Ramadan in der Coronavirus-Pandemie: Das Fastenbrechen muss ausfallen
Am Freitag beginnt der islamische Fastenmonat Ramadan. Die Corona-Krise stellt die Gläubigen vor Probleme. Moscheen sind geschlossen, Festessen gibt es nicht.
Nach einem langen Tag des Fastens bei Sonnenuntergang mit der Großfamilie und Freunden gemeinsam beim Abendessen sitzen – das ist für viele Muslime das Wichtigste am heiligen Monat Ramadan. Doch in diesem Jahr wird der islamische Fastenmonat, der an diesem Freitag beginnt, ganz anders sein als sonst.
Die traditionellen Festmähler wird es in vielen Ländern wegen der Corona-Pandemie nicht geben, Moscheen an den heiligsten Stätten des Islam sind geschlossen. Mancherorts dürfen die Gläubigen das Fasten in diesem Jahr sogar ganz ausfallen lassen. Die knapp zwei Milliarden Muslime – rund ein Viertel der Weltbevölkerung – stehen vor einem ungewöhnlichen Fastenmonat.
Das Fasten im Ramadan ist neben dem Glaubensbekenntnis, der Wallfahrt nach Mekka, den fünf täglichen Gebeten und der Almosengabe eine der fünf Säulen des Islam. Schon in normalen Zeiten bringen der Verzicht auf Nahrung und Wasser von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang und das allabendliche Schlemmen gesundheitliche Risiken mit sich. In diesem Jahr wird der Ramadan von der Furcht vor einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus beherrscht.
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Führende Geistliche in Ägypten und Saudi-Arabien betonten zwar, das Fastengebot gelte auch in der Pandemie. Doch sie wiesen auch auf die Ausnahmeregeln für Kranke hin, die von dem Gebot befreit sind. Auch Ärzte, die wegen des Fastens eine Schwächung ihres Immunsystems befürchten, könnten sich als befreit betrachten, erklärte der Rat für Fatwas – islamische Rechtsgutachten – in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE).
In der Islamischen Republik Iran könnte das Fasten für manche Bürger ebenfalls ausfallen. Der schiitische Gottesstaat ist das vom Virus am schlimmsten betroffene Land des Nahen Ostens. Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei, in politischen wie religiösen Fragen der mächtigste Mann im Iran, verkündete angesichts der Gefahr in einer Fatwa, das Fasten im Ramadan sei unter bestimmten Voraussetzungen verzichtbar. Es könne dann ausfallen, wenn der Ausbruch oder die Verschlimmerung einer Krankheit drohe, erklärte Khamenei. Auch Ajatollah Ali Sistani, das religiöse Oberhaupt der Schiiten im Irak, erteilte den Gläubigen die Erlaubnis, in diesem Jahr das Fasten auszulassen.
Auch soziale Einschränkungen prägen den Ramadan 2020. Das tägliche Fastenbrechen mit anderen Gläubigen – ob als Zusammenkunft im Familienkreis, als politisches oder gesellschaftliches Ereignis beim Luxusmenü im Fünfsterne-Hotel oder als Massenspeisung auf Plastiktellern – ist im Ramadan eigentlich unverzichtbar.
Doch wie beim christlichen Osterfest erzwingt die Pandemie auch bei den Muslimen ein Umdenken. Der Rat der Hohen Gelehrten, die höchste religiöse Instanz in Saudi-Arabien, schärfte den Gläubigen in aller Welt ein, wegen der Gefahr einer weiteren Ausbreitung des Virus sei das Abstandhalten wichtiger als das Zusammensein. Das Leben anderer Menschen zu schützen, sei ein gottgefälliger Akt, betonten die Gelehrten in der Heimat der heiligsten islamischen Städte, Mekka und Medina.
Auch viele der großen Armenspeisungen werden abgesagt
Das öffentliche Fastenbrechen wird nicht nur in Saudi-Arabien ausfallen. In den VAE wurden die Gläubigen davor gewarnt, durch Massenversammlungen das Leben von Menschen zu gefährden. Weil in mehreren Ländern Ausgangssperren gelten, müssen viele der großen Armenspeisungen abgesagt werden, bei denen in normalerweise im Ramadan hunderttausende arme Menschen von Wohltätern, Stiftungen oder Behörden allabendlich mit einer warmen Mahlzeit zum Fastenbrechen versorgt werden. Diesmal sollen die Bedürftigen in einigen Ländern stattdessen Essenspakete in ihren Wohnungen erhalten. Allein in den VAE sollen zehn Millionen Mahlzeiten verteilt werden.
Bereits in den vergangenen Wochen hatten die saudischen Behörden zudem zehntausende Mekka-Besucher nach Hause geschickt. Sie prüfen auch eine Absage der Pilgerfahrt Hadsch im Juli. Wegen der Einstellung der internationalen Flugverbindungen können ausländische Besucher ohnehin nicht in den Moscheen von Mekka und Medina beten. Die Gotteshäuser in den beiden Städten dürfen im Ramadan nur von ausgewählten Geistlichen betreten werden. Auch die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem, nach Mekka und Medina die drittheiligste Stätte des Islam, wird im Ramadan geschlossen bleiben.
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In Indonesien, dem bevölkerungsreichsten Land der islamischen Welt, verbot die Regierung die traditionellen Verwandtenbesuche zum Ramadan, bei denen in normalen Jahren Millionen von Menschen im Land unterwegs sind. Die Behörden in der Hauptstadt Jakarta verlängerten bestehende Einschränkungen des sozialen Lebens bis zum Ende des Fastenmonats. Die Polizei erhält damit das Recht, im Ramadan alle Versammlungen von mehr als fünf Menschen aufzulösen.
In einigen Ländern ist der Druck islamischer Gruppen auf die Behörden jedoch stärker als die Furcht vor der Pandemie. In Pakistan wurden Versammlungsverbote in den Moscheen vor Beginn des Ramadan aufgehoben. Die Regierung beugte sich damit Forderungen vieler Imame und setzte sich über Warnungen der Ärztekammer hinweg: Die Mediziner befürchten eine sprunghafte Ausbreitung des Virus wegen der Massenversammlungen in den Gotteshäusern.