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Der Sturzflug an Chinas Börsen betrifft die breite Bevölkerung. Die chinesische Regierung hat Investitionen von Kleinanlegern stark gefördert.
© China Daily/Reuters

Börsensturz: Chinas Regierung fürchtet die Kleinanleger

Der Sturzflug an Chinas Börsen könnte zur Gefahr für die chinesische Regierung werden. Denn sie legitimiert sich durch ihr Versprechen, den Bürgern Wohlstand zu bringen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Benedikt Voigt

Manchmal wirken die Möglichkeiten der chinesischen Regierung grenzenlos. Weil der Norden des Landes auszutrocknen droht, lässt sie einfach einen Süd-Nord-Kanal für 50 Milliarden Euro bauen, das größte Wasserumleitungsprojekt der Welt. In der Wirtschaft läuft das genauso. Nach der Finanzkrise 2008 legte die chinesische Regierung ein staatliches Konjunkturprogramm auf, das mit einer halben Billion Euro seinesgleichen suchte und von dem nicht nur China, sondern auch die Konjunktur weltweit profitierte. Und als zuletzt die chinesische Börse auf Talfahrt ging, verbot sie unter anderem Großaktionären und den riesigen staatseigenen Unternehmen, in den kommenden sechs Monaten Aktien zu verkaufen. Auch diese Maßnahme wirkte, die Börse stabilisierte sich – allerdings nur für kurze Zeit. Zu Beginn dieser Woche befanden sich Chinas Börsen wieder im Sturzflug.

Der Einfluss der chinesischen Regierung auf die Wirtschaft hat Grenzen

Das könnte sich nun zu einem gefährlichen politischen Problem auswachsen. Nicht nur, weil sich zeigt, dass dem wirtschaftlichen Einfluss der chinesischen Regierung sehr wohl Grenzen gesetzt sind. Vor allem jedoch, weil der Führungsanspruch der Kommunistischen Partei in China seit dem Tiananmen- Massaker vom 4. Juni 1989 auf dem Versprechen beruht, alle Chinesen reicher zu machen. Das ist lange Zeit auch gelungen, Millionen Chinesen sind der Armut entkommen. Zuletzt allerdings gelang das nicht mehr ganz so erfolgreich.

Die Konjunktur schwächelte, der Immobilienmarkt drohte sich zu überhitzen, die Exporte gingen zurück. Die chinesische Regierung begann, auf eine boomende Börse zu setzen. China forcierte mit Hilfe der Staatsmedien und der Politik den Aktienhandel aller Schichten, Studenten, Wanderarbeiter und Großmütter stiegen in der Börse ein. „Wan gu piao“, lautete das Motto auf Chinesisch, „mit den Aktien spielen“.

Die spielfreudigen Chinesen liehen sich Geld von offiziellen und inoffiziellen Banken und trieben die Börsen in ungeahnte Höhen, der „Shanghai Composite Index“ hat sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Schon länger war von einer Börsenblase in China die Rede. Weshalb einige Experten die jüngsten Verluste auch als Gesundschrumpfen bezeichnet haben und zu größerer Gelassenheit mahnten.

Die Regierung Chinas förderte die Spekulation an den Börsen

Doch diese Eigenschaft ist Chinas paranoider Regierung nur selten zu eigen. Sie fürchtet sich vielmehr seit den Demonstrationen vom Tiananmenplatz vor ihrer eigenen Bevölkerung. Und nun könnten politische Proteste von Kleinanlegern drohen, die den Ausstieg verpasst haben und auf ihren Schulden sitzen bleiben.

Weshalb China schon nach dem ersten Kurssturz Ende Juni die beispiellose Verflechtung von Politik und Wirtschaft im Reich der Mitte nutzte, um mit zahlreichen Einzelmaßnahmen die Börse zu stützen. Doch das Problem scheint damit nicht gelöst zu sein. Mancher chinesischer Aktienbesitzer fürchtet nun, die Regierung könnte irgendwann die Stützungsmaßnahmen einstellen – und dann könnten die Börsenindizes in Schanghai und Shenzhen erst richtig abstürzen.

Das wird vermutlich nicht passieren. Die chinesische Regierung hat bereits weitere Maßnahmen angekündigt. Für sie steht einfach zu viel auf dem Spiel.

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