Nach der Landtagswahl in Bayern: CSU-Abgeordnete wollen Seehofer-Ablösung
Die Kritik an Horst Seehofer wird lauter: Auch CSU-Bundestagsabgeordnete drängen auf Ablösung des Parteichefs. Und Seehofer selbst? Räumt Fehler ein.
In der Landesgruppe der CSU im Bundestag gibt es Kritik am Umgang ihrer Partei mit dem Wahldebakel in Bayern. „Zu sagen, erst mal bilden wir eine Regierung und dann gucken wir mal, ist das falsche Signal“, sagte der CSU-Abgeordnete Alexander Hoffmann dem Tagesspiegel. Es brauche jetzt „ein klares Bekenntnis zur Neuordnung an der Parteispitze“ und auch einen entsprechenden Zeitplan. Und das alles müsse in überschaubarer Zeit zu einem neuen oder einer neuen Parteivorsitzenden führen.
Vom Wähler nur "Bewährung bekommen"
In der Sitzung der Landesgruppe am Dienstag wurde von etlichen Mitgliedern Unmut geäußert. Von 18 Wortmeldungen seien die meisten kritisch gegenüber Parteichef Horst Seehofer und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gewesen, hieß es. Und dem Vernehmen nach übten fünf CSU-Bundestagsabgeordnete auch deutliche Kritik an der verzögerten Aufarbeitung des Wahldesasters.
Es sei ja richtig, vorrangig auf die Stabilität in Bayern achten, sagte Hoffmann. Aber deshalb die Debatte um personelle Konsequenzen nach hinten zu schieben, gehe nicht an. „Warum das eine das andere ausschließen soll, will mir nicht einleuchten.“ Die Parteivorsitzenden Theo Waigel und Erwin Huber seien nach schlechten Wahlergebnissen auch zügig zurückgetreten, ohne dass das die Partei destabilisiert habe.
Man habe vom Wähler nur „Bewährung bekommen", mahnte Hoffmann. Es gehe jetzt um Glaubwürdigkeit. Und für die Frage nach Gründen für die starken Verluste brauche es keine große Analyse. An den Info-Ständen und in den Austrittsschreiben sei der Tenor immer der gleiche gewesen: Der Inhalt stimmt, aber Ton und Stil stimmen nicht. Und immer habe sich diese Kritik vor allem auf eine Person bezogen: Horst Seehofer.
Es werde nicht ohne personelle Konsequenzen gehen, ist auch von den Verteidigern des Abwartekurses zu hören. Es sei nur die Frage, wie man das "ordentlich" hinbekomme. Schließlich gehe es bei der Causa Seehofer nicht nur um den Parteivorsitz, sondern auch um die Führung des Bundesinnenministeriums. Und bei letzterem sehe man bislang nicht wirklich einen Bewerber.
Drei Kreisverbände sind schon vorgeprescht
Die Verzögerung habe auch den Vorteil, dass man bis dahin den Ausgang der Hessen-Wahl kenne, lautet ein weiteres Argument. Doch an der Basis mögen viele nicht so lange warten, es wächst der Druck auf den Parteivorsitzenden. Drei Kreisverbände der CSU fordern bereits offen die Ablösung Seehofers - Kronach, Bayreuth und Passau.
Nach der Regierungsbildung wolle man einen Parteitag „mit dem Ziel der personellen Erneuerung und mit dem Ziel, Horst Seehofer abzulösen“ , sagte der Vorsitzende des Kreisverbands Kronach, Jürgen Baumgärtner, der Deutschen Presseagentur. Aus Sicht seines Verbandes dürfe es jetzt kein „Weiter so“ geben.
"Am besten wäre es, wenn Seehofer es selbst einsieht"
Der CSU-Kreisverband Bayreuth schloss sich dieser Position an. Vize-Kreischefin Ingrid Heinritzi-Martin sagte dem Bayerischen Rundfunk: „Am besten wäre es, wenn Seehofer es selbst einsieht. Seine verschiedenen Stellungnahmen als Innenminister, zum Beispiel zur Flüchtlingspolitik, haben viele Wähler in Bayern verunsichert.“
Die CSU im Landkreis Passau forderte gleich einen doppelten Rücktritt: den von Seehofer und den seines Generalsekretärs Markus Blume. Personelle Konsequenzen seien «für eine Änderung der Parteistruktur notwendig», sagte Kreischef Raimund Kneidinger der "Passauer Neuen Presse". Und das Meinungsbild der Mitglieder dazu sei eindeutig gewesen.
Alois Glück: Gremien zu sehr auf Gefolgschaft getrimmt
Der ehemalige Landtagspräsident und frühere Chef der CSU-Grundsatzkommission Alois Glück mahnte seine Partei, sich nicht zu viel Zeit mit der Erneuerung zu lassen. Wenn man jetzt auf Zeit spiele, könne das entweder zu einer Explosion in der CSU führen oder zum Niedergang der Partei. Dass Seehofer derzeit einen Rücktritt ablehne, sei etwas, „was man nicht einfach auf Dauer so stehen lassen kann“, sagte Glück. Der langjährige CSU-Politiker forderte eine andere Debatten- und Diskussionskultur in seiner Partei. In deren Gremien sei zu sehr Gefolgschaft erwartet worden.
Schnellen Handlungsbedarf sieht auch der Schwandorfer Landrat Thomas Ebeling (CSU). Er sei der Meinung, dass die Ämter des Parteivorsitzenden und des Ministerpräsidenten in eine Hand gehörten. Daher müsse „so schnell wie möglich ein Übergang im Amt des Parteivorsitzenden auf Markus Söder stattfinden“, sagte er dem BR.
Oberbayern verlangen Parteitag zur Wahlanalyse
Schon am Wahlabend hatte der Hofer Oberbürgermeister und Hofer CSU-Kreischef Harald Fichtner personelle Konsequenzen eingefordert. Er könne sich nicht vorstellen, dass Seehofer weiter Parteichef bleiben könne, sagte er. Sein Vize wertete den Urnengang rundheraus als „Anti-Seehofer-Wahl", die Folgen haben müsse. „Meiner Meinung nach, muss er zurücktreten.“
Die CSU Oberbayern fordert noch in diesem Jahr einen Parteitag zur Aufarbeitung der Wahlniederlage. Dort müsse gemeinsam mit der Basis über den Ausgang der Wahl und über mögliche Konsequenzen gesprochen werden, verlangte Bezirkschefin Ilse Aigner. Der „Bild“-Zeitung sagte sie, dass es aus ihrer Sicht dafür auch „externen Sachverstand durch einen Wissenschaftler“ geben müsse.
Seehofer räumt Fehler ein
Seehofer zeigte sich offen für personelle Konsequenzen und bekannte zugleich eigene Fehler in Stil und Tonlage. Er müsse „einräumen, dass da durchaus Kritikwürdiges dabei gewesen ist“, sagte Seehofer am Dienstag vor Journalisten in Berlin. Die Wahlanalyse sei angekündigt und werde auch kommen, „mit all den Entscheidungen die dann notwendig sind“. Er sei auch bereit, über personelle Fragen zu diskutieren - allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt.
Geschmeidig gab sich der Parteichef angesichts der Forderung des stärksten CSU-Bezirksverbandes. Aus seiner Sicht, sagte Seehofer, sei ein Parteitag vermutlich das richtige Instrument für eine Wahlanalyse. Denkbar sei das Ganze dann zwischen dem 12. November - dem letztmöglichen Tag zur Wahl des Ministerpräsidenten in Bayern - und Mitte Dezember.
Aus München sah sich übrigens auch Ministerpräsident Söder bemüßigt, die Rücktrittsforderungen zu kommentieren. Es sei doch "normal, dass nach einem solchen Wahlergebnis eine Partei reden möchte", sagte er. Man könne nicht verhindern, dass sich eine Partei Gedanken mache.