firmen unter 25 Prozent oder 250000 US-Dollar müssen nicht publik gemacht werden. Dennoch nennt Giegold das Abkommen eine wichtige „Weichenstellung“ in die richtige Richtung. Das kritische „Tax Justice Network“ bemängelt, dass die meisten Entwicklungsländer fehlten, lobt aber den Ansatz des Abkommens.

Wer ist dabei - und wer nicht?

Zu den Erstunterzeichnern gehören 27 EU-Staaten, nur Österreich wird erst ab 2018 dabei sein. Der Finanzplatz Luxemburg macht dagegen mit. Allerdings haben die EU-Staaten unter sich schon einen Austausch vereinbart. Als wichtiger Schritt gilt, dass Großbritannien mit seinen Kronkolonien Jersey, Guernsey und Man und Überseeterritorien wie Bermuda oder Cayman Islands dabei ist, die samt und sonders als Steueroasen fungierten. Zu denen gehörte bisher auch Liechtenstein, das am Mittwoch unterzeichnet hat. Zudem sind Norwegen, Korea, Argentinien, Indien, Südafrika und Mexiko beigetreten, auch die Färöer-Inseln, Island, die Seychellen, Barbados, Curacao und Mauritius. Auf der Liste fehlen die USA und die Schweiz. Die Amerikaner haben mittlerweile viele bilaterale Austauschabkommen geschlossen und damit ihr eigenes "System" etabliert, das aber Rücksicht auf die steuerlichen Besonderheiten einiger US-Bundesstaaten nimmt (Delaware etwa ist ein Dorado für Briefkastenfirmen). Die Schweiz verhandelt noch. Beide Staaten unterstützen allerdings die Standards des Abkommens. Von den großen Schwellenländern fehlen Russland, China und Brasilien. Sie gehören aber auch zu den 64 Staaten, die sich grundsätzlich mit den OECD-Regeln einverstanden erklären.

Wie kam es zu dem Abkommen?

Die Antwort lautet wohl: Panik in den Finanzministerien der entwickelten Länder. Die globale Finanzkrise und ihre Hauptfolge, die horrend gestiegene Staatsverschuldung, hat dazu geführt, dass Einnahmequellen gesucht wurden, die man bis dato eher vernachlässigt hatte. Die besonders gebeutelten USA waren ganz vorn dabei. Amerikanische Steuerflüchtlinge sollten das fette Minus in der Staatsbilanz ausgleichen helfen. Und so handelte Washington seit 2010, seit der Verabschiedung des Fatca-Gesetzes („Foreign Account Tax Compliance Act“, der Auslöser des gesamten Prozesses) Dutzende von bilateralen Abkommen aus, die einen Datenaustausch vorsehen. Die USA drohten damit, im Weigerungsfall Finanzinstitute aus solchen Staaten in den USA mit einer pauschalen Strafsteuer von 30 Prozent auf alle Vermögenstransfers zu belasten. Als erstes Land unterschrieb Großbritannien im Jahr 2012, die Schweiz und Deutschland folgten 2013. Allerdings wird im Bundesfinanzministerium vermerkt, dass die Gegenseitigkeit noch nicht „eins zu eins“ funktioniere. In der Folge der Fatca-Offensive der USA vereinbarten dann Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien einen wechselseitigen Austausch unter sich, der auf die weiteren EU-Staaten und im Rahmen der OECD ausgedehnt wurde. Mit dem Abkommen vom Mittwoch wird der Prozess sozusagen teilglobalisiert. Im „Globalen Forum für Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke“ sind mittlerweile 123 Staaten und „Jurisdiktionen“ Mitglied, so dass die Hoffnung besteht, dass am Ende in der Tat ein weltweiter Informationsaustausch stehen könnte.

Was folgt daraus in Deutschland?

Wie viel Geld das Abkommen dem deutschen Fiskus bringen wird, ist unklar. Ein Teil der Schwarzgeldeinkünfte im Ausland dürfte jedenfalls durch die stark gestiegene Zahl der Selbstanzeigen der letzten Jahre schon „gehoben“ sein. Doch mit Mehreinnahmen rechnet das Finanzministerium in jedem Fall: Immerhin sollen in den Steuerfluchtländern Vermögen in mehrfacher Billionenhöhe liegen, und zweifellos gehört ein Teil davon Deutschen. Ob nun auch eine automatische Kontendatenweitergabe im Inland zum Thema wird, ist unklar. Zunächst könnte sich steuerpolitisch etwas bewegen. Die SPD fordert schon länger, die unter Bundesfinanzminister Peer Steinbrück eingeführte Abgeltungsteuer in Höhe von 25 Prozent wieder abzuschaffen. Dann müssten Vermögenseinkommen wieder mit dem persönlichen Steuersatz versteuert werden, und der ist bei Reichen in aller Regel weit höher und kann deutlich über 40 Prozent liegen. Die Union ist allerdings noch skeptisch. Das Abkommen könnte aber die in vielen Ländern übliche pauschale Quellenbesteuerung von Vermögenseinkommen (und darunter fällt die Abgeltungsteuer) auch international in die Diskussion bringen.

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