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Bischof Heinrich Bedford-Strohm und Kardinal Reinhard Marx bei einem ökumenischen Gottesdienst zum 500. Reformationsjubiläum.
© Jens Schulze/epd

Evangelischer Kirchentag 2017: Christen müssen treibende Kraft für Gerechtigkeit sein

Als Global Player mit zwei Milliarden Gläubigen können Evangelische und Katholische Kirche für eine bessere Welt wirken. Dafür sind aber Fortschritte bei der Ökumene nötig, sonst verlieren sie weiter an Relevanz. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es kann nicht bleiben, wie es ist. Es kann nicht ewig bei einem gepflegten Nebeneinander der großen christlichen Kirchen bleiben, jetzt braucht es ein stärkeres Zueinander. Der Begriff der „versöhnten Verschiedenheit“ ist verführerisch klug: Es lässt sich so gut damit leben und nichts weiter daraus folgern, wenn man es nicht will. Da aber vor jedem Tun ein Wollen steht, ist es Zeit, mehr zu wollen. Der Evangelische Kirchentag in diesem Jahr, dem Reformationsjahr, dem Lutherjahr, kann da Erhebliches leisten.

Franziskus, der Papst, der ranghöchste Katholik, der ausstrahlt auch auf die evangelischen Christen, der mit seinen Lutherworten immer wieder direkt auf Veränderung zielt, der schon beim Lutherischen Weltbund war und überhaupt aufgeschlossen wirkt, ist eine Chance. Nicht die Nation, nicht der Staat – nein, der Mensch mit seiner in Gott begründeten unantastbaren Würde wird zum Mittelpunkt des politischen Geschehens. Christen sind „Global Player“, zwei Milliarden Gläubige weltweit. Die können, ja müssen angesichts des Zustandes dieser einen Welt mehr wollen und mehr tun: Sie müssen die treibende Kraft für eine neue, gerechte Weltordnung sein.

Und das nicht vornehmlich in weltwirtschaftlichem Sinn, obwohl gerade die Kapitalismuskritik die Christen schon heute mehr eint, als sie es nach außen in die Welt tragen. Der Papst bringt diese Kritik vor, auch die evangelische Kirche in Deutschland, Kind der Reformation, der Teilung – der Zellteilung – mit ihrem Vorsitzenden trägt da „Feuer im Herzen“, um ein deutsches Zitat von Franziskus über Heinrich Bedford-Strohm aufzugreifen. Denn den Christen und auch den anderen Weltreligionen ist eines eigen: dass die Interessen des Menschen wichtiger sein sollen als die jedes „Systems“.

Jesus ist gelebter Anspruch auf Glaubwürdigkeit

Soll dieses Reformationsjahr mit dem Kirchentag ein „Christusfest“ sein, lässt sich so viel Einigendes vorab doch sagen: Jesus ist gelebter Anspruch auf Glaubwürdigkeit, ist Einheit von Reden und Handeln. „So wie er die Menschen damals gegen die Machthaber vertreten hat – unabhängig, freimütig, selbstbewusst, furchtlos –, wäre er auch in einem heutigen Parlament der ideale Abgeordnete und Sprecher des Volkes“, um Heiner Geißler, den katholischen politischen Denker, zu zitieren. Für die Übersetzung dieser Botschaft in die Welt: Es kann nicht bleiben, wie es ist.

Das Hochpolitische in Gesellschaftsfragen und das Überintellektuelle müssen sich auch in Taten gelebten Glaubens übertragen. In Liebe zum Nächsten etwa, die eine Sache von Gefühl und Verstand ist. Handeln für den in Not, über Grenzen hinweg, auch über religiöse und kulturelle, unabhängig von Rasse, Klasse oder Geschlecht. Wer so handelt, der bleibt nicht im Elfenbeinturm der Verständnissuche, der will verstanden werden. Das wird wegen der riesigen Zahl derer, die sich verständnislos abwenden, umso nötiger.

Wäre das der Geist, der die Besucher auf dem Kirchentag erfüllt, könnte sich etwas ändern. In der Hoffnung, dass der Satz gilt, der seit 1947 besonders mit dem evangelischen Theologen Karl Barth verbunden ist: Ecclesia semper reformanda – Kirche muss ständig reformiert werden.

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