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Die Aktienkurse der chinesischen Unternehmen geben nach - obwohl der Staat interveniert.
© dpa

Börsenturbulenzen: Aktienmarkt in China bricht weiter ein

Es sind die stärksten Einbrüche der Aktienkurse in China seit acht Jahren. Die deutsche Industrie sieht den Kurssturz im Reich der Mitte mit Sorge, will aber im Geschäft bleiben.

Die Verunsicherung in China ist groß. Nach dem stärksten Einbruch des Aktienmarkts seit acht Jahren haben die Kurse am Dienstag weiter nachgegeben. Obwohl die Behörden zusagten, „die Bemühungen zur Stabilisierung der Märkte fortzusetzen“, lag der chinesische Leitindex Schanghai Composite bei Handelsschluss noch immer 1,7 Prozent im Minus. Analysten sehen die Turbulenzen am chinesischen Aktienmarkt als Warnsignal. „Es ist ein Zeichen, dass die Party vorbei ist“, sagt David Madden vom britischen Wertpapierhaus IG.

Von einem freien Handel kann an der chinesischen Börse längst keine Rede mehr sein. Die Regierung in Peking muss immer stärker in den Markt eingreifen, um noch schlimmere Kursstürze zu verhindern. Zum Beispiel hat sie staatliche Banken und Versicherungskonzerne angewiesen, mehr Aktien zu kaufen. Großinvestoren dürfen ihre Anteilsscheine derzeit nicht verkaufen. Auch sind besonders spekulative Geschäfte verboten. Doch verhindern konnte die Regierung den Crash trotz dieser Eingriffe nicht.

Viele Chinesen sind frustriert, weil Reformen ausbleiben

In China sieht man die Aktienflucht daher bereits als ein Zeichen für einen Vertrauensverlust. Staatschef Xi Jinping hatte nach seinem Amtsantritt 2012 ambitionierte Reformen versprochen. China sollte zum Beispiel weniger abhängig von Exporten werden, das Binnenwachstum sollte steigen. Gelungen ist das bislang jedoch nicht. So sind die chinesischen Importe im ersten Halbjahr um 15 Prozent eingebrochen: Ein Zeichen dafür, dass der Konsum im Land weiter zurückgeht – nicht steigt. Entsprechend groß ist der Frust im Land. „Über die Börsen demonstrieren Anleger ihren Ärger über die Partei und den Verlust des Vertrauens in deren Wirtschaftspolitik, die nur große Unternehmen mit guten Beziehungen zu mächtigen Familienclans bevorzugt“, sagt Willy Lam von der China-Universität in Hongkong.

Volkswirte befürchten, dass der Aktiencrash nun das Wirtschaftswachstum im Land abwürgen könnte. „Wenn es der Regierung nicht gelingt, das Vertrauen in die Märkte wieder herzustellen, wird China sein Wachstumsziel von sieben Prozent bis Ende des Jahres kaum erreichen“, heißt es in einer Analyse der australischen ANZ Bank. Ein Grund dafür: Chinesische Anleger haben an der Börse mittlerweile hohe Summen verloren. Allein durch die Kursrückgänge Anfang dieser Woche waren es 400 Milliarden Euro. Und was das Ganze noch schlimmer macht: Ein Großteil der Aktienkäufe ist kreditfinanziert. Selbst Privatleute sollen sich in den letzten Monaten hoch verschuldet haben, um Aktien zu kaufen. Doch steigt die Verschuldung, schwächt das den Konsum im Land noch weiter.

Deutsche Unternehmen sind besonders stark in China aktiv

„Die Turbulenzen führen jetzt zu einem Erwachen“, sagt Sandra Heep vom Berliner Forschungsinstitut Merics. „Vielen wird erst jetzt richtig klar, in was für einer schwierigen Situation sich China befindet.“ Das Land brauche Strukturreformen, zum Beispiel bessere Finanzierungsbedingungen für Privatunternehmen. „Wenn die Regierung diese Reformen nicht in absehbarer Zeit angeht, wird das das Wirtschaftswachstum im Land deutlich schmälern“, sagt Heep.

Für deutsche Unternehmen, die in China Geschäfte machen, bedeutet das eine hohe Unsicherheit. Zumal die Abhängigkeit Deutschlands von der Volksrepublik in den letzten Jahren zugenommen hat. Hat die Bundesrepublik vor zehn Jahren noch Waren und Dienstleistungen im Wert von 20 Milliarden Euro nach China exportiert, sind es mittlerweile fast 75 Milliarden Euro.

Vor allem deutsche Autobauer trifft der Crash

Schwierig ist die Situation vor allem für deutsche Auto-, Maschinen- und Anlagenbauer: Sie sind besonders stark in China aktiv. Volkswagen verkauft zum Beispiel bereits etwa ein Drittel seiner Autos in der Volksrepublik. Doch schwächelt die Wirtschaft und verlieren die Anleger größere Summen an der Börse, können sie sich weniger Autos leisten. Zu spüren ist das schon jetzt: So haben die Chinesen im Juni erstmals weniger Autos gekauft als im Vorjahreszeitraum. Die Zahl der verkauften Neuwagen ging um zwei Prozent auf 1,4 Millionen zurück.

„Wir verfolgen die aktuelle Entwicklung in China sehr aufmerksam“, sagt deshalb Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Deutschen Automobilindustrie. „Die derzeitigen Turbulenzen an den Aktienmärkten führen auch zu einer Volatilität der Automobilkonjunktur.“ Langfristig bleibe China dennoch ein Wachstumsmarkt: Während hierzulande auf 1000 Bürger 540 Pkw kämen, seien es in China gerade einmal 61.

Andere Branchenkenner sehen in den jüngsten Nachrichten dagegen ein Signal dafür, dass sich deutsche Konzerne nicht mehr zu stark auf China konzentrieren sollten. „Die Börsenturbulenzen in China zeigen, dass die Zeit weitgehend risikofreier Wachstumsmärkte vorbei ist“, sagt Stefan Mair vom Bundesverband der Deutschen Industrie. Deshalb sei es an der Zeit, neue Märkte wie Lateinamerika oder Afrika zu erschließen. mit dpa/rtr

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