Streit um Reform der Erbschaftsteuer: CSU-Chef Horst Seehofer droht Wolfgang Schäuble
Koalitionsgezerre: Die CSU fordert bei der Erbschaftsteuerreform mehr Rücksicht auf reiche Unternehmererben. Obwohl der Finanzminister schon entgegengekommen ist. Viel zu weit, wie die SPD wiederum meint.
Am Freitag hat die Kanzlerin angekündigt, dass der Entwurf ihres Finanzministers zur Reform der Erbschaftsteuer bei der Unternehmensnachfolge wie geplant am 8. Juli ins Kabinett gebracht werden wird. Das war auf einer Versammlung von Familienunternehmern in Berlin. Am Mittwoch nun ist bekannt geworden, dass die CSU Angela Merkel hier nicht folgen möchte. Der Vorgang ist über das Inhaltliche hinaus bemerkenswert: Denn CSU-Chef Horst Seehofer hat nach Informationen der ARD die drei Minister seiner Partei angewiesen, bei einer Einbringung vor der Sommerpause dem Kabinettsbeschluss nicht zuzustimmen. Von Wolfgang Schäuble forderte Seehofer, Positionen der CSU in den Entwurf einzubauen. Dass der kleinste Koalitionspartner mit dem vor zwei Wochen vorgelegten Referentenentwurf aus dem Finanzministerium nicht zufrieden ist, war bekannt. Doch hatte man in der CSU der Versendung des Entwurfs zugestimmt. In einem Brief Seehofer an Schäuble, aus dem der Sender zitiert, heißt es nun, dass damit „nicht die Zustimmung Bayerns“ verbunden gewesen sei, den Gesetzentwurf dem Kabinett zur Beschlussfassung zuzuleiten. Dass ein Bundesland zu bestimmen versucht, wie die Tagesordnung der Bundesregierung auszusehen hat, ist zweifellos ungewöhnlich. Möglicherweise aber werden in der Parteizentrale in München „CSU“ und „Bayern“ synonym verwendet.
Wie zu hören ist, hat Schäuble - wie in der Koalition üblich - seinen Entwurf mit den zuständigen Vize-Fraktionschefs besprochen. Derzeit läuft parallel die Abstimmung der Bundesministerien, die Anhörung der Verbände und die Konsultation mit den Ländern - noch bis 25. Juni. Dann hätte Schäuble noch Gelegenheit, Änderungen aufzunehmen. Darauf zielt Seehofers Drohung.
CSU vertritt Unternehmerinteressen
Die CSU hatte sich von Beginn der Debatte an – nach dem Karlsruher Urteil vom Dezember, das eine Reform forderte – vor allem die Forderungen der Unternehmerlobby zu eigen gemacht. Schäuble hatte dagegen im Februar Eckpunkte vorgelegt, die in der Wirtschaft zu einem Aufschrei führten – vor allem wegen der Bedürfnisprüfung bei besonders hohen Schenklungen und Erbschaften (also bei Multimillionären), die freilich vom Verfassungsgericht verlangt worden war. Demnach ist ab einem bestimmten Erbwert eine Verschonung von der Steuer (die Sätze liegen bei 30 bis 50 Prozent) nur noch möglich, wenn ein Erben nachweisen kann, dass er zur Zahlung nicht in der Lage ist. Schäuble hatte vorgeschlagen, dass dazu auch die Hälfte des Privatvermögens einbezogen werden muss. Die Grenze zog er bei einem Erbwert von 20 Millionen Euro; da Betriebsvermögen, das zu mindestens 50 Prozent dem Unternehmenszweck dient, verschont werden soll, ist die tatsächlich zu besteuernde Summe allerdings deutlich geringer – denn in de Regel liegt dieses verschonungswürdige Betriebsvermögen bei 60 bis 80 Prozent.
Schäuble hat sich schon korrigiert
Im Referentenentwurf von Anfang Juni kam Schäuble den Kritikern entgegen. Bei Erben von Betrieben, die bestimmte, für Familienunternehmen typische Eigentümerstrukturen aufweisen, wurde die Grenze der Bedürfnisprüfung auf 40 Millionen erhöht – daran war vor allem der CSU gelegen. Doch Seehofer reicht das nicht. Die Summe soll nun 60 Millionen Euro betragen. Für alle anderen Fälle fordert er 40 Millionen Euro als Grenze. Auch die von Schäuble nun vorgeschlagene Möglichkeit, dass Erben an der Bedürfnisprüfung vorbeikommen, wenn sie geringere Verschonungsabschläge akzeptieren, geht Seehofer nicht weit genug. Auch hier sollen die Grenzen ausgeweitet werden – auf bis zu 130 Millionen pro Erbfall (Schäuble zog sie bei 110 Millionen).
SPD: Ein Rückschritt
Freilich ist unklar, ob das nicht bereits das Verlangen der Karlsruher Richter unterläuft, dass Unternehmenserben nicht deutlich besser gestellt werden dürfen als sonstige Erben. Den Sozialdemokraten geht der Referentenentwurf (so nennt man üblicherweise eine Gesetzesvorlage, bevor sie ins Kabinett kommt) denn auch zu weit. Nach Ansicht der SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe kommt er den Unternehmerinteressen schon zu weit entgegen. „Den Referentenentwurf zur Erbschaftsteuer in seiner derzeitigen Form hält die SPD für verfassungswidrig“, sagt sie. Entsprechend äußerte sich die Grünen-Finanzpolitikerin Lisa Paus. Laut Kiziltepe ist die Vorlage ein Rückschritt gegenüber den Eckpunkten, die mitzutragen die SPD grundsätzlich bereit war. So wird die SPD im parlamentarischen Verfahren versuchen, die endgültige Fassung wieder nahe an diesen Ursprungsplan Schäubles zurückzubiegen. Außerdem ist da noch der Bundesrat mit seiner rot-rot-grünen Mehrheit. Zwar haben auch SPD-Landesfinanzminister Kritik an Schäubles Plänen geäußert, doch bezogen diese sich im Kern auf die Behandlung kleinerer Unternehmen. Hier ist das Bundesfinanzministerium Forderungen aus den Ländern schon entgegengekommen. Dass SPD, Grüne und Linke im Bundesrat Aufweichungen gerade bei besonders reichen Erben mitmachen, ist wenig wahrscheinlich. Fazit: Die Reform der Erbschaftsteuer wird noch ein ziemliches Gezerre werden.
Albert Funk