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Nach wie vor gilt in deutschen Haushalten: Vater arbeitet, Mutter kümmert sich um den Nachwuchs. Elterngeld und Ehegattensplitting befördern das.
© dpa

Mütter im Berufsleben: Das bisherige Rollenmodell bleibt etabliert

Heute sind zwar mehr Mütter als früher berufstätig, dafür arbeiten aber deutlich weniger in Vollzeit. Das hat der jüngste Mikrozensus des Statistischen Bundesamts ergeben. Was bedeutet das?

Die Antwort lautet: Kommt ganz darauf an, was man erwartet. Wenn es etwa darum geht, eine ausgewogene Teilhabe von Frauen und Männern am Berufs- und Familienleben zu erreichen, sind die Zahlen nicht sehr ermutigend.

Zwar ist der Anteil der insgesamt erwerbstätigen Frauen von 1991 bis 2009 gestiegen, bei der Teilzeit in den vergangenen zwölf Jahren sogar um 20 Prozent. Trotzdem kann man die Analysten des Statistischen Bundesamtes so verstehen, dass in Deutschland das bisherige Rollenmodell etabliert bleibt: Vater arbeitet, Mutter ist zu Hause oder arbeitet in Teilzeit. Diese Aufteilung ist noch immer das mit Abstand häufigste Modell in diesem Land. Im Vergleich zu 1996 sind heute bei Ehepartnern und in Lebensgemeinschaften Frauen viel seltener, minus 20 Prozent, in Vollzeit tätig.

Die Politik und manche Familienforscher konzentrieren sich deshalb gerne auf die Zahl der erwerbstätigen Mütter in Teilzeit, die 2009 auf ein Rekordniveau gestiegen ist. In den neuen Bundesländern hat sich die Zahl der in Teilzeit arbeitenden Mütter sogar verdoppelt. Trotzdem ist fraglich, ob die Interpretation einer gelungenen Familienpolitik hier angebracht ist. Kritisch heißt es in der Auswertung des Statistischen Bundesamtes: „Eine hohe Erwerbstätigenquote beider Geschlechter steht nicht allein für eine ausgeglichene Integration in den Arbeitsmarkt.“

Die größte Gruppe dieser Frauen, die in Teilzeit – oder Vollzeit – arbeitet, ist die der alleinerziehenden Mütter, danach folgen Mütter ab dem 55. Lebensjahr. Innerhalb der Teilzeitbeschäftigung steigen zudem atypische Beschäftigungsverhältnisse an: geringfügig Beschäftigte, Zeitarbeitsverhältnisse. Immer öfter wird die Frau aufgrund der ökonomischen Lage zum Arbeiten gezwungen, beispielsweise weil der Mann arbeitslos wird. Arbeitsmarktforscher kommen in Studien zu dem Schluss: „In Bezug auf die Modernisierung der Geschlechterverhältnisse sind die Arbeitszeiten von Müttern und Vätern ernüchternd. Eine Umverteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern deutet sich bisher nicht an.“

Was die Politik zur Zementierung der Geschlechterrollen beigetragen hat, lesen Sie auf Seite 2.

In den alten Bundesländern schränkt die große Mehrheit der Mütter ihre Berufstätigkeit wegen „familiärer Verpflichtungen“ ein, in Ostdeutschland ist dieser Anteil geringer. Die Einstellung im Westen Deutschlands hat sich in den letzten zehn Jahren kaum verändert. Die Forscher heben allerdings hervor, dass für diese Frauen eine Teilzeitbeschäftigung keine Notlösung darstelle, sondern „sie entspricht ... den Wünschen von Müttern mit kleineren Kindern“.

An dieser Stelle setzen gerne die Argumente derer an, die sich für ein Betreuungsgeld stark machen. Familien, die ihren ab 2013 geltenden Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz nicht in Anspruch nehmen und den Nachwuchs zu Hause erziehen wollen, sollen nach dem schwarz-gelben Koalitionsvertrag monatlich 150 Euro bekommen. Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) verlangte am Dienstag in der „Bild“: „Wir brauchen eine Politik, die Kindern die Familie zurückgibt.“ Derzeit sei es das oberste Ziel, „dass jeder der Erwerbstätigkeit außer Haus nachgeht. Andere Wege werden total abgewertet.“ In der Wirtschaft und in arbeitgebernahen Publikationen wird die Integration der Frau in den Arbeitsmarkt und die Forderung nach mehr Kitaplätzen tatsächlich häufig rein ökonomisch begründet – beispielsweise als „War of Talents“. Der umstrittene frühere Bischof Walter Mixa hatte einst gefordert, Deutschland brauche „eine familiengerechte Politik und nicht eine arbeitsgerechte Familienpolitik“.

Forscher wiederum sehen eher ein Problem in der „widersprüchlichen Politik“. Der Soziologe Stefan Reuyß sagt, dass der Wunsch vieler Frauen, zu Hause bleiben zu wollen, vor allem „auf mangelnder Wahlfreiheit“ beruhe. Er kritisiert, dass die Politik mit dem Elterngeld einerseits ein sinnvolles familien- und arbeitsmarktpolitisches Instrument geschaffen habe, das Frauen die Möglichkeit biete, vermehrt im Job zu bleiben. Andererseits aber konterkariere die Politik dieses Ziel, indem sie am Ehegattensplitting oder an der kostenlosen Mitversicherung von Ehefrauen in der Krankenkasse festhalte. „Das zementiert das klassische Rollenverhältnis“, sagt Reuyß.

Wer die Anzahl arbeitender Mütter allein als Gradmesser für gute oder schlechte Familienpolitik heranziehen will, ist sicher schlecht beraten. Aber eine Balance zwischen Familie und Beruf ist nur dann zu erreichen, wenn beide, Mütter und Väter, insgesamt weniger und flexibler arbeiten dürfen. Bei gleichem Verdienst für Mann und Frau.

Armin Lehmann

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