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Szenen einer Entfremdung. Bundeskanzlerin Angela Merkel lauscht am 20.11.2015 auf dem CSU-Parteitag in München der Rede des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU).
© dpa
Update

Streit mit Merkel: CSU denkt über Seehofer im Bundeskabinett nach

Horst Seehofer will eine gemeinsame Linie zur Flüchtlingspolitik in der Union erzwingen. In der CSU gibt es Spekulationen, den Parteichef deshalb künftig auch als Minister im Bund zu verankern.

In der CSU-Spitze gibt es offenbar ernsthafte Überlegungen, für Parteichef Horst Seehofer nach der nächsten Bundestagswahl einen Ministerposten in Berlin zu reklamieren. Es handle sich dabei um eine denkbare Variante, hieß es. Parallel dazu wird nach Tagesspiegel-Informationen aber auch erwogen, 2017 im Falle eines Wahlerfolgs ein anderes CSU-Schwergewicht als Aufpasser im Bundeskabinett zu verankern. Als interessanteste Position wird in diesen Denkspielen aufgrund des Flüchtlingsstreits das Innenministerium genannt.

Für einen Ministerposten in Berlin müsste Seehofer sein Ministerpräsidentenamt noch vor der Landtagswahl in Bayern 2018 aufgeben. Parteichef könnte er bleiben, für die CSU wäre das im Bundeskabinett von Vorteil. Alternativ könnte Seehofer aber auch als Regierungschef in Bayern bleiben und 2017 einen Nachfolger als Parteivorsitzenden nach Berlin schicken.

Seehofer droht mit Boykott des CDU-Parteitags

Unterdessen verschärfte sich der Konflikt um die Flüchtlingspolitik weiter. Wegen des anhaltenden Streits um die Flüchtlingspolitik kündigte Seehofer an, möglicherweise auf seinen Auftritt beim Parteitag der Schwesterpartei CDU zu verzichten. Sollten sich CDU und CSU bis zum Parteitag Anfang Dezember nicht auf eine gemeinsame Linie geeinigt haben, habe ein Besuch keinen Sinn, sagte Seehofer dem "Spiegel". "Ohne einen Konsens wäre mein Auftritt nur ein Medienspektakel."

Die gegenseitigen Besuche der Parteichefs von CDU und CSU gehören seit Jahrzehnten zur Tradition der Schwesterparteien. Allerdings geriet diese Tradition vor einem Jahr beim CSU-Parteitag in München zum Eklat. Seehofer griff die als Gastrednerin eingeladene und neben ihm stehende Kanzlerin Angela Merkel auf offener Bühne scharf an und hielt ihr rund eine Viertelstunde lang die Fehler ihrer Flüchtlingspolitik vor, während sie wie eine Schülerin neben ihm stehen musste.

"Ich will keine Wiederholung des letzten Jahres"

In einem Interview mit dem Magazin "Focus" sagte Seehofer nun, er wolle Merkel eine erneute Demütigung ersparen: "Ich will keine Wiederholung des letzten Jahres. Und ich nehme an, sie will es auch nicht." Entgegen der ursprünglichen "Focus"-Meldung ist dem Wortlaut des Gesprächs jedoch nicht entnehmen, dass Seehofer Merkel auf diese Weise vom nächsten Parteitag der CSU Anfang November ausgeladen hätte

„Wir müssen nicht jedes Detail festlegen, aber die Grundkoordinaten müssen bis Ende Oktober geklärt sein“, sagte der CSU-Chef. Ansonsten würden gegenseitige Parteitagsbesuche "ja keinen Sinn machen", ergänzte ein Sprecher. Um von den Delegierten ausgepfiffen zu werden, müsse man nicht anreisen.

Zuvor hatte die "Bild"-Zeitung berichtet, Seehofer habe Merkel schon Ende August telefonisch vom CSU-Parteitag ausgeladen. Der CSU-Chef habe auf Merkels Frage nach einer Einladung gesagt: "Ich halte das im Moment nicht für opportun." Es sei weder "in Deinem, noch in meinem Interesse, wenn Du als Kanzlerin auf dem CSU-Parteitag erscheinst". Dafür sei es "einfach noch zu früh". Das Gespräch soll am 28. August stattgefunden haben, eine Woche vor der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern.

Dauerstreit zwischen CDU und CSU

Der CSU-Sprecher wies diese Darstellung zurück. Die Partei habe noch nicht entschieden, ob sie die Kanzlerin wieder zu ihrem Parteitag Anfang November einladen wird, sagte er - und dass es völlig normal sei, dass zwei Monate vor dem CSU-Parteitag noch keine Einladung verschickt worden sei.

Nach dem Dauerstreit hatten sich Seehofer und CDU-Chefin Angela Merkel eigentlich vorgenommen, mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 gemeinsame Positionen auszuarbeiten. Man habe sich aber dazu entschlossen, lieber erst einmal "CSU pur" zum Ausdruck zu bringen, sagte der Sprecher. Gleichzeitig verwies er darauf, dass es ja auch "ermutigende Signale" gebe. Als Beispiel nannte er die Steuerpolitik und die innere Sicherheit, bei der man doch "sehr nah beeinander" sei.

„Wir brauchen jetzt klare, verlässliche Regeln für die Zuwanderung auch für die Zukunft“, sagte Seehofer am Freitag vor Beginn einer zweitägigen CSU-Vorstandsklausur im oberpfälzischen Schwarzenfeld. „Ohne Begrenzung werden wir es nicht schaffen - das ist meine tiefe Überzeugung.“ Das sei auch „der ganz, ganz große Wille der Bevölkerung“. Mit dieser Politik richte man sich nicht gegen die Schwesterpartei. „Unser politischer Gegner ist nicht die CDU.“

82 Prozent verlangen Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik

Am Sonntagnachmittag kommen die Koalitionsspitzen zu ihrem ersten Treffen nach der Sommerpause im Kanzleramt zusammen. Vor dem Gespräch mit SPD-Chef Sigmar Gabriel ist ein etwa einstündiges Gespräch zwischen Merkel und Seehofer anberaumt.

Einer aktuellen Umfrage zufolge lehnt eine überwiegende Mehrheit der Deutschen den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik ab. 82 Prozent der Befragten verlangten eine Korrektur, ermittelte das Forschungsinstituts TNS im Auftrag des "Spiegel". (mit AFP, dpa)

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