Streit um Aufnahme von Migranten aus Moria: Claudia Roth wirft Seehofer „Totalversagen“ bei Geflüchteten vor
Grünen-Politikerin wirft Innenminister Seehofer Mitschuld am „unmenschlichen Leid“ vor. CDU-Politiker Röttgen will 5000 Geflüchtete nach Deutschland holen.
Im Streit um die Aufnahme von Migranten aus dem abgebrannten griechischen Lager Moria greift Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) scharf an. „Die Ankündigung von Horst Seehofer, nur zwischen 100 und 150 Minderjährige aus Moria in Deutschland aufzunehmen, ist ein Totalversagen des Innenministers“, sagte die Grünen-Politikerin der „Augsburger Allgemeinen“.
(In einer früheren Fassung dieses Textes wurde über eine "Daumen-runter"-Geste der Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth während der Rede von Innenminister Horst Seehofer berichtet, die auf Twitter zu heftigen Kontroversen geführt hatte. Anders als beschrieben, lässt sich die Geste Roths allerdings nicht als Kommentierung von Seehofers Rede zum Umgang mit Geflüchteten verstehen. Wir haben die entsprechenden Passagen deshalb aus dem Text entfernt und bitten, den Fehler zu entschuldigen.)
Die Zusage entspreche nur einem Bruchteil der Angebote zur Aufnahme von fast 180 Kommunen und mehrerer Bundesländer. „Mit seiner Ablehnung macht Seehofer sich mitverantwortlich an dem unmenschlichen Leid an Europas Haustür“, kritisierte Roth.
Nun sei Regierungschefin Angela Merkel am Zug. „Ich erwarte von der Bundeskanzlerin, dass sie von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch macht und eine großzügige Aufnahme in Deutschland ermöglicht.“ Wenn andere EU-Mitgliedsstaaten mitmachen, wäre das ein gutes Zeichen, sagte Roth. Die Bundesrepublik müsse aber jetzt den ersten beherzten Schritt wagen.
Unterdessen hat der Bewerber um den CDU-Vorsitz, Norbert Röttgen, seine Forderung bekräftigt, dass Deutschland schnell 5000 Menschen aus dem abgebrannten griechischen Flüchtlingslager Moria aufnehmen sollte.
„5000 Menschen weniger würden die Lage in Griechenland erheblich entlasten. Es ist unser christlich-demokratischer Anspruch an Politik, dass wir jetzt helfen“, sagte der Außenpolitiker und frühere Bundesumweltminister der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Nach Möglichkeit müssten andere europäische Länder bei der Verteilung der 5000 Flüchtlinge helfen.
Die Gefahr einer Sogwirkung wie in der Flüchtlingskrise 2015, als knapp 900.000 Migranten weitgehend unkontrolliert nach Deutschland gekommen waren, sieht Röttgen nicht. „Wir haben inzwischen eine völlig andere Situation: Es gibt einen besseren Schutz der Außengrenzen und Abkommen mit anderen Staaten.“
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Wenn Deutschland jetzt in einer Ausnahmesituation humanitär agiere, „dann müssen wir klarstellen, dass davon kein Signal ausgeht. Auch das können wir“, sagte Röttgen. Über seine Richtschnur sagte er der „Süddeutschen Zeitung“: „Wir müssen uns auf die Stärke unserer Verantwortungsprinzipien besinnen - und dürfen keine Angst haben, menschlich zu handeln.“
Seehofer will „rasche Lösung für Familien mit Kindern“
Innenminister Horst Seehofer hatte am Freitag erklärt, Deutschland habe seit 2015 insgesamt 1,73 Millionen Asylbewerber aufgenommen. Derzeit kämen an jedem Werktag 300 bis 400 Menschen ins Land. „Wir nähern uns wieder den Höchstzahlen der Vergangenheit.“
Die Bundesregierung arbeitet nach den Worten Seehofers dennoch daran, zügig weitere Migranten aus Moria aufzunehmen. „Ich lege persönlich sehr großen Wert darauf, dass wir eine rasche Lösung für Familien mit Kindern finden“, erklärte er am Freitagabend.
Vormittags hatte Seehofer mitgeteilt, dass sich zehn europäische Staaten an der Aufnahme von 400 unbegleiteten Minderjährigen beteiligen. Ein Großteil - je 100 bis 150 - werde von Deutschland und Frankreich aufgenommen. (Tsp/dpa)