Kommunalwahl in Frankreich: Damenwahl an der Seine
Bei den Kommunalwahlen in Frankreich kämpfen zwei Frauen um das Pariser Bürgermeisteramt.
Unterschiedlicher können zwei Frauen gar nicht sein. Alles trennt sie, ihre Herkunft, ihr Werdegang, ihr persönlicher Stil und ihre politischen Überzeugungen. Die eine stammt aus einer großbürgerlichen Familie. Ihre Vorfahren kamen einst aus Polen nach Frankreich und dienten dem Land als Politiker und Botschafter. Die andere kommt aus einer einfachen Arbeiterfamilie, die vor der Franco-Diktatur aus Spanien nach Frankreich floh. Die eine besuchte die Elitehochschule Ecole polytechnique und war zuletzt Umweltministerin unter dem konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Die andere absolvierte ein sozialwissenschaftliches Studium und wurde Arbeitsinspektorin. Seit 2001 ist sie Erste Beigeordnete Bürgermeisterin von Paris.
Doch eine Ambition haben die stets elegant gekleidete Nathalie Kosciusko-Morizet (40) und die lässig in Jeans auftretende Anne Hidalgo (54) gemeinsam. Aus den französischen Kommunalwahlen an diesem und dem folgenden Wochenende will jede von ihnen in Paris als Siegerin hervorgehen. Die besten Aussichten, dem scheidenden Stadtoberhaupt Bertrand Delanoe im Amt nachzufolgen, hat Hidalgo.
In allen Umfragen seit Anfang des Jahres lag „NKM“, wie die Kandidatin der konservativen UMP kurz genannt wird, mit 47 bis 48 Prozent deutlich hinter ihrer sozialistischen Konkurrentin. Das hat sie nicht entmutigt. Genauso wenig wie die mangelnde Unterstützung der Prominenz. Während Hildalgo von vielen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens unterstützt wird, sind die bekannten Namen auf ihrer Liste schnell gezählt. Das erklärt vielleicht auch die Aggressivität, mit der Kosciusko-Morizet bei ihrer letzten Kundgebung am Mittwochabend im Pariser Cirque d’Hiver auftrat. Am selben Ort hatte Hidalgo eine Woche zuvor den Namen der Gegnerin nicht einmal erwähnt. So sicher wähnt sie sich.
Nach dem komplizierten System, das für die Wahl des Pariser Bürgermeisters gilt, müsste Kosciusko-Morizet weit über 50 Prozent der Stimmen erreichen, um zu gewinnen. Aus der eigenen Anhängerschaft kann sie die kaum erwarten. Ihre Hoffnung richtet sich daher auf die Wähler, die aus Enttäuschung über den sozialistischen Staatspräsidenten François Hollande nicht zur Wahl gehen oder ihre Stimme den Grünen geben. Insbesondere deren Wählerschaft hat die ehemalige Umweltministerin im Wahlkampf anzusprechen versucht. Gedämpft werden derartige Hoffnungen bei der UMP allerdings durch die Ungewissheit über das Abschneiden der Front National (FN).
Landesweit tritt die rechtspopulistische Partei bei den Kommunalwahlen in 596 Städten mit eigenen Listen an. Schwerpunkte sind der Norden Frankreichs, wo die Parteichefin Marine Le Pen ihre Hochburg hat, sowie der Osten und die Mittelmeerküste. Nach Meinung von Wahlexperten könnten FN-Listen am Sonntag in über 200 Orten mit mehr als 10 000 Einwohnern die Zehnprozenthürde zum Eintritt in die zweite Wahlrunde überwinden. Dies würde bei der folgenden Stichwahl in den Orten, wo im ersten Durchgang keine Liste die absolute Mehrheit erreicht hat, zu sogenannten Dreieckswahlen führen. Dabei stehen sich Linke, Rechte und Rechtspopulisten gegenüber. Bei solchen Konstellationen müsste die UMP um ihr Wahlziel fürchten, eine Reihe von Rathäusern von der Linken zurückzuerobern.
Die Kommunalwahlen haben damit eine nationale Dimension, die die lokalen Belange überlagert. In Paris kamen sie erst ganz zum Schluss des Wahlkampfs zur Sprache, als sich Kosciusko-Morizet und Hidalgo wegen der schlechten Luft über der Hauptstadt in die Haare gerieten. „Untätigkeit“ hielt die eine der anderen vor. Daraufhin revanchierte sich Hidalgo gegenüber Kosciusko-Morizet mit dem Vorwurf, sie habe sich als Ressortchefin unter Sarkozy als „Dieselministerin“ hervorgetan.
Hans-Hagen Bremer