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Protest gegen Donald Trump in New York
© AFP/Kena Betancur

Wahlsieg von Donald Trump: Das Dilemma der guten Verlierer

Selten war es so schwierig, ein guter Verlierer zu sein. Es gilt, die Entscheidungen der Wähler anzuerkennen und sich ihnen zu stellen. Auf Trump-Anhänger zu schimpfen, bringt nicht viel.

Es ist immer verdammt schwierig, ein guter Verlierer zu sein. Aber nie war es so schwierig wie jetzt - und nie war es so wichtig wie jetzt.

Am Tag nach dem Desaster ist nichts so verlockend wie die Weltverachtung des tragisch gefallenen Helden, verbunden mit einer verbalen Totalvernichtung des Siegers. Worte schließlich können wir - wir, die progressiven Globalisten, die Guten, Wissenden, Schönen. Was haben wir sie nicht alles genannt, die Wähler von Donald Trump und der AfD, die Brexiteers und Hofer-Anhänger: "Deplorables", "Pack", "Angry Old Men". Lustvoll verbreiten wir den jüngsten Hashtag: "whitelash", ein Begriff des CNN-Kommentators Van Jones. Gemeint ist ein aus Abstiegsangst und rassistischen Ressentiments gespeister Rachefeldzug der weißen Mehrheit gegen die multi-ethnische Gesellschaft. Weiße Suprematisten! Wenn es doch so einfach wäre.

Wollen die europäischen Liberalen und Progressiven das nächste Jahr überleben, müssen sie jetzt damit anfangen, klare Kante mit einer deutlich differenzierteren Sichtweise auf den politischen Gegner zu verbinden. Sie müssen gute Verlierer sein.

Nicht alle Trump-Wähler (und nicht alle AfD-Wähler und nicht alle Brexiteers) sind unterbelichtete Rassisten. Ja, es waren weiße Amerikaner, die Trump an die Macht gebracht haben. Aber ihre Motive sind ziemlich bunt, das lassen Nachwahlbefragungen vermuten. Viele Trump-Wähler hoffen auf ein Wirtschaftswunder. Viele hoffen auf ein Ende der Blockade Washingtons. Viele Amerikaner mit überdurchschnittlichem Einkommen haben ihn gewählt, weil sie glauben, so ihren Wohlstand zu verteidigen. Viele Frauen haben ihn gewählt, weil sie Hillary Clinton ablehnen. Christen und Abtreibungsgegner haben ihn gewählt. Und auch viele gemäßigte und libertäre Republikaner, die eine schlanken Staat wollen. Für viele war Obama-Care ausschlaggebend - ein System, das selbst aus europäischer Perspektive sehr ruckelig gestartet ist. Sogar viele männliche Hispanics haben ihn gewählt, vielleicht ebenfalls in der Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung. Es ist deprimierend, dass Sexismus und Rassismus für viele dieser Wähler kein Ausschlusskriterium darstellen. Aber das macht sie nicht alle zu Sexisten oder Rassisten.

Gute Verlierer respektieren ihre Gegner

Zweitens ist es falsch, die Wahlentscheidungen von Millionen von Amerikanern als manipuliert darzustellen, als reines Produkt von Filter-Bubble-Gehirnwäsche und populistischer Trickserei. Natürlich gibt es das, die gezielte Desinformation, das Züchten informationeller Paralleluniversen, das große populistische Versprechen der Einfachheit. Doch die Trump-Wähler pauschal als Verführte zu delegitimieren, ihnen generell die demokratische Zurechnungsfähigkeit abzusprechen, heißt letztlich, sich auf Trumps Level herabzulassen - und die Legitimität der Wahl in Frage zu stellen. Es gilt vielmehr, die Entscheidungen der Wähler von Populisten als legitime Wahlentscheidungen anzuerkennen, und sich inhaltlich mit den Positionen dieser Wähler auseinanderzusetzen. Gute Verlierer respektieren ihre Gegner.

"Nicht mein Präsident" steht auf einem Schild dieses Demonstranten in Los Angeles, Kalifornien. Gemeint ist Donald Trump.
"Nicht mein Präsident" steht auf einem Schild dieses Demonstranten in Los Angeles, Kalifornien. Gemeint ist Donald Trump.
© dpa

Doch nie war es gleichzeitig so schwierig, ein guter Verlierer zu sein. Denn so wichtig es ist, dass Progressive und Liberale ihre moralische Hybris aufgeben, so wichtig ist es auch, auf moralische Grenzen in der politischen Auseinandersetzung zu bestehen. Jubelnd wird jetzt vielerorts das Ende des Zeitalters der "political correctness" ausgerufen. Gemeint ist damit oft eine Re-Legitimation von Diskriminierung.

Das Progressive und Liberale ihre eigenen Vorurteile ablegen müssen, heißt nicht, dass sie die Vorurteile anderer anerkennen müssen. Das wir mehr reden und zuhören müssen, heißt nicht, dass alles sagbar sein muss. Auch weiterhin gilt: Nicht jede ins Homophobe/Islmophobe/Misogyne/Rassistische umgeschlagene narzisstische Kränkung verdient es, an unser großes demokratisches Herz gedrückt und getätschelt zu werden.

Klare Kante und Offenheit gleichzeitig - diesen Spagat müssen wir erlernen. Vorgemacht wie es gehen kann, hat es Angela Merkel. Sie hat Donald Trump eine "enge Zusammenarbeit" angeboten, auf der Basis von Demokratie, Freiheit und dem Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen.

Am Ende sind gute Verlierer die besseren Gewinner.

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